RNI Memories
Erinnerungen
von Hans Knot

Joop du Pau (1974)

RNI Memories (Teil 08)
Joop du Pau - Mitglied der Mannschaft von RNI
von Hans Knot

Auf einem Radioschiff arbeiteten Moderatoren und Techniker. Daneben war dort aber auch die Schiffsbesatzung, also ganz gewöhnliche Seeleute. Welche Meinung hatten sie von den Vorgängen an Bord? Um auch diese Sicht auf die Geschichte der Seesender kennen zu lernen, unterhielt ich mich im Jahre 1970 mit Joop du Pau, einem Mitglied der Besatzung der MV Mebo II, dem Sendeschiff von Radio Nordsee International.

An Bord eines Radioschiffes müssen viel mehr Tätigkeiten verrichtet werden, als nur Platten aufzulegen, Jingles und Werbespots abzuspielen, die Sendungen locker zu moderieren, Programmbänder zu starten und sich um die Funktionstüchtigkeit des Senders zu kümmern. Neben den Moderatoren und Technikern befindet sich die Schiffs-Crew an Bord. Dazu gehören der Kapitän sowie in aller Regel ein leitender Schiffstechniker, ein Techniker für den Schiffsmotor, ein Koch sowie drei Seeleute. Wenn man einen Blick in die Geschichte der Seesender nach 1972 wirft, wird man jedoch feststellen, dass diese international festgelegte Stärke einer Schiffsbesatzung oftmals nicht erreicht wurde.

So hatte etwa die Caroline-Organisation nur in den Jahren 1972, 1973 und dann wieder ab 1983 eine vollzählige Besatzung an Bord ihrer Schiffe, der MV Mi Amigo und der MV Ross Revenge. Zu den übrigen Zeiten halfen einige Radioleute bei den Arbeiten im Bereich der Schiffstechnik aus. Nicht so an Bord der MEBO II, dem Sendeschiff von Radio Nordsee International: Hier war zu jeder Zeit eine vollständige Schiffsbesatzung vorhanden. Die Eigentümer der MEBO II, Erwin Meister und Edwin Bollier, heuerten ihre Crew über eine maritime Arbeitsvermittlung in Rotterdam an. Insgesamt waren es 17 Personen, von denen ständig sieben an Bord waren. Sieben der 17 Personen stammten aus Beverwijk, einer kleinen Stadt nahe Haarlem in der niederländischen Provinz Noord Holland.

Joop du Pau, einer von ihnen, erinnerte sich: „Ich war als Ingenieur 18 Jahre lang über die Weltmeere gefahren und dachte, das sei eigentlich genug. Ich hatte irgendwie die Vorstellung, dass es an der Zeit war, eine Familie zu gründen, und daher suchte ich Arbeit an Land. Und ich hatte auch Erfolg. Ich meine, ich liebe die See immer noch, aber ich liebe auch meine Frau. Ende 1969 hörte ich, dass ein norwegischer Trawler im Hafen von Slikkerveer, in der Nähe von Rotterdam, wieder hergerichtet werden sollte, um die Heimat für eine neue Radiostation zu werden. Ich ging also eines Tages zu meinem alten Boss, und der erzählte mir, dass die Eigentümer des Radioschiffes aus der Schweiz kämen, dass sie immer noch nach einer anständigen Mannschaft suchen und dass einer von ihnen im Grand Hotel in Scheveningen zu finden sei. Ich entschloss mich, dorthin zu fahren, und fand in Scheveningen heraus, dass noch niemand angeheuert worden war. Meister fragte mich, ob in meiner Gegend Leute wohnen, die vielleicht Lust hätten, auf einem schwimmenden Radiosender zu arbeiten.“

Zurück in Beverwijk wusste Joop genau, wen er wegen des Jobangebots ansprechen konnte, und wenige Tage später war eine komplette Crew am Tweede Binnenhaven in Scheveningen, um an Bord der MEBO I zu gehen, des ursprünglichen RNI­Begleitschiffs, das sie zur MEBO II brachte. Das Radioschiff lag direkt vor der niederländischen Küste vor Anker. Die folgenden Leute stellten die erste Mannschaft dar: Joop du Pau, Cas Castricum, Ruud Teiner, Theo Niesten, Dick Adrichem und Jan Schotvanger.

In den kommenden vier Jahren waren alle, mit Ausnahme von Dick, gleichzeitig auf der MEBO II. Natürlich kann es zu Problemen führen, wenn die gesamte Mannschaft aus der gleichen Stadt kommt, da sich sehr leicht eine Clique bildet. All diese Seeleute aus Beverwijk kannten einander sehr gut, obwohl es viele Arbeitsplätze in der kleinen Stadt gab. Joop du Pau: „Die schweizerischen Eigentümer erkannten, dass unser Clan aus Beverwijk einen Kapitän von außerhalb bekommen sollte, und daher suchten und fanden sie einen in Scheveningen. Wir waren immer zwei Wochen lang an Bord, gingen dann sieben Tage lang an Land und kamen mit dem Tender am darauf folgenden Freitag zurück.“ 

Während Joops Landaufenthalten ging die Arbeit allerdings indirekt weiter: „Es war seltsam, aber während ich an Land war, kamen immer wieder Leute aus Beverwijk und fragten mich, ob sie einen Job auf der MEBO II haben könnten. Sie hatten anscheinend gehört, dass das ein sehr luxuriöses Schiff war. Um noch einmal auf die Kapitäne zurück zu kommen: Wir hatten insgesamt zwei aus Scheveningen. Ich glaube, Kapitän Harteveld mochte die Jungs aus Scheveningen lieber als unsere Gang aus Beverwijk. Außerdem ließ er uns über den Hafen in Scheveningen versorgen, obwohl es bestimmt viel billiger gewesen wäre, das von Ijmuiden aus zu machen, was viel näher zum Ankerplatz der MEBO II lag.

Das andere Schiff von Meister und Bollier, die MEBO I, wurde nur zum Wochenbeginn als Tender benutzt und lag den Rest der Woche im Hafen, was sehr teuer war. Anfangs hieß es, dieses kleine Schiff sollte das Radioschiff werden. Aber dann schien es doch zu klein für eine Verankerung auf hoher See zu sein. Daher kauften die Schweizer ein neues, größeres Schiff und benutzen das kleine als Versorgungsschiff.“

Nach ein paar Monaten mit Programmen in Deutsch und Englisch vor der niederländischen Küste, sah es so aus, als sollte Radio Nordsee International kein kommerzieller Erfolg werden. Im März 1970 trafen die Eigentümer die Entscheidung, einen neuen Anlauf zu nehmen, dieses Mal vor der britischen Küste. Du Pau hierzu: „Wir lagen vor Clacton. Nach Dienstschluss nahmen wir manchmal das Rennboot und gingen auf einen netten, kleinen Trip an die Küste. Meistens an den Strand von Clacton, wo wir eine schöne Zeit mit den Frauen dort erlebten. Wir wussten damals nicht, dass es verboten war, ohne Genehmigung der Behörden am Strand zu landen, aber zum Glück wurden wir nicht erwischt. Wir hatten niemals Schwierigkeiten mit dem Zoll oder der Polizei. Obwohl ... einmal lag ein Boot der Marine neben der MEBO II, und später setzten die britischen Behörden einen Störsender auf unsere Frequenz.“

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre sowie später wieder um 1985 passierte es häufig, dass die Marine oder andere offizielle Stellen sich den Radioschiffen näherten. Bei diesen Begegnungen wurden Foto- und Videoaufnahmen gemacht und manchmal auch, obwohl es illegal war, kamen Vertreter der Behörden auf die Schiffe. In den frühen 70ern war auch die MEBO II Ziel eines solchen Besuchs.

Joop du Pau berichtet weiter: „Wir hatten eine wirklich gute Zeit. An den Wochenenden war immer eine Feierstimmung. Viele Leute kamen in ihren kleinen Booten von der Küste, um uns zu besuchen, uns Kleinigkeiten zu bringen und Musikwünsche abzugeben. Wir arbeiteten zehn Stunden am Tag, und abgesehen von der Arbeit schliefen wir, spielten Karten, sahen fern und lasen Magazine und Zeitungen. Und nachdem wir Ende Juni 1970 wieder vor der Küste der Niederlande lagen, war es auch angenehmer für die holländische Mannschaft, weil wir da im TV wieder Nederland 1 und 2 sehen konnten. Im August 1970 erfuhren wir, dass der Sender nur noch auf Englisch senden würde, obwohl es doch Pläne für ein holländisches Programm gab. Einmal war sogar ein Italiener an Bord, der behauptete, er würde einmal am Tag ein Programm auf Italienisch moderieren, das im 31-Meter-Band ausgestrahlt wird. Aber das wurde niemals umgesetzt. Wir liebten auch die Sonntagvormittage auf der MEBO II. Dreißig Minuten lang durfte die Schiffsbesatzung ans Mikrofon, und wir konnten unsere Verwandten und Freunde grüßen.“

Zu der Zeit, in der ich mich erstmals mit Joop du Pau unterhielt, sendete Radio Nordsee International auf Mittelwelle 217 Meter, daneben auf UKW und Kurzwelle. Du Pau meinte, dass ein Frequenzwechsel bevorstehen würde: „Es gibt schon wieder Beschwerden, dass wir andere Sender stören würden, dieses Mal ist es Hilversum 3. Wir werden deshalb bald die Frequenz wechseln. Die schweizerischen Eigentümer haben sechs Millionen Gulden in das Projekt gesteckt. Sie wollen keinen Ärger mit den holländischen Behörden und haben uns deshalb angewiesen, in der kommenden Woche auf einer neuen Frequenz zu senden. Wir haben einen 105-Kilowatt-Sender und eine 70 Meter hohe Antenne, das ist schon ein bisschen mehr als die acht Kilowatt auf der MV Norderney von Radio Veronica.“

Und du Pau machte sich Gedanken zur Wirtschaftlichkeit des Seesenders: „Wenn eine Radiostation überleben will, ist es natürlich wichtig, dass sie genug Werbung im Programm hat. Zur Zeit erreicht unser Sender dieses Ziel nicht. Als wir vor der britischen Küste waren, hatten wir Spots von der spanischen Airline Iberia und vom japanischen Radiohersteller Toshiba. Und während der Wahlen im März strahlten wir auch Werbung für die Konservative Partei aus. Edward Heath wurde der neue Premierminister, und wir dachten, dass wir von da an problemlos würden senden können. Aber der Störsender blieb in Betrieb, und so zogen wir uns an die niederländische Küste zurück. Damals wurde eine Untersuchung durchgeführt, und die besagt, dass die Konservativen wegen ihrer Werbung auf RNI vier Prozent mehr Stimmen erhalten haben als erwartet.“

Obwohl Radio Nordsee International im August 1970 nicht genügend Werbezeit verkaufen konnte, blieb du Pau dennoch optimistisch, was die Zukunft des Senders anging: „Unsere Bosse aus der Schweiz haben wirklich viel Geld investiert und sie wollen ja ihre Investition wieder sehen. Immer, wenn wir etwas besonderes an Bord benötigen, müssen wir nur fragen, und es wird besorgt. Unser Arbeitsraum ist voller spezieller Werkzeuge und Ausrüstung, und wir können alle nötigen Arbeiten damit verrichten. Es gibt nur eine Ausnahme: Wenn das Radioschiff seine Position verändert, um zu einem anderen Ankerplatz zu gelangen, müssen wir einen Schlepper anmieten, um den Anker herauszuziehen. Unsere eigene Winde ist nicht stark genug. Die Firma Tack aus Rotterdam hat den Job bereits zweimal für uns erledigt, einmal, als wir von Holland nach England zogen, und dann bevor es wieder zurück ging.“

DJ Lerry Tremaine

In der Frühzeit von RNI war die Bezahlung der Angestellten gut. Es gab nur eine Angelegenheit, mit der die Mannschaft nicht zufrieden war: die Versicherung. „Wir waren nur versichert, wenn wir an Bord waren. Wenn wir also auf dem Schiff in einen Unfall verwickelt waren, wurden die Löhne während der Genesung weiter bezahlt. Aber wenn wir während unserer Zeit an Land krank wurden, gingen wir leer aus. Außerdem wurde der Lohn nur einen Monat lang weiter bezahlt. Dauerte die Krankheit länger, ging der Job an einen anderen. Aber wie dem auch sei ... ich liebe die See noch immer, und ich freue mich, wenn ich noch viele Jahre für den Sender arbeiten kann. Meine Frau Paula war vor kurzem eine Woche mit mir auf dem Schiff und konnte sich einen Eindruck von der Atmosphäre und dem Feeling machen. Sie war ziemlich glücklich nach ihrem Aufenthalt hier.“

Auch nach dem erneuten Start von RNI im Jahre 1971 war du Pau Teil der Mannschaft und blieb beim Sender bis zum 31. August 1974. Er war auch Crew-Mitglied, als die MEBO II unter Kapitän van der Kamp im Jahre 1977 zu einem Ankerplatz vor der Küste Libyens fuhr, wo das Schiff zur Heimat für einen neuen Radiodienst wurde: The People Revolution Broadcasting (Sender der Volksrevolution) des libyschen Führers Gadaffi. Doch nach drei Monaten ging Joop du Pau zurück nach Holland, verließ die Welt des Hörfunks und zog sich in ein ruhiges Leben in Beverwijk zurück.

Bilder (von oben): Joop du Paul (1974); Die DJs Roger Day und Johnny Scott (1970); Tender MEBO I zum Radioschiff; DJ Lerry Tremaine.

Original-Titel: "Joop du Pau: one of RNI's crew members"
Fotos: © freewave magazine, Paul de Haan, Hans Knot

Aus RADIOJournal 7/2002