RNI Memories
Erinnerungen
von Hans Knot

RNI Memories Extra
RNIs langer Anlauf - Von der Galaxy bis zur MEBO II
von Hans Knot

Die ersten Pläne für den Seesender Radio Nordsee International wurden bereits Mitte des Jahres 1968 geschmiedet. Doch verstrichen noch beinahe 18 Monate bevor die Station Ende Januar 1970 on air ging - und schließlich von einem anderen Schiff wie ursprünglich geplant sendete.

Der Start einer facettenreichen Popstation

Am 15. August 1967 trat in England ein Gesetz in Kraft, das als Marine Offences Act in die Geschichte einging. Das Gesetz schuf für die Briten ein offizielles Verbot für Seesender, um auf welche Art und Weise auch immer, an deren Programmen mitzuarbeiten. Das Verbot galt auch für die Versorgung der Radioschiffe und die Ausstrahlung von Werbespots. Radio Caroline widersetzte sich dem Marine Offences Act und sendete von seinen beiden Schiffen weiter bis zum 3. März 1968. Ein unzufriedenes Unternehmen - Die Firma Wijsmuller - die unter anderem für die Versorgung verantwortlich war, ließ beide Schiffe von ihrer Ankerposition in den Hafen von Amsterdam schleppen, wo sie festgelegt wurden.

Zur damaligen Zeit hatte die Jugend nur wenige Popmusik-Stationen, wo das Hören wirklich Spaß machte. Radio Veronice sendete noch immer von der MV Norderney, aus Luxemburg kamen Programme in Niederländisch, Deutsch, Französisch und Englisch, und dann gab es noch Hilversum 3, der Vorgänger des heutigen 3FM. Der Sender war allerdings noch nicht so weit, um das Versprechen der Regierung zu erfüllen, die Seesender mit einem niveauvollen Programm zu ersetzen.

Das Ende der Seesender hinterließ eine deutliche Lücke. Beinahe monatlich konnte man in den Zeitungen Gerüchte lesen denen zufolge wieder ein neues Projekt von See aus gestartet werden sollte, um den Kampf gegen die nationalen Popstationen aus den Niederlanden und aus England (Hilversum 3 und BBC Radio One) aufzunehmen. Lediglich eines dieser Gerüchte sollte sich später bewahrheiten.

Eine neue Farbe für die MV Galaxy

Von den Seesendern der 60er Jahre war Wonderful Radio London einer der Populärsten. Die Station hatte seit Dezember 1964 auf Mittelwelle 266 Meter gesendet und dafür gesorgt, dass das sogenannte Top-40-Format in Europa eingeführt wurde. 1967 dann das Ende. Die Eigentümer beschlossen, sich nicht gegen das britische Gesetz aufzulehnen und die Sendungen verschwanden am Montag, den 14. August 1967 aus dem Äther. Fast unmittelbar danach wurde das Radioschiff - die MV Galaxy, ein früheres Minensuchboot (MV Density) aus den Vereinigten Staaten - am 19. August 1967 in den Hafen von Hamburg überführt, wo es am 21. August eintraf. Hier bekam das Schiff einen vorläufigen Liegeplatz in der Elbe, wurde später zum Dok 20 geschleppt und an einen Griechen für 10.000 Britische Pfund (umgerechnet zirka 45.000 Euro) verkauft. Niemand wusste, wie die mögliche Zukunft des Schiffes aussehen würde. Bis am 17. April 1968 erste Gerüchte die Runde machten.

Von der Deutschen Presse Agentur (dpa) wurde ein Bericht in Umlauf gebracht, der auch in einigen niederländischen Zeitungen erschien. Unter dem Titel "Neuer Piratensender im Kommen" wurde gemeldet, dass die MV Galaxy durch ein Schweizer Reklamebüro aus St. Gallen aufgekauft worden war und als Radioschiff ausgerüstet werden sollte, um danach in internationalen Gewässern auf einer Position zwischen Helgoland und Scheveningen verankert zu werden. Dem Bericht zufolge sollte die definitive Position erst nach einer Reihe von Testsendungen bekannt gegeben werden.

Im August 1968 kam ein Bericht von Klaus Quirini, dem Vorsitzenden des Deutschen Deejay Verbandes in Aachen heraus. Quirini gab sich als Deejay und Programmleiter der zukünftigen Station aus und meldete, dass das durch die Schweizer finanzierte Projekt vielleicht am 1. Dezember 1968 starten würde. Am 28. Oktober 1968 schrieb dann das "Algemeen Dagblad", dass bald das erste deutsche Seesender-Projekt unter dem Namen Radio Nordsee International von der deutschen Küste auf Sendung gehen würde: "Man wird 20 Stunden pro Tag on air sein. Die Sendungen beginnen voraussichtlich am 1. Dezember auf Mittelwelle 266 Meter. Hinter diesem geheimnisvollen Projekt steht ein in Liechtenstein niedergelassener Geschäftsmann. Das Radioschiff soll die frühere MV Mi Amigo sein, die nach dem Verbot der Piratensender ihre Aktivitäten einstellen musste. Es wird in einem niederländischen Hafen ausgerüstet, bekommt 28 Mann Besatzung und wird in Jamaika registriert. Über eine Agentur in Aachen wurden bereits sechs Deejays angeworben. Die Bundesregierung wird wenig unternehmen können, da die Einrichtung aus Deutschland stammt."

Eine verwirrende Geschichte. Der betreffende Journalist hatte zwar etwas gehört aber nicht überprüft, welches Radioschiff in Wirklichkeit ausgerüstet werden sollte. In deutschen Zeitungen, darunter die Frankfurter Rundschau und die Zeitschrift Crash, standen Berichte über "Die Musikpiraten". Inzwischen wurde im Hafen von Hamburg energisch der Pinsel geschwungen. Als ich im Dezember 1968 dort vorbei schaute, fand ich ein prächtig in Weiß gestrichenes Schiff vor. Auch im Inneren waren die Maler aktiv gewesen. Aber an der Ausrüstung der Studios war nichts getan worden.

Inzwischen nannte die Presse als neues Startdatum den 12. Dezember 1968. Nachforschungen ergaben, dass hinter dem in einem Artikel erwähnten Schweizer Reklamebüro "Gloria International" die Herren Gschwendt und Luthle steckten. Anderentags erzählten die beiden in einem Zeitungsinterview, dass alle Arbeiten an den Studios und dem Sender abgeschlossen seien und die Programmausstrahlung innerhalb einer Woche beginnen könne. Interessierte Beobachter, die sich seinerzeit - so wie ich - im Dock 20 der Firma Finkenwerder, Teil der Howaldts Werke-Deutsche Werft AG, aufhielten, überzeugten sich selbst davon, dass die Behauptungen von Gschwendt und Luthle alles andere als richtig waren.

Der Einzug von Meister und Bollier

Am 25. Januar 1969 wurde bekannt, dass Luthle sich aus dem Seesender-Projekt zurückgezogen hatte, da er aufgrund von Äußerungen deutscher Regierungsbeamter die Möglichkeit auf ein finanziell gesundes Projekt schwinden sah. Die Bundesregierung erwog nämlich die Einführung eines Anti-Seesendergesetzes nach dem Beispiel des britischen Marine Offences Act. In einer Erklärung gab Luthle bekannt, dass noch kein einziger Vertrag mit einem potentiellen Werbeinserenten unterzeichnet sei, da jeder erst abwarten wolle, ob tatsächlich ein gutes Signal in den Äther gebracht werden würde. Sein Finanzpartner Gschwendt organisierte unterdessen eine teure Champagner-Party und mietete einige kleine Flugzeuge, um die Vertreter der Presse über "sein Radioschiff" im Hafen von Hamburg kreisen zu lassen.

Mittlerweile lagen die Pläne der Bundesregierung, um Maßnahmen gegen eventuelle Radiopiraten zu ergreifen, auf dem Tisch. Am 2. Juli 1969 trat das Gesetz tatsächlich in Kraft. Es sollte Seesender-Aktivitäten von deutschem Hoheitsgebiet aus unterbinden. An diesem Tag lag die MV Galaxy noch immer ruhig vertäut im Hafen von Hamburg. Das geplante Projekt hatte in diversen Zeitungen und Zeitschriften eine große Öffentlichkeit bekommen. So konnten die Behörden nur jeden Versuch behindern, die MV Galaxy außerhalb der nationalen Gewässer zu schiffen. Ausführlich wurde in der Presse deutlich gemacht, dass im Fall des Zuwiderhandelns die Studio- und Sendeausrüstung beschlagnahmt würde. Nun hielt auch Herr Gschwendt es für ratsam sein ehrgeiziges Vorhaben zu stoppen.

Frack der Galaxy in KielLetztendlich sollte am 28. September 1970 deutlich werden, dass die MV Galaxy am 2. Dezember 1970 gerichtlich namens diverser Gläubiger verkauft werden sollte - ein Verkauf, der nichts erbrachte, wodurch das Schiff noch Jahre in Hamburg und Kiel vertäut lag, um dort schließlich zu sinken. Ende der 80er Jahre wurde das Schiff wieder gehoben und abgebrochen. Luthle und Gschwendt hatten es also aufgegeben. Aber damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. In der Zeit, als die Pläne mit der MV Galaxy noch vollauf lebten, hatte das Duo zwei Landsmänner engagiert, die die technischen Anlagen für das Betreiben einer Radiostation an Bord des Schiffes instandhalten und einen Plan für Ersatzteile aufstellen sollten.

Erwin Meister und Edwin Bollier hatten schließlich die Idee, selbst ein solches Seesender-Projekt zu starten. Das benötigte Geld kam von ihrer in Zürich ansässigen MEBO Ltd. Der Name des Unternehmens setzt sich aus den Anfangsbuchstaben MEister und BOllier zusammen. Angesichts der missglückten Aktion mit der MV Galaxy in Deutschland wollten die zwei ein mögliches Radioschiff dort ausrüsten lassen, wo es noch kein Anti-Seesender-Gesetz gab. Dieses Land sollte die Niederlande sein.

Die MEBO I und die MEBO II

Die Suche nach einem geeigneten Schiff führte unter anderem nach Norwegen, wo Meister und Bollier bei der Werft Trondjem in Trondheim die MV Bjarkoy, ein Schiff von 347 Tonnen, kauften. Anschließend wurde das Boot in die Werft von De Groot und Vliet in Slikkerveer gefahren und in MV MEBO umgetauft. Doch ein Mitarbeiter der Werft machte den beiden Schweizern klar, dass es mit dem Verankern des Schiffes in internationalen Gewässern vor der niederländischen Küste Probleme geben würde, weil es für diesen Zweck zu klein und instabil sei.

Die Direktion der Schiffswerft empfahl Meister und Bollier daraufhin den norwegischen Trawler MV Silvretta, der 1946 auf dieser Werft gebaut worden war. Das Schiff war 186 Fuß - knapp 57 Meter - lang und hatte eine Tonnage von 630. Nach dem Kauf wurde die MV MEBO nochmals umgetauft in MEBO I und die Silvretta bekam den Namen MEBO II. Im September 1969 begann man mit dem Umbau zum Radioschiff, wobei unter anderem ein 52 Meter hoher Sendemast installiert wurde, der bis dahin größte auf einem Radioschiff.

Es sollte bis zum 22. November 1969 dauern bis die ersten Fotos und Veröffentlichungen in einer Zeitung erschienen. Damals wurde auch der Name des Senders zum ersten Mal erwähnt: Radio Nordsee International. Innerhalb von zwei Wochen sollte die für den Einbau bestimmte Senderapparatur durch RCA aus den USA geliefert werden. Meister und Bollier erklärten, dass das Schiff einen vorläufigen Liegeplatz vor der niederländischen Küste auf der Höhe von Scheveningen erhalten solle, und dass man Programme in Deutsch, Niederländisch und in Englisch ausstrahlen wolle. Neben Engländern, Niederländern und Deutschen sollten auch Österreicher ins Präsentatorenteam einbezogen werden. Die Eigentümer kündigten weiterhin an, dass bereits für viele Millionen Werbeaufträge internationaler Firmen gebucht worden sind.

Auf Fragen, ob man sich nicht vor Maßnahmen der Niederländischen Behörden fürchte, antworteten die Herren, sie hätten keine Sorge, dass ein solches Gesetz eingeführt werden würde. Sollte dies dennoch geschehen, erwogen sie in Richtung Mittelmeer abzureisen. Nicht alle Zeitungsberichte waren richtig. Die zur Ausrüstung des Schiffes geplanten vier Millionen waren in jedem Fall sehr hoch gegriffen. Anhand der Rechnungen der Schiffswerft zeigte sich später, dass für den Umbau des Schiffes und den Einbau der Apparatur durch die MEBO Ltd. insgesamt 612.397,93 Gulden bezahlt worden waren. Der Kauf der Silvretta hatte 250.000 Gulden gekostet.

Eine neue Farbschicht

MV BjarkoyAm 26. November kamen Meister und Bollier nochmals im Telegraaf zu Wort. Viele Neuigkeiten konnten den Berichten von früher nicht hinzu gefügt werden, außer, dass man als eine Art Weihnachtsgeschenk zwei Wochen lang für die Europäische Jugend Wunschplatten auflegen wollte. Erst danach sollten die kommerziellen Programme beginnen. Gesetzlich gesehen hatten sie in der Schweiz mit ihren neuen Aktivitäten keine Probleme, aber sollte dies in der Zukunft doch eintreten, so gaben sie für den Fall eine Ausweichmöglichkeit im afrikanischen Sierra Leone an. Einen Tag später meldete dieselbe Zeitung, dass die Direktion von Radio Veronica über die erwartende Konkurrenz durch RNI nicht geschockt sei. Der damalige Kommentar von Senderchef Bull Verweij: "Wir haben eine freie See und Radio Veronica hat nicht das alleinige Aufführungsrecht auf dieser See."

Derweil wurde auf der Werft hart gearbeitet. Die MEBO II bekam einen neuen, in vielen Farben aufgetragenen Anstrich, was später auch mit der MEBO I passiert ist. Danach gab man bekannt, dass das Radioschiff am 29. November seine Position in internationalen Gewässern auf der Höhe von Noordwijk einnehmen würde, und kündigte Testsendungen für den 1. Dezember 1969 an. Hierfür wollten die Betreiber einen 105-Kilowatt-Sender auf die Mittelwellenfrequenz 186 Meter abstimmen. Die Programme, so Bollier, sollten bis in Warschau zu empfangen sein. Werbezeit wollte er für 200 Dollar per 30 Sekunden und 380 Dollar per Sendeminute verkaufen. Des weiteren war geplant Verhandlungen mit religiösen Organisationen über das Vermieten von Sendezeit (maximal eine halbe Stunde pro Sendeblock) zu führen.

Die Sender waren inzwischen in den Niederlanden angekommen, doch andere Zeitungen meldeten Einfuhrprobleme. Angeblich stünden sie noch in Portugal im Hafen von Lissabon. Es ging um einen 105 Kilowatt-Hauptsender und einen 10,5 Kilowatt Reservesender, die zuvor dem Eigentümer Radio 390 gehörten. Außerdem gab es zwei 10,5 Kilowatt-Sender für die Programmausstrahlung auf Kurzwelle (Fabrikat RCI und Brown, Boverie & Cie.) und einen 1,2 Kilowatt UKW-Sender von Rhode & Schwarz.

MEBO IAm 28. November wusste die Volkskrant zu melden, dass das Kabinett unter Premier De Jong mit dem Erscheinen von RNI wohl doch ein Anti-Seesender-Gesetz einführen würde, da die Nachbarländer, die bereits ein solches Gesetz verabschiedet hatten, sicherlich gegen die Radioaktivitäten vor der niederländischen Küste protestieren würden. Zunächst wurde eine Anpassung des Rundfunkgesetzes erwartet, in dem auch Radio Veronica einen Platz haben sollte. Außerdem wurden direkte Schritte der belgischen, deutschen und britischen Regierung erwartet, falls tatsächlich eine internationale Radiostation von der Nordsee aus senden würde.

Verhandlungen und Gerüchte

Einen Tag später hatten Meister und Bollier, die im damaligen Grand Hotel in Scheveningen wohnten, bereits eine Antwort auf die Politik. Sie erzählten, dass die MEBO II keinen festen Ankerplatz bekommen, sondern in internationalen Gewässern und dann auf der Höhe der belgischen, britischen, niederländischen und westdeutschen Küsten fahren würde. Angesichts der stürmischen Wetterlage im Frühjahr und Herbst auf der Nordsee hatte man sich dafür entschieden. Außerdem verkündeten Meister und Bollier, dass Radio Veronica sich nicht zu ängstigen brauche, da keine niederländisch-sprachigen Programme geplant seien. Durch die Direktion von Radio Veronica war ein großer Geldbetrag an die Schweizer übergeben worden. Gesprochen wird von einer Million Gulden. Damit kaufte Radio Veronica einen Anteil am Radioschiff und man einigte sich darüber, dass von der MEBO II aus niemals Programme in niederländischer Sprache ausgestrahlt werden sollten. Das dies später, im März 1971, dennoch geschah, sollte schließlich zu dem berüchtigten Bombenanschlag auf das Radioschiff von RNI führen.

Aber, soweit war es noch lange nicht. Die große Frage vieler Journalisten, die sich für das Radioschiff interessierten, hieß: Woher haben die Schweizer das Geld, um ein solch teures Projekt auf See zu realisieren? Auf diese Frage antwortete Bollier, dass sie 1968 im Auftrag der Caritas (Katholische Wohltätigkeitsorganisation) eine große Bestellung nach Biafra hatten ausliefern können. Außerdem sprach er von guten Geschäften mit Jugoslawien und anderen Ostblockstaaten.

Kurz nachdem der Name Biafra gefallen war, erschienen die seltsamsten Geschichten in den Zeitungen. So machte eine Story die Runde, dass die beiden Schiffe im Auftrag der Regierung von Biafra ausgerüstet worden seien. Nach dem Sturz dieser Regierung seien die Schiffe den Schweizern aufgehalst worden, worauf diese beschlossen hätten sie selbst zu verwenden. In einem anderen Artikel wurde angenommen, dass die Regierung von Biafra die Ausrüstung der MEBO II bezahlt hatte, damit von dem Radioschiff aus regierungskonforme Programme zu Gunsten des afrikanischen Landes ausgestrahlt werden sollten. Schließlich machte noch ein Bericht die Runde, dem zufolge einige britische Politiker Mitfinanziers seien, um über die Station Propaganda gegen den britischen Premier Richard Wilson ausstrahlen zu können.

Der erste Sendeton

Am 6. Januar 1970 meldete die MEBO Ltd. in einem Pressebericht, dass es noch etwa zwei Wochen dauern würde, bevor man loslegen könne. Fachleute der niederländischen Post (PTT) gaben bekannt, dass eventuelle Sendungen auf 186 Meter nicht nur Interferenzprobleme mit den Programmen des Bayerischen Rundfunks, der 187 Meter verwendet, verursachen würde, sondern dass auch Beschwerden der Küstenwachstationen aus diversen Ländern zu erwarten wären.

Registrierung in PanamaAm 22. Januar 1970 wurde das Radioschiff dann endlich vor der Küste von Noordwijk verankert. Bevor es aus Slikkerveer abfahren konnte, hatten Zöllner, assistiert durch Ermittlungsbeamte der PTT, das Schiff inspiziert, um zu kontrollieren ob sich betriebsbereite Sender an Bord befanden. Merkwürdigerweise war der Untersuchungsauftrag vom Botschafter von Panama ausgegangen, dem Land, wo Meister und Bollier das Schiff hatten registrieren lassen. Die Papiere sollten eingezogen werden, falls sich tatsächlich herausstellte, dass es um ein sendefähiges Radioschiff ging.

Es leuchtet ein, dass der Botschafter von Panama unter dem Druck der niederländischen Regierung stand. Die Betroffenen waren auf solche Probleme vorbereitet und hatten vitale Teile, wie die Sendekristalle ausgelagert. Außerdem befanden sich nicht alle Sender an Bord. Ein Teil wurde am 25. Januar mit der MEBO I zum Radioschiff gebracht. Es war eine enorme Arbeit, um die in Kisten verpackten Sender an Bord der MEBO II zu hiefen. Auch musste an diesem Tag eine 25 Tonnen schwere Ankerkette herübergehoben werden, aber letztendlich ging alles gut. Noch am selben Tag wurde das erste Signal auf Kurzwelle 6210 kHz ausgestrahlt. Wenig später gingen von Moderatoren präsentierte Testprogramme in den Äther. Radio Nordsee International war damit eine Tatsache.

In den darauf folgenden Woche wurde mehrmals in der Presse erklärt, die Regierung von Panama hätte auf Wunsch der Niederlande die Registrierung der beiden Schiffe eingezogen. Nichts davon ist wahr. Während der kommenden Jahre ist zum wiederholten Male die Registrierung der Schiffe verlängert worden. Die erste Regiestrierung für die MV Bjarkoy, datiert auf den 11. Juni 1969, wurde - laut einem mir vorliegenden Dokument - vom Botschafter persönlich unterzeichnet.

Die Ausrüstung

Das Radioschiff war offiziell Eigentum der MEBO Telecommunications AG, P.O. Box 113, Albisriederstraße 315, 8047 Zürich, Schweiz. Eine Firma mit Erwin Meister, Edwin Bollier und Urs Emmenegger als Direktoren. An Bord des Radioschiffes befanden sich Öl- und Wassertanks mit je 55 und 70 Tonnen Inhalt. Für die Stromerzeugung sorgten ein Struver-Deisel-Generator und zwei Deutz-Generatoren; für die Beleuchtung kamen zwei kleinen 20 kW-Deutz-Generatoren zum Einsatz. Außerdem gab es eine batteriebetriebene Notbeleuchtung. Auf der Brücke befand sich ein Radar; für Notfälle bestand eine VHF-Radioverbindung über das VHF-Radiotelefon-System. Neben den Deejays und Technikern waren immer als sogenanntes nautisches Personal ein Kapitän, ein Koch, ein Steward und zwei Matrosen an Bord.

Die Sender

  • 1 RCA BTH 100 B (105 kW maximal ausgehende Leistung)
    Main MW 1367 kHz.
  • 1 RCA BTH 10J (10,5 kW maximal) Stand-by MW 1367 kHz
  • 1 RCA BHF 10B (10,5 kW maximal) 6210 kHz, 49 m Band SW
  • 1 Brown-Boveri (10,5 kW maximal) 9940 kHz, 31 m Band SW
  • 1 Rhode & Schwarz (1,2 kW maximal) 100 MHz FM Band

Die Ausrüstung von Studio 1

  • 2 EMT 200, Auto-Start-Plattenspieler
  • 2 Revox A77 Tonbandgeräte
  • 3 Spotmaster 500 series NAB Jingle-Maschinen
  • 1 Neun-Kanal-Mischpult
  • 1 Electrovoice-Mikrofon

Die Ausrüstung von Studio 2

  • 2 EMT 200, Auto-Start-Plattenspieler
  • 3 Revox A77 Tonbandgeräte
  • 3 Spotmaster 500 series NAB Jingle-Maschinen
  • 1 Neun-Kanal-Mischpult
  • 1 Electrovoice-Mikrofon
  • 1 Mikrofon, das mit dem Mischpult von Studio 1 verbunden war

Man Of Action

Zum Schluss noch einmal zurück zu Klaus Quirini, dessen Name später noch assoziiert werden sollte mit dem Tune von RNI - "Man of Action" - von Les Reed and his Orchestra. Ad Roland, der 1969 an den Vorbereitungen von RNI beteiligt war, erzählte uns, dass Meister und Bollier diese Platte von Quirini mit der Mitteilung erhalten hatten, sie einmal anzuhören, das sie ein prächtiger Tune für eine Radiostation wäre. Zugegeben, der Mann hätte keine bessere Auswahl treffen können. Aber wer war nun dieser Quirini? Nun, er wurde 1941 geboren und absolvierte nach seiner Schulausbildung ein Praktikum bei einem Zeitschriftenverlag. Daneben profilierte er sich als Deejay und beansprucht für sich selber, der erste DJ in Deutschland gewesen zu sein, der in einem Club / einer Tanzbar auftrat - noch bevor der Name Diskothek allgemein bekannt wurde. Das war 1957 im "Scotch Club" in Aachen, der seinerzeit noch nicht als Diskothek sondern als "Jockey-Tanz-Bar" galt.

Als Schüler war Quirini 1955 bereits Chefredakteur der Schülerzeitschrift Welt der Jugend. Später wurde er Verleger des Boulevardblattes Die Schnauze. 1963 stand der 23-Jährige an der Wiege der DDO (Deutsche Diskjockey Organisation). Im Rahmen dieser Funktion verlegte er die DDO Nachrichten und die Diskotheken Rundschau. 1967 kam unter dem Label Vogue eine LP heraus, auf der er Titel ansagte, was Quirini als eine Premiere in der Geschichte der Plattenindustrie bezeichnete.

1968 war Quirini als DJ in der Diskothek "Playground" in Zürich beschäftigt, dem Platz wo auch die späteren Direktoren von RNI ihre Firma MEBO Ltd. gegründet hatten. Quirini kam mit den beiden Schweizern in Kontakt und sprach mit ihnen über seine reichen Erfahrungen in der Deejay-Welt. Meister und Bollier konnten sich vorstellen ihn ins Seesender-Projekt einzubeziehen. So wird dann auch in seinem persönlichen Lebenslauf vermeldet: "1968 Programmleiter an Bord des Radioschiffes von Radio Nordsee International". Nur gab es das Schiffs damals noch nicht und als es 1970 auf See lag, war Quirini schon lange nicht mehr an dem Projekt beteiligt.

Was Quirini in jedem Fall aufgestellt hat, sind die Bedingungen für die ins Auge gefassten deutschen Deejays an Bord des Radioschiffes. Beabsichtigt war, dass sie diese Regeln bei ihrer Einstellung, mit dem Versprechen sich bedingungslos daran zu halten, unterzeichnen sollten. Ob dieses Reglement wirklich so eingeführt wurde, ist nicht deutlich geworden, da diese Liste lediglich mit der Überschrift "Vorläufige Bordordnung für Discjockeys bei Radio Nordsee" auftauchte. Allerdings gab es eine auffallende Übereinstimmung mit der Liste der Verhaltensregeln, die jeder neue DJ zwischen Februar 1971 bis August 1974 neben seinem Vertrag unterzeichnen musste.

Original-Titel: "Van de Galaxy naar de MEBO I en vandaar weer naar de MEBO II"
Fotos: © Archiv Hans Knot

Aus RADIOJournal 10/2002