RNI Memories
Erinnerungen
von Hans Knot

RNI Memories (Teil 02)
Smash Plays und Nummer-Eins-Titel -
Die Musik auf RNI

von Hans Knot

Drehen wir die Zeit zurück. Von Februar 1971 bis Ende August 1974 wurden von einem farbenfrohen Radioschiff in der Nordsee holländische und englische Programme ausgestrahlt. Das Schiff war die MEBO II und Radio Noordzee beziehungsweise Radio NorthSea International die Namen der Station. Wie meisten anderen Offshoresender, so war auch dieses Radioschiff angetreten, um die Hörer zu unterhalten, indem es deren liebste Musik spielte - 20 Stunden pro Tag, was für die damalige Zeit eine ganze Menge war. Auf der MEBO II gab es ein holländisches und ein internationales DJ-Team. Die DJs konnten persönlich auf die Musikauswahl Einfluss nehmen und taten dies auch. Besonders die holländischen Moderatoren nutzten diese Möglichkeit und machten Radio Noordzee zum Radio-Trendsetter. In meinem persönlichen Tagebuch der 60er und 70er Jahre ist all dies festgehalten. Ich machte damals auch Notizen über die besondere Musikauswahl beim niederländischen und beim internationalen Dienst von Radio Nordsee.

Die Top 50

In den frühen 70ern hatte die Rockmusik bewiesen, dass sie dauerhaft präsent sein würde. Die Offshoreradios hatten zur Akzeptanz des Rock in der Öffentlichkeit beigetragen und entwickelten sich parallel zur Musik. So stellten viele Stationen in jener Zeit auf 'Progressive Rock' um. Nicht so RNI, das weiterhin an der Neigung der Rockmusik zu Spass und 'Dance' festhielt. Die Station kultivierte das Top-40-Format, mischte einige wiederbelebte 45er-Scheiben, die "Golden Oldies", darunter und würzte die Mischung mit dem einen oder anderen Albumtitel ab. Vielleicht ist "Top 40" nicht der richtige Begriff, denn tatsächlich hatte RNI eine "Top 50". Beim Betrachten der Playlist kann man erkennen, dass RNI der britischen Beatmusik und dessen Weiterentwicklungen breiten Raum gab. Soul war ein weiterer wichtiger Bestandteil der Programme. Daneben gab man vielen holländischen Künstlern ein Forum, die sich in diesen Musikrichtungen ausdrückten. Auf diese Weise hatte der Sender eine ausgesprochen "europäische" Note.

Die RNI-DJs hatten reichlich Gelegenheit, den Geschmack und die Musikauswahl ihrer Hörer zu beeinflussen und zu erziehen. Das vielleicht merkwürdigste Musikstück, das von den holländischen DJs auf Radio Noordzee gebracht wurde, war Mozarts Symphonie Nr. 40, eingespielt vom Orchestra Manuel de la Falla und dirigiert von Waldo de Los Rios. Es war einer der größten Hits, den die Station über all die Sendejahre hinweg fabriziert hatte. Es gibt natürlich Dutzende weiterer Beispiele von Songs, die von dem Sender zu Nummer-Eins-Hits gemacht wurden. Radio Veronica hatte eben nicht als einzige Station einen großen Einfluss auf die Musikszene in Westeuropa. Ein Grund für diese wichtige Rolle für RNI war die Tatsache, dass jeweils eine ganze Woche lang zu jeder vollen Stunde eine Platte gespielt wurde, die von allen DJs gemeinsam ausgesucht war. Am Anfang wurde dieser Titel "RNI's Smash Play" genannt; später wurde die Bezeichnung in "Treiterschijf" geändert. In den Anfangsmonaten des holländischen Sendedienstes waren es wöchentlich zwei Titel: einer davon wurde zu jeder geraden Stunde auf die Wellenlänge von 220 Metern geschickt, der andere zu jeder ungeraden. Am 29. Januar 1972 wurde dann erstmals nur ein Song ausgewählt und für eine Woche alle 60 Minuten ausgestrahlt. Während der gesamten Historie von RNI geschah es nur einmal, dass ein und derselbe Titel an zwei aufeinanderfolgenden Wochen ausgewählt wurde. Dies war am 23. und 30. Juni 1973, und der betreffende Song war "Engelina" vom niederländischen Rockstar Peter Koelewijn.

Der wöchentliche Countdown

Es gab noch andere Wege, wie die DJs ihre Hörer mit Neuerscheinungen bekannt machen konnten. Neben dem "Treiterschijf" hatte jeder Moderator seinen persönlichen Favoriten, den "Pick to click", der später in "Kanskaart" umbenannt wurde. An jedem Samstagnachmittag wurden diese "Kanskaarten" gespielt, direkt nach der Ausstrahlung der wöchentlichen Countdowns, den "Radio Noordzee Top 50". Die ersten Top 50 gingen am 21. Februar 1971 in den Äther. Sie wurden präsentiert von Tony Allen, in einer Zeit, in der man nur in englischer Sprache sendete. Nur wenige Wochen später, am 6. März, moderierte erstmals ein Holländer die Top 50 auf 220 Meter. Es war der bekannte Joost den Draayer, der in den 60ern für Radio Veronica gearbeitet hatte. Mehr als ein Jahr später übernahm Ferry Maat die Moderation, und er tat dies bis zur Einstellung von RNI im August 1974. Die Hörer von Veronica waren es gewohnt, jede Woche in den Plattenläden eine gedruckte Fassung der "Veronica Top 40" zu holen. Deren erste Nummer war bereits in der zweiten Januarwoche 1965 erschienen. Radio Noordzee beschloss also, eine gedruckte Fassung ihrer Top 50 herauszugeben. Vom 27. März 1971 an konnte diese Liste an jedem Freitag abgeholt werden, noch vor der Ausstrahlung des Countdowns am Samstag.

Das Album der Woche

Die wöchentlichen "Kaanskaarten" liefen nicht immer am Samstagnachmittag. Zwischen September 1972, dem Tag der ersten "Kaanskaarten", und dem 8. April 1973 wurde diese Liste am Sonntagnachmittag ausgestrahlt. Jeder Titel auf dieser Liste, insgesamt 30, war in der Folgewoche zweimal am Tag zu hören. Am 14. April 1974 wurde die Liste in "Troef 20" umbenannt. RNI hatte auch ein "Album of the week" beziehungsweise eine "LP van de week". Das erste Album wurde am 3. April 1071 ausgewählt.

Ich bin heute noch happy, wenn ich an das allerletzte Album der Woche denke, das für die Woche nach dem 25. August 1974. Es war die Schallplatte "The History of RNI" ("Die Geschichte von RNI"), produziert von Jakob Kokje und mir. Sie erhielt eine regelmäßige Ausstrahlung im englischen und holländischen Sendedienst von RNI. Darüber hinaus warb Radio Veronica während deren letzter Sendewoche engagiert für unsere Platte, und für eine Woche erschien sie sogar in den nationalen Verkaufscharts.

Original-Titel "Smash plays and number one hits"
Fotos: © Archiv Hans Knot

Aus RADIOJournal 10/2001