RNI Memories
Erinnerungen
von Hans Knot

RNI Memories (Teil 07)
Sag mir wo die Gulden sind...
von Hans Knot

Nach der Veröffentlichung der ersten Folgen dieser Artikelserie trafen viele Zuschriften von ehemaligen RNI-Hörern und von einigen Stationsmitarbeitern ein. In den eMails und Briefen wurden einige Fragen aufgeworfen, unter anderem immer wieder die nach dem Verbleib des Geldes, das die Station von ihren Hörern erhalten hatte. In den 70er Jahren traten nämlich viele Leute einer „Radio-Nordsee-Stiftung“ bei und schickten dem Sender Geld, damit sich dieser an Land um eine offizielle Lizenz bemühen konnte. Dieses Vorhaben wurde jedoch niemals umgesetzt...

Beschäftigen wir uns zuerst mit dem „Bombenangriff“ auf das Radioschiff MEBO II am 15. Mai 1971. Am späten Abend dieses Tages verursachten drei Taucher aus Scheveningen eine Explosion im Maschinenraum des Schiffes und entkamen anschließend eiligst in einem kleinen Boot. Einer dieser Taucher, der als „Captain Tom“ bekannt war, hatte zuvor im August und September 1970 eine Zeitlang in verantwortlicher Funktion auf der MEBO II gearbeitet. Er kannte sich auf dem Schiff aus und wusste, wie er nach Erledigung des „Jobs“ am schnellsten fliehen konnte. Und er hatte auch Glück: Die meisten Personen auf dem Schiff verfolgten entweder eine Sportsendung im Fernsehen oder bereiteten ihre Radiosendung vor.

An jenem Abend saß ich selbst zu Hause und hörte meine damalige Lieblings-Sportsendung im Radio. Es war „Goal“, eine wirklich gute Show, produziert von George Thor und in hervorragender Weise moderiert von Felix Meurders und Theo Koomen, die jeden Samstagabend auf KRO Radio lief.

Plötzlich unterbrach Meurders das Programm mit der Nachricht, dass gerade etwas Schreckliches auf der Nordsee passiert sein musste, da die MEBO II um Hilfe rief. Teile dieses SOS-Rufes wurden sogar von der KRO übertragen. Es hieß, ein großes Feuer wüte an Bord, verursacht durch die Explosion einer Bombe. Es war eine wahrhaft dramatische Radioübertragung, die ich nie vergessen werde! Während der folgenden Stunden liefen meine beiden Empfänger gleichzeitig, aber auf verschiedenen Frequenzen: Über einen verfolgte ich das öffentlich-rechtliche Radio, während ich mit Hilfe des anderen RNI bis zur Einstellung der Sendungen aufzeichnete, das heißt bis der Schweizer Techniker Kurt Bär als letzter das Radioschiff verließ.

Zwischenzeitlich war Hilfe unterwegs. Mehrere Schiffe verließen Scheveningen, darunter auch das Feuerschiff MV Volans, welches das Feuer auf der MEBO II erfolgreich bekämpfte. Die Besatzung und alle DJs konnten anschließend alle wieder an Bord gehen. In der gleichen Nacht ging RNI wieder auf Sendung und berichtete über das Geschehene. 

Wie bekannt wurde, waren die drei Taucher von dem konkurrierenden Radio Veronica angeheuert worden, die MEBO II in den Hafen von Scheveningen zu schleppen. So wollte die Veronica-Organisation sich des Schiffes bemächtigen. Nach der Inhaftierung der Taucher, des Veronica-Direktors Verweij und dessen Partner Jürgens erschienen in den holländischen Zeitungen eine Vielzahl von Kommentaren. Zudem warf der Vorgang eine Menge Fragen im niederländischen Parlament auf. Es zeichnete sich ab, dass der Gesetzgeber entschlossen war, gehen Radio Veronica vorzugehen. 

Dies wiederum rief einen Teil der Veronica-Discjockeys auf den Plan. Sie starteten eine große Aktion unter dem Motto „Veronica blijft als U dat wilt“ („Veronica bleibt, wenn Du es willst“). In ganz Holland wurden Karten verteilt, auf denen die Fans unterschreiben konnten, dass sie Radio Veronica weiterhin im Äther haben wollten. Die Aktion wurde on air beworben, und es wurde darauf hingewiesen, dass alle, die eine Unterschrift leisteten, auch Mitglieder der VOS („Veronica Omroep Stichting“, später umbenannt in VOO - „Veronica Omroep Organisatie“) werden konnten. Wenn diese Stiftung erst einmal ausreichend Mitglieder haben würde, so der Plan, könne sie sich um eine offizielle Lizenz an Land bewerben. - Dies dauerte natürlich noch einige Jahre, aber schließlich ging die VOO als öffentlich-rechtlicher Anbieter tatsächlich legal auf Sendung. Dies ist jedoch eine andere Geschichte ... also zurück zu Radio Nordsee International.

Die holländischen Direktoren von RNI ließen sich von der Veronica-Kampagne inspirieren und beschlossen, eine ähnliche Aktion aufzuziehen. Die Hörer sollten eine jährliche Geldsumme überweisen und der Station zu einer offiziellen Lizenz verhelfen. Viele Fans des niederländischen RNI-Dienstes werden sich an die 1973er Kampagne „Hou em in de Lucht“ („Haltet es im Äther“) erinnern. Das gesamte DJ-Team organisierte eine Woche lang Live-Auftritte an Bord der MEBO II. Werbekolonnen zogen durch ganz Holland, um Mitglieder für die Radio-Nordsee-Stiftung zu akquirieren. Ziel war, mindestens 100.000 Mitglieder zu gewinnen. Es wurde eine teure Kampagne.

Dies war jedoch nicht die erste Aktion dieser Art. Als im Juni 1972 die neuen RNI-Studiogebäude offiziell eröffnet wurden, waren Pressevertreter (einschließlich ich als Herausgeber der „Pirate Radio News“) eingeladen, um dieses Ereignis zu feiern. Die Studios waren in dem riesigen historischen Gebäude „De Hofstede“ in Naarden, in der Nähe von Bussum untergebracht. Das Gebäude war auch das Zuhause des Verlags „Strengholt“ (gleichzeitig die Gesellschaft, die hinter dem niederländischen Radiodienst stand), des Musikverlegers „Reditune“ und der „Muziek Parade“. Auch die „Karel Prior Productions“ hatten dort ihren Sitz. Karel moderierte jeden Sonntagmorgen die Sendung »Prioriteiten« auf RNI, obwohl er ebenfalls für die Konkurrenz von AVRO und NOS tätig war, für die er in späteren Jahren das Programm »Cosa Nostra« erstellte.

Die Studios von RNI waren zuvor im zweiten Stockwerk eines alten Hauses in der Frans Halslaan in Hilversum untergebracht (siehe Bild). Mit billigem Equipment stellten Joost den Draayer, Jan van Veen, Peter Holland und Ferry Maat ihre Sendungen dort zusammen, versuchten Werbeumsätze zu erzielen, um sich davon größere Studios anmieten zu können. In den neuen Räumen produzierten nicht allein die DJs des holländischen Dienstes, es wurde auch am englischen RNI-Service gearbeitet und Jingles hergestellt. Für die Jingles waren mehrere Personen zuständig, darunter Ren Groot, der später eine eigene Firma namens „Top Format“ gründete, heute die zweitgrößte Jingle-Produktionsfirma in Europa.

Wichtiger ist jedoch, was anlässlich der Einweihung der neuen Studios gesagt wurde. Ich habe mir die Aufzeichnungen erst kürzlich wieder vorgenommen. John de Mol Sr., der Direktor des niederländischen Dienstes, beschrieb die Zukunftspläne der Station: „Wie Sie sehen können, sind wir heute eine glückliche Familie. Nicht nur, weil wir unsere neuen Studios eröffnen, sondern auch, weil die Werbetreibenden zu uns gefunden haben. Als wir im letzten Jahr starteten, hatten wir natürlich eine schwere Zeit. Aber heute können wir mit Recht sagen, dass wir eine gut geführte Station mit einem anständigen Einkommen sind. Vielleicht haben Sie gehört, dass die NOS-Abteilung „Kijk en Luisteronderzoek“ [Hörerforschung] einige Zahlen veröffentlicht hat, die besagen, dass unser Sender zur Zeit gerade einmal 200.000 Hörer erreicht. Nun, lassen Sie mich sagen, dass unsere eigene Erhebung, die wir bald veröffentlichen werden, ein völlig anderes Ergebnis zeigt. Ich kann Ihnen schon verraten, dass wir 4,5 Millionen Hörer erreichen, was wesentlich mehr ist, als die NOS-Zahlen vermuten lassen. Darüber hinaus haben wir in unseren Büros bereits erste Pläne für den Erhalt einer offiziellen Lizenz in der nahen Zukunft. Der heutige 15. Juni 1972 ist nicht nur das Eröffnungsdatum für unsere Studios, sondern auch der Tag, an dem wir erstmals von unseren Plänen berichten, bald an Land zu gehen. Sie werden bald mehr darüber erfahren.“

John de Mol fügte hinzu: „Ich möchte nicht viel über unsere eigene Erhebung sagen, nur soviel: Ich stelle das Ergebnis der NOS in Frage. Wer immer diese Erhebung durchgeführt hat, muss eine sehr törichte Person sein. Zum Glück haben wir genug Zeit, um unsere Pläne für eine legale Station hundertprozentig zu vervollständigen. Ich glaube nicht, dass die holländische Regierung die Straßburger Konvention bald unterschreiben wird. Wir müssen also in den nächsten zwölf Monaten keine Aktionen gegen unser Schiff befürchten. Ich bin immer noch der Ansicht, dass die Veronica-Lizenzkampagne stinkt. Jeder in Holland weiß, wer hinter dem Bombenangriff steckt: die Verweij-Brüder. Ich glaube nicht, dass viele Holländer einer Organisation Geld geben werden, die unser Schiff im vergangenen Monat in große Schwierigkeiten gestürzt hat. Nein, [die Veronica-Kampagne ist] nur Schaumschlägerei, sonst nichts.“

Nach der Eröffnung der Studios war von diesen Plänen jedoch nichts mehr zu hören, bis ein Jahr später die „Hou em in de Lucht“-Aktion startete. Sie erwies sich als erfolglos. Nach drei Wochen fulminanter Werbung erkannten die RNI-Eigentümer, dass die Station keine Zukunft an Land haben würde. Nur 30.000 Niederländer beantragten die Aufnahme in die Nordsee-Stiftung. Was sich de Mol nicht vorstellen konnte, wurde Wirklichkeit. Radio Nordsee International erhielt niemals eine Lizenz für den Sendebetrieb an Land. Veronica hingegen war erfolgreich und startete im Dezember 1975 legal als „Veronica Omroep Organisatie“.

Wenige Jahre später hatte die Veronica-Organisation die größten Hörer- und Zuschauerzahlen und wurde mit mehr als einer Million Mitglieder sogar die größte Sendegesellschaft in den Niederlanden. Dies ist inzwischen jedoch auch schon wieder Geschichte, da Veronica sich in den späten 80er Jahren um eine kommerzielle Lizenz bemühte - ein anderes Kapitel in der niederländischen Rundfunkhistorie, das an anderer Stelle erzählt werden muss. 

Nach dreißig Jahren RNI-Geschichte bleibt die Feststellung, dass eine Frage immer noch unbeantwortet ist: Nicht eine einzige der 30.000 Personen, die der Radio-Nordsee-Stiftung beitraten, sah ihre Gulden jemals wieder. Wo sind sie geblieben?

Original-Titel: "Where did all the money go?"
Fotos: © Martin Stevens; freewave magazine

Aus RADIOJournal 5/2002