RNI Memories
Erinnerungen
von Hans Knot

RNI Memories (Teil 05)
Erste Sendungen von der MEBO II
von Hans Knot

Diese Artikelserie behandelt die Geschichte von Radio Nordsee International nicht in chronologischer Reihenfolge. Der Autor Hans Knot erinnert sich - mehr oder weniger zufällig - an verschiedene Aspekte des farbenfrohen Offshoresenders, den er für die beste Station der 70er Jahre hält. In diesem fünften Teil der Serie führt uns Hans Knot zurück in die Frühzeit des Senders. Was wussten beispielsweise die niederländischen Zeitungen von den ersten Programmen des Veronica-Konkurrenten zu vermelden?

Im Februar 1970 wurden die Sender auf der MEBO II erstmals in Betrieb genommen. Am Beginn standen Testsendungen auf Kurzwelle; Mittelwellen- und UKW-Tests folgten. Ich erinnere mich an eine Reihe sehr langer Sendungen mit den Discjockeys Axel, Hannibal, Roger Day und dem unvergesslichen - und schrecklichen (sorry!) ­ John Denny. Obwohl diese Sendungen wirklich alle ausgesprochen lang waren, haben sie mir dennoch gefallen. Vielleicht kamen sie mir so lang vor, weil der Erkennungssong „Man of Action“ andauernd gespielt wurde. Die Melodie lief immer und immer wieder - es war eine Art Gehirnwäsche für die Hörer, denen klar gemacht werden sollte, dass sie nun ihre absolute Lieblingsstation für die kommenden Jahre gefunden hatten.

Beinahe sofort nach den ersten Tests, und über einen Zeitraum von einigen Wochen, erschienen viele kleine Artikel über das Schiff und den Sender in den niederländischen Zeitungen. Es stellte sich heraus, dass das farbenfrohe Sendeschiff für die Journalisten in Holland ein erstklassiges Thema war. Viele von ihnen beschrieben Radio Nordsee International als einen tollen Konkurrenten von Radio Veronica, die einzige verbliebene Radiostation, nachdem im März 1968 beide Caroline-Schiffe, die MV Mi Amigo und die MV Fredericia, von der Firma Wijsmuller wegen nicht bezahlter Rechnungen abgeschleppt worden waren.

An Bord der MEBO II sorgte ein starker Mittelwellensender, der einmal sogar für wenige Stunden mit einer Maximalleistung von 105 Kilowatt lief, für die Ausstrahlung der Programme. In den ersten Monaten konnten die englisch- und deutschsprachigen Sendungen von RNI in ganz Westeuropa gehört werden. Niemals zuvor kam das Signal einer Radiostation so klar und deutlich in den nördlichen und östlichen Teilen der Niederlande an - und zwar sowohl während des Tages als auch nachts.

Beunruhigt von dem starken Radiosignal, begannen einige eher konservative Zeitungen bald nach der Aufnahme der Testsendungen eine Kampagne gegen RNI und forderten die Behörden auf, gegen die neue Station einzuschreiten. Sie schrieben, dass dies nun aufhören müsse: Radioprogramme aus internationalen Gewässern seien nicht länger zu tolerieren. "Die Station, so ihre Argumentation, behindere das Monopol der niederländischen Sendegesellschaften, die als einzige das Recht besäßen, im ganzen Land auszustrahlen. Dass RNI lediglich in Englisch und Deutsch sendete, zählte offenbar nicht als Argument.

Die holländische Post reagierte ebenfalls sehr schnell auf die RNI-Mittelwellentests. Sie hatte eine Beschwerde erhalten, dass die Ausstrahlungen auf 186 Meter eine offizielle Station aus Italien störte. Gleichzeitig schienen die Kurzwellensendungen Interferenzen mit der norwegischen Marine zu verursachen. Am 4. März 1970 berichteten die Zeitungen unisono über zusätzliche Probleme: „Wenn das niederländische Parlament nicht sehr schnell durch die Unterzeichnung der Straßburger Konvention gegen die Offshore-Stationen etwas unternimmt, riskiert es zu spät zu kommen. Wenn Radio Nordsee International eine große Hörerschaft gewinnt, werden auch andere Gesellschaften denken, dass sie mit Radioschiffen in internationalen Gewässern eine große Öffentlichkeit erreichen und viel Gewinn machen können. Darüber hinaus gibt es aber auch ein anderes Problem: Der neue Sender, Radio Nordsee International, verursacht viele Interferenzen mit der Leitfunkstelle in Flushing. Kontakte zwischen Schiffen auf der Nordsee und Westerschelde einerseits sowie Flushing andererseits sind derzeit fast unmöglich.“

Erzürnte und in ärgerlichem Tonfall vorgebrachte Meinungen waren 1970 nichts ungewöhnliches. Lesen Sie, wie der besagte Zeitungsartikel fortfährt: „Gestern Vormittag war die Verbindung zwischen der Leitfunkstelle und den Schiffen durch das Signal von RNI, das mit großer Leistung auf der Mittelwelle 186 Meter sendet, komplett blockiert. Als provisorische Gegenmaßnahme arbeitet der Leitfunk mit einem Ersatzsender von der Sendestelle Rotterdam und wechselte von 187 auf die neue Welle 182 Meter. Das Ausweichen auf 182 Meter war unausweichlich geworden, da weder die Schiffe noch die Empfangsstelle im Hafen von Flushing irgendein Signal des Leitfunks aufnehmen konnte. Die Sendungen von RNI auf 186 Meter blasen jegliche andere Ausstrahlungen auf dem unteren Ende des Mittelwellenbandes hinweg.“

Einige Tage später berichteten die Zeitungen, dass die Direktoren von RNI etwas gegen die Interferenzen unternehmen würden, und sei es nur, um keinen schlechten Ruf in der Öffentlichkeit zu erhalten. In den Blättern hieß es: „Am vergangenen Wochenende sendete ein sehr kranker roter Hering namens Radio Nordsee International zwei kostenlose Werbespots, für welche die betreffenden Organisationen nicht bezahlt hatten. Ein Spot warb für den World Nature Life Fund, dessen Vorsitzender Prinz Bernhard von den Niederlanden ist, und der andere Spot für die UNESCO.“

Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass die Medien die Vorgänge um den neuen Offshoresender nicht genau beobachteten. Als nämlich die RNI-Direktoren Meister und Bollier die Presse zu einem Besuch auf der MEBO II einluden - das war im Dezember 1969, als das Schiff noch im Hafen von Slikkerveer lag –, wurde bereits angekündigt, dass RNI neben dem kommerziellen Verkauf von Sendezeit von Zeit zu Zeit auch gemeinnützigen Organisationen wie dem World Life Fund, Oxfam und dem UNESCO Kinderhilfswerk Werbezeit schenken würde.

Nur wenige Wochen nach den Meldungen über die Funkinterferenzen entschlossen sich Meister und Bollier, die MEBO II vor Clacton zu ankern. Sie dachten damals, dass die Station mit Sendungen vor der britischen Küste mehr Gewinn erwirtschaften würde. Auch nach dieser Entscheidung zeigte sich die niederländische Presse nicht besonders gut informiert. So hieß es beispielsweise in einer der täglichen Kolumnen von Haarlems Dagblad, der Lokalzeitung von Haarlem, dass die MEBO II die niederländische Küste verlassen hätte und jetzt vor Belgien liege: „Es kann derzeit noch nicht gemeldet werden, ob der Leitfunk in Flushing immer noch unter den Störungen durch den RNI-Sender auf 186 Metern leidet. Die MEBO II, die inzwischen vor der belgischen Küste vor Anker liegt, hat ihren Betrieb noch nicht wieder aufgenommen.“

Es scheint, dass der Leitfunk in Flushing zu diesem Zeitpunkt immer noch über den Ersatzsender in Rotterdam lief, weil man zuerst einmal wissen wollte, ob RNI auch nach dem Wechsel des Ankerplatzes noch Interferenzen verursachen würde. Ein Sprecher in Flushing, Mr. J. Heyse, sagte: „Wenn RNI nicht mehr stört, werden wir zurück auf unsere ursprüngliche Wellenlänge wechseln.“

Zwischenzeitlich hatte die MEBO II ihren neuen Platz vor der Küste Englands am 24. März um neun Uhr vormittags erreicht. Am gleichen Tag beschwerte sich der britische Postminister beim Premierminister und forderte Maßnahmen gegen den neuen Sender, da dieser gegen den ‚Marine Defence Act’ von 1967 verstoße. Die RNI-Mittelwelle verursachte schwere Interferenzen bei der Küstenwache in Walton on the Naze, die über 183 Meter mit den Feuerschiffen und den Schiffen von Trinity House in Verbindung standen. Aus diesem Grund schaltete RNI am 27. März seinen Mittelwellensender ab und sendete nur noch auf Kurzwelle 6210 kHz. Am 10. April kehrte man auf die Mittelwelle zurück und benutzte die neue Frequenz 1587 kHz, das entspricht 190 Meter.

Die britische Regierung reagierte prompt. Am 15. April 1970 wurde der erste Störsender gegen RNI eingesetzt - der Startschuss für die sogenannte „Jamming-Periode“ von RNI. Ich erinnere mich noch sehr gut: Das allererste Störgeräusch begann in der Mitte des Songs „Spirit in the Sky“ von Norman Greenbaum. Das Ministerium für Post und Telekommunikation jammte mit einem 800­ Hertz-Ton, der über eine Küstenfunkstelle in Rochester ausgestrahlt wurde. In den Zeitungen hieß es, dies geschehe nach Aufforderung von Radiostationen aus Italien und Norwegen.

Radio Nordsee International wechselte ständig seine Frequenz, doch der Störsender blieb der Offshorestation stets auf den Fersen. Als RNI einmal auf 244 Metern sendete, störte ein britischer Marinesender mit zehn Kilowatt Leistung in einigen Gegenden von Kent sogar die Programme von BBC Radio One, der nationalen Popstation. Im Gegenzug besuchte eine Gruppe von Piratensender-Fans die Sendestelle in Rochester. Die gleiche Gruppe organisierte auch einen Demonstrationszug in London, der vom Hyde Park bis nach 10 Downing Street, dem Sitz des Premierministers, führte. Ab diesem Zeitpunkt war RNI für mich tatsächlich der „Spirit in the Sky“, und ich schaltete keine andere Station mehr ein, bis RNI im September 1970 erstmals seinen Sendebetrieb beendete.

Bilder (von oben): John de Mol jr. (links), Ted Bouwens, Brian McKenzie, Marc van Amstel und Gerard Smit auf dem Tender. Noordzee racing team; Roger Day mit Fans auf einer Demo im Londoner Hydepark (1970).

Original-Titel: "The first transmission from the MEBO II"
Fotos: © Theo Dencker, Hans Knot, freewave magazine

Aus RADIOJournal 3/2002