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Veranstaltungsfunk
zu Heinerfest und Turnertreffen - Die Programme von RadaR - Radio Darmstadt

Seit mittlerweile einem Jahr ist es lokalen Radioinitiativen in Hessen gestattet, terrestrischen Hörfunk auf UKW zu betreiben. Zwar wurde bislang [Sommer 1996] noch keine dauerhafte Betriebserlaubnis für ein nichtkommerzielles Lokalradio erteilt, in einigen Städten jedoch konnten bereits zeitlich begrenzte Hörfunkversuche on air gehen. Solche "Veranstaltungsradios" - so genannt, weil sie begleitend zu örtlichen, zumeist kulturellen Veranstaltungen lizenziert werden - waren bereits in Kassel, Rüsselsheim, Marburg, Frankfurt, Gelnhausen, dem Werra-Meißner-Kreis und auch in Darmstadt zu hören.

Schon bald nach der Novellierung des hessischen Privatfunkgesetzes im Herbst 1994 gründeten rund 40 Darmstädter Bürger den Verein RadaR e.V. (Lokalradioinitiative für Darmstadt oder kurz: Radio Darmstadt) mit dem Ziel, ein nichtkommerzielles, nicht an Parteien gebundenes und nicht von Werbung und Sponsoring abhängiges lokales Hörfunkprogramm zu betreiben. Die Initiativgruppe hatte sich seit Februar 1994 regelmäßig getroffen, um über die Details eines solchen Betriebes zu sprechen; im Oktober 1994 wurde dann der Trägerverein gegründet. Die Ziele der eigenen Arbeit beschreibt man mit drei Attributen: "Nichtkommerziell soll das Radio sein, weil wir von Werbung die Ohren voll haben. Lokal soll das Radio sein, weil das örtliche Geschehen in den öffentlichen Medien nicht stattfindet. Demokratisch soll das Radio sein, weil wir die Meinungsvielfalt nicht Wenigen überlassen wollen".

Ernst wurde es zum ersten Mal vom 29. Juni bis zum 3. Juli 1995 anlässlich des seinerzeit stattfindenden Heinerfestes, des großen Darmstädter Volksfestes. Über einen 100-Watt-Sender der Telekom, der auf dem Dach der Fachhochschule installiert war, wurden insgesamt über 80 Sendestunden abgestrahlt. Die Darmstädter Bürgerfunker erhielten während der fünf Tage eine ordentliche Anzahl von Zuhörerreaktionen: etwa 500 Anrufe und Faxe gingen ein, darunter auch Rückmeldungen aus Rüsselsheim, Mainz oder Wiesbaden, wo der Empfang der RadaR-Programme ebenfalls möglich war. Rund 10.000 Mark kostete dieses Veranstaltungs-Projekt, wovon allein die Deutsche Telekom 5.800 Mark für die Bereitstellung der Übertragungstechnik erhielt.

Äußeres Zeichen des Erfolgs war auch der Zuwachs an Vereinsmitgliedern. Waren es während des 1995er Heinerfestradios etwa 80 Leute, die sich am Sendebetrieb beteiligt hatten, so stieg die Zahl der Radioenthusiasten, die Mitglied im Trägerverein wurden, bis zum Frühjahr 1996 auf rund 130 an und übersprang Anfang Juli die 250er Marke. Für RadaR sind diese Mitgliedschaften sehr wichtig, da die Beiträge von mindestens fünf Mark pro Monat neben Einzelspenden vorläufig die einzige Einnahmequelle darstellen. Für den zukünftigen Sendebetrieb soll es möglicherweise auch eine finanzielle Unterstützung durch die hessische Landeszentrale für privaten Rundfunk (LPR) geben.

Während eine dauerhafte Sendegenehmigung noch auf sich warten lässt, führten die Darmstädter Lokalfunker im Frühjahr 1996 zum zweiten Mal ein Veranstaltungsradio durch: Unter der Bezeichnung »Treff '96« begleitete RadaR vom 14. bis 20. Mai das Bundestreffen der Deutschen Turnerjugend, das von der Deutschen Turnerjugend, der Hessischen Turnerjugend, der Stadt Darmstadt, den Sportkreisjugenden und dem TSG 1846 Darmstadt ausgerichtet wurde. Für etwa 2.000 Teilnehmer gab es gut zwei Tage lang verschiedene Veranstaltungen wie die Präsentation "Turn on Darmstadt" auf mehreren Plätzen in der Innenstadt oder einem Showabend unter der Bezeichnung "TurnArt". Die Gestaltung eines dieser Programmpunkte, der großen Eröffnungsfete am Himmelfahrtstag übernahm RadaR selbst. Zusätzlich zu den Übertragungen dieser Veranstaltungen richtete Radio Darmstadt zwei tägliche Sendestunden »Radio-Treff« ein, in denen rund um das Bundestreffen berichtet wurde.

Die Verantwortung für die übrige Sendezeit trugen mehrere Redaktionen: Frauenradio »Rock-Funk«, Internationales Jugend- und Schülerradio, Kultur/Literatur, Lokales, Männerredaktion »Herrmann«, Musik, Sport, Studenten-Redaktion »Audio Max« und Unterhaltung. Die Redaktionen kümmerten sich um den Inhalt ihrer Sendungen, übernahmen die Moderation und sorgten für die technische Abwicklung. Daneben organisierten sie Schulungen für die Mitarbeiter der jeweiligen Redaktionsgruppe.

Nur kurz danach stand bereits der dritte Auftritt von RadaR vor der Tür: Anfang Juli stieg das diesjährige Heinerfest, und aus diesem Anlass wurde die Station der Radioinitiative für Darmstadt vom 2. bis 9. Juli selbstredend wieder aktiviert. Eine Besonderheit: Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Technischen Hochschule Darmstadt wurde das gesamte Programm mittels Multicast-Verfahren im Internet übertragen.

Bereits im Herbst 1995 reichten die Darmstädter ein Lizenzgesuch für einen dauerhaften Sendebetrieb als nichtkommerzieller Veranstalter ein. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang ein Einwand des Südwestfunks: Als eine Station, die zwar in den Nachbarländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg beheimatet ist, deren Programme aber auch in Hessen hörbar sind, befürchtete der SWF offensichtlich den Rückgang der eigenen Einschaltquote sowie Interferenzen durch die neuen nichtkommerziellen Sender.

Für die "Blockadepolitik" bringen die alternativen Radioleute natürlich kein Verständnis auf. Was ihnen alles in allem bleibt, ist - gerade nachdem bekannt wurde, dass der nichtkommerzielle Lokalfunk möglicherweise zahlenmäßig begrenzt werden soll - die Zuversicht: "Wir sind aber guter Hoffnung, eine Dauerlizenz zu kriegen - fragt sich nur wann", heißt es in einem Brief aus Darmstadt.

Thomas Völkner
www.radiodarmstadt.de

Aus RADIOJournal 8/1996

• Nach drei kurzen Auftritten als Veranstaltungsradio nahm die Darmstädter Initiative "RadaR - Radio Darmstadt" am 1. Februar 1997 pünktlich um 14.00 Uhr den regulären Dauerbetrieb als nichtkommerzielle Lokalstation auf. Die Radioinitiative für Darmstadt, ein Verein von inzwischen 350 Mitgliedern, der im vergangenen Herbst eine der drei ersten NKL-Lizenzen in Hessen erhalten hatte, ist derzeit elf Stunden pro Tag auf Sendung. Hierfür nutzt man die terrestrische UKW-Frequenz 103,4 MHz und 96,05 MHz im örtlichen Kabelnetz. Seit Anfang Februar heißt es also in und um Darmstadt: "RadaR - Machen Sie uns an!" (RADIOJournal 3/1997)