Die Voice of Peace (Teil 13)
Das Goldene Zeitalter der Voice of Peace – 1. Teil
von Don Stevens
Als ich am 9. März 1976 in Israel ankam,
war mir bereits bewusst, dass ich das Privileg und die Freude haben
würde, bei diesem Sender zu arbeiten. Ich würde mit passionierten
Radioprofis zusammenarbeiten, die über Sinn und Wert des
kommerziellen Hörfunks Bescheid wussten. Sie alle arbeiteten daran,
Geld zu verdienen für Abie Nathan und für den Frieden – eine
bemerkenswerte Verbindung von Idealismus und Geschäftssinn, durch
die zudem Kapital für die Unterstützung der Armen und Kranken in der
Region generiert wurde.
Mein erster Kontakt mit dem Friedensschiff
kam während mehrerer langer Abendessen mit Tony Allan und meiner
Frau Anne in unserem Haus im Norden von London im Herbst und zu
Weihnachten 1974 zustande. Tony unterhielt uns mit Geschichten über
Abie, das Schiff und den Jom-Kippur-Krieg, über all die Abenteuer,
in die das Peace Ship verwickelt war. Tony liebte seine Zeit bei der
Voice of Peace, und seine Begeisterung erfasste auch Anne und mich –
so sehr, dass, als Tony meinte, sollte der Sender wieder in Betrieb
genommen werden, er sofort wieder nach Israel reisen würde, ich
erwiderte, dass ich mit von der Partie wäre. Als unser Gast sah,
dass meine Frau damit einverstanden war, dass ich auf einem Schiff
arbeitete, lud mich Tony ein, fürs erste bei Radio Caroline zu
arbeiten. Das war ein cleverer Schachzug, um mich zu rekrutieren!
Tony bestand darauf, dass ich bei Caroline nicht im "Boss-Stil"
moderieren könne, sondern mich dem relaxten Präsentationsstil
anpassen und so viele Album-Tracks wie möglich spielen müsse. Er
bezog sich dabei natürlich auf meine früheren Radio-Gigs. Deren
Kennzeichen waren: Mehr Hits pro Sendestunde, lieber zwei Jingles
als einer, bis zu 20 Sekunden lange Moderation über der Musik,
während ein Song nach dem anderen abgespielt wurde. Man nannte das
eine "Soundmontage". Wir waren angehalten, den Zeiger des
VU-Messgeräts ständig ausschlagen zu lassen – wenn nicht, konnten
wir gleich gehen. Nun ja, ich gab Tony mein Versprechen: Sollte ich
je von Radio Caroline eingeladen werden, würde mich mich an die
lockere Moderation halten. Alle waren glücklich, und die Erzählungen
über das Friedensschiff konnten weitergehen.
Ein anderer häufiger Besucher unseres
Heims im Jahre 1974 war Keith Ashton. Er sollte die einflussreichste
Person für die Geschichte der Voice of Peace und für die Person Abie
Nathan werden – auch wenn das damals noch niemand wusste. Keith war
im September 1974 in Großbritannien eingetroffen, und irgendjemand
hatte ihm meinen Namen und meine Adresse als Anlaufstelle für
alternatives Radio gegeben. Anne und ich hatten diesen übermütigen,
kontaktfreudigen Jungen aus "Down Under"; ausgesprochen gern. Er war
wie die Figur "Tigger" aus den Walt-Disney-Filmen – voller Leben,
Ideen, Konzepte, und er wollte alles stets mit einer Geschwindigkeit
von 150 Meilen in der Sekunde erledigen. Seine Hörfunk-Referenzen
waren faszinierend und äußerst umfangreich; unter anderem gehörte er
zu den ersten DJs von Radio Hauraki, dem ersten und einzigen
Offshore-Sender Neuseelands, wo er mehrere Jahre lang zum
beliebtesten Breakfast-Discjockey gewählt worden war. Keith gab ohne
Umschweife zu, dass er gekommen sei, um von mir alles über das Radio
in Großbritannien zu lernen. Er war immer in Eile, der beste
Verkäufer, den ich je kennen gelernt habe, und er brachte mit eine
Menge Verkaufstricks bei. Tony Allan hatte keine Zeit für Keith und
konnte in den Tagen vor Weihnachten 1974 nicht bei uns vorbei
schauen. Derweil verkaufte Keith Werbeplätze für Radio Caroline und
versuchte, Capital Radio London zu einem Deal (eigene Show auf dem
Sender gegen Werbeerlöse) zu überreden. Capital ging tatsächlich
darauf ein und gab ihm ab Januar 1975 eine Samstagssendung namens
"London Link", in der Australier und Neuseeländer mit ihren
Verwandten und Freunden in England zusammen gebracht wurden. Keith
konnte alle verfügbaren Sendezeiten an den Mann bringen und erhielt
für die Vermittlung eine Provision. Die Show war vier Stunden lang –
ich glaube demnach, dass er einen guten Schnitt gemacht hat.
Ich hatte Keith von Abie und dem
Friedenssender erzählt, hatte Tonys Geschichten zum Besten gegeben,
und mir war bewusst, dass er stets nach allen Seiten offen und
vielseitig interessiert war. Allerdings war seine Sendung auf Capital Radio äußerst erfolgreich – ein Erfolg, der jedoch ein
abruptes Ende fand, als seine Aufenthaltserlaubnis ablief und er sie
trotz seiner Bekanntheit nicht verlängert bekam. Einmal erschien
sogar ein Bild auf Seite 3 der "Sun" von Keith in Begleitung von
zwei Oben-Ohne-Mädchen, die er in der Bildunterschrift bat, ihn zu
heiraten und ihm so zum Aufenthaltsrecht zu verhelfen. Trotz aller
Bemühungen verlor Capital er im Juli 1975 die Sendung "London Link",
und der frühere Moderator der Show löste sich in Luft auf. Niemand
wusste, wo Keith war. Er konnte nirgendwo in Europa gefunden werden.
Bis ich einen Telefonanruf erhielt...
Anfang 1975 hatte mir Tony Allan die
Information zugesteckt, das Friedensschiff würde möglicherweise
wieder in See stechen. Er war der Ansicht, es befinde sich in
Frankreich, und versuchte über Nick Oakley vom "Script Magazine",
etwas neues über Abie zu erfahren. Nick hatte jedoch nichts gehört;
sie sagte aber zu, uns Bescheid zu geben, sobald sie etwas hören
würde. Tony informierte sie, dass er und ich auf die MV Mi Amigo
gehen, um für Radio Caroline zu arbeiten. Ja, das waren tolle
Aussichten: Raus zu Caroline und dann vielleicht auf die MV Peace!
Es versprach ein großartiges Jahr zu werden! Tony bat mich
inständig, eine Aufnahme von Drafi Deutschers "United" mitzunehmen
und als Erkennungsmusik zu verwenden. Ich hatte den Song einige Male
auf Radio Concord eingesetzt. "United" war zu einem Lieblingslied
von Tony geworden, und im Laufe des Frühjahrs 1975 auch von vielen
Caroline-Hörern.
Im Sommer war Tony zurück in Amsterdam und
ruhte sich aus. Ich befand mich wieder in London, wo ich Residency
DJ im Sloopy's war und mich so gut wie möglich für Caroline
einsetzte. Dann allerdings brach meine Welt zusammen: Die britischen
Behörden versuchten, die Caroline-DJs als Informanten zu benutzen
und auf diese Weise Infos zu sammeln, um den Sender schließen zu
können. Es war allgemein bekannt, dass wir Discjockeys in Kontakt
mit den neuen Radiosendern standen. Die Behörden wollten uns dies
nur gestatten, wenn sie im Gegenzug Hintergrund-Infos erhielten. Auf
einmal wurden zahlreiche Jobangebote zurück gezogen, und schließlich
wurde ich festgenommen und wegen Verstoßes gegen den "Marine
Offences Act" von 1967 angeklagt. Mein Heim wurde durchsucht und
sämtliche Dokumente eingezogen. Meine Frau hatte schreckliche Angst.
Es war für uns der Beginn einer trostlosen Zeit. Ich war sehr
dankbar, dass Brent Walker mir den Vertrag für den "Sloopy's"-Job
nicht aufkündigte und mir zusätzlich einen Gig im Hackney Stadium
verschaffte. Gleichzeitig wurde ich jedoch verfolgt, mein Telefon
wurde abgehört, und mehrfach besuchten mich Männer in grauen Mänteln
in meiner Wohnung am Sloane Square. Mein Leben lag unter einem
Vergrößerungsglas, und das war schrecklich für meine ganze Familie.
Dann kam ein Anruf: "Ich habe einen Job
für dich, maßgeschneidert. Interessiert? Sag einfach ja. Ich schick
die Details". "Ja", sagte ich einfach. „Details sind in Kürze bei
dir." Ende des Gesprächs. Aber die Stimme war mir bekannt. Es war
die von Keith Ashton. Es kam mir vor, als riefe er vom anderen Ende
des Universums an, und ich war neugierig zu erfahren, welchen Trumpf
mein alter Aussie-Freund ausspielen würde. Es war im November 1975,
und ich brauchte dringend etwas zur Aufheiterung! Wie versprochen
kam drei Tage später ein Brief mit einer in Tel Aviv gestempelten
israelischen Marke und einer mir bekannten Deckadresse an. Keith
beschrieb mir die Pläne für eine "Super Station" mit einem Format
und einem Programm-Mix, die perfekt auf mich zugeschnitten seien.
Der Top-Verkäufer Keith betonte, dass meine seit 1969 erworbenen
Erfahrungen mit Programmen im Drake-Format, sowohl bei
Piratensendern als auch im Kabel in Großbritannien, dass mein Wissen
über und meine Passion für Formate und Jingle-Pakete mich zur
Idealbesetzung für das neue Projekt machen würde. Er sei der
Ansicht, die Sache mit Caroline nähme mir die Luft und ich solle
deshalb dringend für ihn arbeiten – für ein Programm mit Hits, aus
den besten Bestandteilen von KLIF unter Gordon McLendon und einer
Priese australischer Interpretation von Todd Storz.
Dann verriet er, dass sein Boss kein
geringerer als Abie Nathan sei. Ich war erschüttert! Auf dem Peace
Ship – das wusste ich von Tony Allan – wurde ein relaxter
Radiodienst gefahren, mit wenig Werbung und einem Stil, den ich von
Radio Caroline in den 1970ern kannte. Keith beschrieb ein
fantastisches Programm, eine Mischung aus Veronica, Big L, England,
und abgeschmeckt mit einem bisschen WABC. "More music, more jingles, more commercials, more often, 24 hours a
day", das war das Radio in Britannien. Jetzt
also Israel? Ich antwortete noch vor Weihnachten, dass Anne gerne
nach Kanada zurückkehren und nicht in Israel in die Luft gesprengt
werden möchte. Aber Keith erhielt diesen Brief nicht. Statt dessen
schrieb er im Januar erneut und machte mir das Angebot schmackhaft:
Er berichtete von den DJs, die er gerade angeworben hatte, Steve
Gordon und Phil Sayer, die beide das Kernteam von Ken Dickin, Phil
Brice, Robin Adcroft und Black Printz ergänzen sollten. Warum ich
mich nicht entscheiden könne, fragte er. Schließlich rief Keith mich
auf einer sicheren Telefonleitung an. Ich erzählte ihm von der
bevorstehenden Gerichtsverhandlung in Sachen Caroline. Er war
besorgt, befürchtete eine Haftstrafe und meinte, ich solle zusehen,
das Land zu verlassen, solange das noch möglich sei. Ich versicherte
ihm, dass Johnny Jason und Ronan für mich aussagen und mich
beschützen würden – was die beiden auch taten. Allerdings war zu
befürchten, dass ich später wegen weiterer Punkte angeklagt würde.
Keith überzeugte mich, dass ich zunächst vor Gericht erscheinen,
dann aber mit meinem irischen Pass ausreisen und so schnell wie
möglich nach Israel kommen solle. Er wolle alles für mich
arrangieren. Ich sagte zu, und am 9. März fuhr mich Johnny Jason zum
Flughafen Heathrow, von wo ich den Morgenflug nach Tel Aviv nehmen
würde. Es gab für uns sogar ein gutes Omen: Wir sahen Loving
Awareness, die in die Staaten flogen, um dort ihr neues Album
aufzunehmen. Johnny kannte sie, stellte mich ihnen vor. Klasse
Jungs! Sie versprachen, mir ihre neue Platte aufs Radioschiff zu
senden. Super! Wir nahmen noch gemeinsam ein paar Drinks zu uns, so
dass mein Abenteuer mit der verrückten Welt von Keith Ashton und der
Voice of Peace mit positiven Schwingungen beginnen konnte.
Übersetzung ins Deutsche: Thomas Völkner
Aus RADIOJournal 4/2009