
Die Voice of Peace (Teil 14)
Das Goldene Zeitalter der Voice of Peace – 2. Teil
von Don Stevens
Als ich in Tel Aviv landete war es bereits sieben Uhr abends, es war dunkel und es wehte ein warmer Wind. Der Flug mit der Boeing 707 der El Al war ausgesprochen angenehm. Ich erhielt an Bord einen Service wie niemals zuvor oder seither. Ich hatte ein sonniges London mit Temperaturen von 2º Celsius hinter mir gelassen. Die helle Sonne hatte mich auf dem Flug bis kurz vor der Landung auf dem Ben-Gurion-Airport begleitet. Jetzt war ich in einem Land, das mit seinen Nachbarn Krieg führte. Die Crew wünschte mir alles Gute, als ich den Flieger verließ. Ich hatte zwar den Grund meiner Reise nicht angegeben, doch die Stewardessen und Stewards kannten mich und waren große Fans von "1540", wie sie die Voice of Peace nannten.

Aber die Stadtführung ging weiter. Meine tollen Guides schlugen mir fürs Abendessen vor, ein westliches Restaurant aufzusuchen. Ich wollte jedoch etwas Landestypisches ausprobieren, was meinen Freunden offensichtlich sehr gefiel. Also aß ich ein herzhaftes Gericht in einem überfüllten Restaurant, ehe wir zu dritt die Dizengoff-Straße hinauf gingen und die Atmosphäre auf der Kikar genossen. Egal wo wir aufkreuzten, ob in Autos, Läden, wo auch immer – überall tönte "1540" aus den Lautsprechern. Man konnte das Programm komplett verfolgen, ohne ein eigenes Radio! Ich war in meinem Leben niemals derart eingeschüchtert. Selbst in den erfolgreichsten Monaten von "Big L" wäre eine solche Situation in der Oxford Street in London unmöglich gewesen. Aber hier, in Israel. Es war wie eine Offenbarung!
Schließlich ging es ins Hotel – und schon gab es die nächste Überraschung: Keith hatte mich ins Tel Aviv Sheraton eingebucht, in ein Apartment mit direktem Zugang zum Pool, und mich außerdem ins "Schmulick's" in Ben Yehuda eingeladen, die sicherlich beliebteste Tränke für die "Drinking Class" von Tel Aviv. Zwar meinte Keith, er würde nicht allzu lange bleiben, weil er am frühen Morgen schon wieder zur MV Peace ablegen musste. Aber er nahm sich dennoch Zeit, mir meine neue Rolle zu erläutern. Wir verhandelten mein Gehalt sowie meine Unterkunft an Land – sie würde immer das Sheraton sein – und schon machte er sich wieder auf, um noch einen Werbezeitverkauf abzuschließen. Dieser Junge war ein Hans Dampf – und er freute sich, mich zu sehen.
Später trafen wir uns noch einmal an der Hotelbar, und Keith gab mir weitere Informationen über seine Arbeit für die Voice of Peace, wie er die Radioprogramme neuen Stils eingeführt hat, sobald das Schiff am 22. September 1975 von Port Said zurück gekommen war, und wie er an den Moderatoren Black Printz, Robin Adcroft, Phil Brice, Jules Retrot, Ken Dickin und später auch Steve Gordon und Phil Sayer festgehalten hat. Es wurde deutlich, dass Keith den gesamten Laden am Laufen hielt, während Abie Nathan sich im Hintergrund hielt und sich auf die Unterstützung der Armen und Schwachen in der Region konzentrierte. Keith freute sich, dass er Abie auf diese Weise helfen konnte. Es wurde deutlich, dass kommerzielles Denken eingesetzt wurde, um einem größeren Ideal zu dienen.

Keith wollte, dass ich die Vormittagssendung fahre, in gutem Tempo, aber mit Moderation in halber Geschwindigkeit, um damit Hörer anzusprechen, deren Englisch schon etwas eingerostet ist. Es könnten ein paar Standardnummern vorkommen, aber im Großen und Ganzen müsste die Show vorangetrieben werden. Na, kein Problem. Ich war happy, diese Rolle ausfüllen zu können, und stellte mir vor, eine Art Mittelost-Tony-Windsor oder Tineke zu sein. Eine lustige Vorstellung – trotz dichtem, schwarzem Bart und schulterlangen Haaren. Keiths Ziel war es, der sekulären Einwohnern von Israel ein Produkt anzubieten, das ihnen gefallen und sie an ihre Zeit in den Vereinigten Staaten erinnern würde. Er zeigte mir einen prall gefüllten Beutel voller Hörerbriefe, die er vom Postfach abgeholt hatte und ins Büro bringen wollte. Ich gebe zu, das war alles sehr spannend!

Ich wurde sogleich von Ken Dicking begrüßt, der mich Jules Retrot und Steve Gordon vorstellte. Die drei wurden meine besten Freunde an Bord. Als Ken und Jules heraus fanden, dass ich Ire bin, teilten sie eine Ladung Maccabiee Beer mit mir und gaben mir schleunigst eine Einführung in die Situation auf dem Schiff. Jules hatte nur noch ein paar Wochen bis zu seiner Abreise zu arbeiten, und Ken überlegte ebenfalls, die MV Peace zu verlassen. Phil Brice war bereits weg und arbeitete für Beacon Radio in den englischen West Midlands. Ich verstand, dass das Team von "1540" sich auflöste und dass Keith mich an Bord haben wollte, weil er einen Moderator haben wollte, der das Konzept "More Music Radio" verinnerlicht hat.

Am darauf folgenden Tag ging ich auf Sendung. Ken Dicking hatte in der Nacht nach seiner Sendung ein paar Identifikations-Jingles produziert, so dass ich kein Fremdkörper im Formatsound war. Dies bedeutete jedoch, dass ich niemals die Jingles verwenden konnte, die Peter van Dam für mich an Bord der Mi Amigo gebastelt hatte. Das war schade; Peter wäre sicher glücklich gewesen, hätte Israel seine Stimme hören können. Es war ziemlich einfach, die Studiotechnik zu fahren, besonders im Vergleich mit Caroline. Das einzige echte Problem war, etwas Hebräisch zu lernen, um die Schlussansage der Nachrichtensprecher von Kol Israel zu erkennen. Die Voice of Peace übertrug nämlich die Nachrichten des Staatssenders zur vollen Stunde. Steve Gordon war mir eine große Hilfe und warnte mich auch vor fingierten "Out Cues", die manche Nachrichtensprecher verwendeten, um uns aus dem Konzept zu bringen. Wenn wir den optimalen Zeitpunkt verpassten, liefen nämlich weitere fünf Minuten mit Lokalmeldungen und Wettervorhersagen für sämtliche Regionen von Israel. Wenn das bei uns lief, war es ein großer Ausschaltfaktor für die Hörer in Zypern. Also hieß es: Ohren aufsperren und genau hinhören! Während der nächsten Wochen lernte ich vieles über den Sender und die Abläufe an Bord des Schiffes – einschließlich der Streiche, die gemacht wurden. Feueralarme und simulierte Untergänge in Sturmsituationen – alles trug dazu bei, dass die Voice of Peace ein fabelhafter Ort mit einer tollen Mannschaft und einer fantastischen Gruppe von Diskjockeys war. Besonders die Freundschaften zu Ken Dickin und Steve Gordon wuchsen schnell. Wir tranken oftmals zusammen ein paar Biere im Produktionsstudio, während Ken die wöchentliche Playlists für die eigene Top-40-Hitparade erstellte.

Als Jules's Abschied kam, organisierte er eine Party an Land, und weil er wusste, dass ich am gleichen Tag Geburtstag hatte, sorgte er dafür, dass ich einen zusätzlichen Landgang machen und ihn begleiten konnte. Für mich war es überraschend, Israelis zu treffen und herauszufinden, wie populär unser Radiosender war. Ich muss dieses Phänomen seit dem Abend meiner Ankunft vergessen haben. Jules brachte mir in Erinnerung, dass die Voice of Peace die wichtigste Pop-Station nicht nur in Israel, sondern im gesamten Mittleren Osten war. Warum auch nicht, schließlich waren wir die ersten außerhalb Australiens und den USA, die dieses Format verwendeten. Ich erfuhr, dass wir derart beliebt waren, dass der Soldatensender BFBS auf Zypern sein Format veränderte, dass Radio Monte Carlo auf Zypern Probleme bekommen hatte und Änderungen an der Musikrotation vornahm, und dass die Regierung von Israel die Einführung eines Musiksenders ankündigte, der als Reshet Gimel bekannt wurde. Sogar der englische Dienst von Radio Jordanien begann im April 1976, englische Diskjockeys einzusetzen – ein Beweis für die Durchschlagskraft des Sounds von "1540"! Es war einfach großartig, durch die Straßen zu schlendern und den Sender aus jedem Ladengeschäft zu hören. Ich lernte schnell, beim Sprechen in der Öffentlichkeit vorsichtig zu sein, weil die Hörer uns schon anhand unserer Stimmen erkannten. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass die meisten von ihnen nicht besonders gut Englisch sprachen! Andererseits kenne ich diese Fähigkeit als langjähriger Hörer von Radiosendern aus den Niederlanden: Ohne selbst Holländisch zu sprechen, kann ich dennoch Rob Out von Lex Harding oder Peter van Dam unterscheiden. Nun, in Israel auf der Straße erkannt zu werden, sorgte immer für ein Durcheinander. Jeder versuchte dich festzuhalten, deine Klamotten zu fassen zu kriegen oder, was ich besonders toll fand, dich zu einem Abendessen mit Freunden und Familienangehörigen einzuladen. Es erinnerte an die Beatlemania in den 1960ern. Der Diskjockey, den alle treffen wollten, war Ken Dickin. Er war mit Abstand die beliebteste Stimme des Senders. Jeder mochte seine Show, Frauen wie Männer, Jungs und Mädchen. Ich habe mich oft gefragt, was aus dem Friedenssender geworden wäre, wenn Ken weitere drei Monate geblieben wäre. Er war ja auch der Liebling der Werbetreibenden; seine Slots waren stets ausgebucht.

Übersetzung ins Deutsche: Thomas Völkner
Aus RADIOJournal 5/2009