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Alte Rundfunkgeräte hautnah - Neue Ausstellung
im Heimatmuseum Köpenick eröffnet

Unter dem Titel „Hegra, Graetz und Radiophon - Funkgeschichte nacherzählt“ eröffnete das Heimatmuseum des bekannten Berliner Ortsteils Köpenick im Dezember 2004 eine neue Rundfunkausstellung. Dem rührigen Museumschef Claus-Dieter Sprink ist es gemeinsam mit engagierten Bürgern wie dem Rundfunkgerätesammler Winfried Müller gelungen, eine Bandbreite von ausschließlich im heutigen Bezirk Treptow-Köpenick hergestellten Empfängern zu präsentieren. Besucher aus Nah und Fern konnten die Ausstellung kostenlos besuchen und sich gleichzeitig in den benachbarten Räumen durch interessante Exponate über die Köpenicker Heimatgeschichte informieren. Wissenswertes zum Museum und seinen Ausstellung sind auch auf den ansprechend gestalteten Internetseiten zu finden.

Der Leiter des Köpenicker Heimatmuseums, Claus-Dieter Sprink, führte mit einem interessanten und informativen Vortrag in die Rundfunkausstellung ein. In leicht gekürzter Form präsentieren wir Ihnen nachfolgend diese Rede: „Wir wollen mit dieser Ausstellung nicht nur an einst bedeutende Radiofabrikationsstätten erinnern, die ihren Sitz in Treptow oder Köpenick hatten. Das allein wäre zwar schon interessant genug, weil auch dieses Kapitel renommierter Firmengeschichte längst der Vergangenheit angehört und nur noch ein Thema für ausgesuchte Spezialisten ist. Hand aufs Herz, wer hätte von Ihnen gewusst, dass in der Köpenicker Lindenstraße vor 80 Jahren Radios hergestellt wurden, in Friedrichshagen mit dem Unternehmen HEGRA eine der bedeutendsten Lautsprecherproduzenten Deutschlands zuhause war und in den AEG-Apparatewerken Treptow, den späteren Elektroapparatewerken, Tausende so genannte Mittelsuperradios, darunter später auch der berühmt-berüchtigte Volksempfänger, hergestellt wurden? 

Aber damit nicht genug. Wesentliche Schritte zur technischen Entwicklung der Funktechnik wurden von 100 Jahren in Oberschöneweide gegangen. Sie sind untrennbar verbunden mit Persönlichkeiten wie Georg Graf von Arco oder Adolf Slaby, die damals im Auftrage der AEG Sende- und Empfangsanlagen für die Deutsche Marine entwickelt und gebaut haben. Die ersten Funkexperimente führte Slaby damals auf dem Dach des AEG-Kraftwerks Oberspree in der Wilhelminenhofstraße durch. Die Versuchsanlage bestand aus mehreren starken Kupferdrähten, die zwischen den Schornsteinen des Kraftwerks gespannt und als Empfangsantenne genutzt wurden.

Vor mehr als 81 Jahren, am 29. Oktober 1923, nahm in Berlin der erste deutsche Rundfunksender seinen offiziellen Sendebetrieb auf. Bereits Ende 1923 waren etwa 1.000 Hörer gemeldet und ein weiteres Jahr später begann im gesamten Reichsgebiet ein von Berlin aus angeführtes Radiofieber. Unternehmen die Rundfunkempfänger und Bauelemente herstellten, schossen wie Pilze aus dem Boden. Darunter befanden sich auch die Unternehmen Max Reinhardt - kurz Reico - und Deutsche Radiophon, die beide ihren Sitz in Köpenick hatten. Die Radioindustrie befand sich damals noch in den Kinderschuhen und war eine Sache leidenschaftlicher und stets experimentierfreudiger Pioniere. Das galt auch für die Hörer, die sich seinerzeit noch mit Kopfhören ausgerüstet um ein Detektor versammelten und gleichsam im Äther miteinander verbunden waren. 

Begleitet durch einschlägige Zeitschriften fand die Radiotechnik in der Folgezeit als Heimwerker-Hobby Zulauf aus allen Schichten der Bevölkerung. Fast könnte man sagen, es wurde mehr gebastelt als gekauft, was zweifellos neben der Experimentier- und Entdeckerfreude der Enthusiasten auch damit zusammenhing, dass der Kaufpreis der frühen Empfänger in der Regel das Monatseinkommen eines Durchschnittsverdieners weit überstieg. Aber wie auch immer - mit jener Aufbruchstimmung der Bastler kam der Impuls zum Ausdruck, selbst ein Stück des neu gewonnen Äther-Raums zu erobern, bisherige Grenzen zu überschreiten und einfach dabei zu sein. 

Ende der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts war ein Drittel des Reichsgebiets mit sicherem Rundfunkempfang versorgt und trotz Wirtschaftskrise und politischer Wirren entwickelten sich Empfangsstärke, Trennschärfe und Klang der Radios immer weiter, die Geräte wurden durchgehend billiger, verloren ihr nüchtern-technisches Aussehen und beanspruchten als Einrichtungsgegenstand zunehmend ihren Platz in der guten Stube. Mit dem Machtantritt der Nazis schlug die Geburtsstunde des Volksempfängers - des Massenbeeinflussungsinstruments Nummer 1, wie es Goebbels ausdrückte. Der Gerätepreis lag mit 76 RM erstmals unter der 100 Mark Grenze - das entsprach etwa ein Viertel eines Arbeitermonatslohns. Spätestens mit dem Nachfolgetyp, der so genannten „Goebbelsschnauze“ im schwarzen Bakelitgehäuse hielt der Rundfunk und damit die Parolen der neuen Machthaber flächendeckend Einzug in Wohnzimmer, Fabriken und Versammlungssäle. 

Mit der Goebbelsschnauze war auch einer der gefährlichsten politischen Witze der damaligen Zeit verbunden. Ein Kunde bringt seinen Volksempfänger zurück. „Den möchte ich umtauschen“. Verkäufer: „Warum denn? Ist er kaputt ?“ Kunde: „Ja. Der lügt immer.“ Seit Kriegsbeginn 1939 war der Empfang ausländischer Sender unter Strafandrohung verboten. Aber während die Programm-Macher, Volkserzieher und Demagogen die Radio-Hörer als zu lenkende und zu formende Massen im Auge hatten, arbeiteten die Entwicklungsingenieure und Konstrukteure der großen Radiofabriken an der Verbesserung ihrer Erzeugnisse. Die Geräte wurden kleiner, klangvoller und glichen im Aussehen dem Stil modernen Wohnens. Noch bis Ende der dreißiger Jahre konnte die Empfangstechnik für Lang-, Mittel- und Kurzwellenempfänger perfektioniert werden. Mit Preisen bis zu 1.000 RM pro Stück waren die Geräte allerdings für die breite Masse kaum erschwinglich.

Nach Ende des Krieges 1945 brach die gesamte Radioproduktion endgültig zusammen. Zum einen verboten die Besatzungsmächte die Herstellung von Empfängern und zogen vorhandene Geräte ein, zum anderen mussten noch intakte Fabrikationsstätten ins Ausland gegeben werden. Wieder waren es damals vor allem Bastler, die manch altem Radio neues Leben schenkten und solange probierten, bis die Geräte wieder spielten. Ein Radio war trotz Hunger und Kälte eben immer gefragt und Improvisation war damals nicht nur auf diesem Gebiet lebenswichtig. Anfang 1946 begannen einige Hersteller wieder in Serie zu produzieren. Die Einzelteile stammten größtenteils aus alten Wehrmachtsbeständen und zerlegten Militärgeräten. Erst mit Beginn der fünfziger Jahre erreichte die Radioindustrie wieder den technischen Entwicklungsstand der Enddreißiger, wenn gleich auch meist mit Neuauflagen von Geräten aus 1939.

Mit dem Aufkommen des Transistors im Jahre 1958 erlosch der Stern über dem damals schon geteilten deutschem Rundfunkhimmel langsam aber sicher. Südostasiatische Hersteller eroberten mit ihren Produkten zuerst den Westen Deutschlands, während sich im Osten einige Firmen bis zur Wende halten konnten. Das Radio mit dem magischen Auge verschwand jetzt im Keller oder auf dem Dachboden und wurde nicht selten durch transportable Batteriegeräte ersetzt. Jene Geräte - ich sollte besser sagen Kofferheulen - waren jetzt nicht mehr nur Musiklieferant und Meinungsbildner. Jetzt wurden sie zum Attribut jugendlicher Freiheit, verbunden mit dem unschätzbarem Vorteil, sich im Bezug auf Senderwahl und Hörerlautstärke auch räumlich deutlich von seinen Eltern absetzen und unterscheiden zu können. 

Als das Radio reden lernte, war es vor allem die Wirkung der Stimme, die im Gedächtnis blieb. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Damals wie heute lebte die Begeisterung für das Radio zu einem guten Teil von der Stimme eines unsichtbaren Ichs, das scheinbar körperlos in die Welt ausstrahlt und von dem wir in der Regel nicht einmal wissen, wie es aussieht. Erinnern Sie sich noch an Karl-Heinz (Kalle) Neumann, Ingeborg Chrobok vom Berliner Rundfunk, Eva-Maria Täubert vom Kinderradio DDR, an Fred Ignor, Jürgen Graf, Heinz Petruo vom RIAS? Ganze Kindergenerationen waren Sonntagfrüh beim RIAS Gast bei Onkel Tobias, sind mit dem morgendlichen Trubel bei Familie Findig („Was ist denn heut bei Findigs los?“) wach geworden und den Butzemannhaus-Geschichten mit Bauer Lindemann, dem Pfennig, und Käptn’ Brise in den Tag gegangen. 

RIAS-Hörspiele wie „Es geschah in Berlin“ oder „Geschichten aus dem alten Berlin“, Musiksendungen wie die „Schlagerrevue“ mit Heinz Quermann oder Lord Knuts „Schlager der Woche“ erreichten Kultstatus. Der Berliner (Ost) bummelte mit Karin Rohn durch den Tierpark, der Berliner (West) bummelte mit Kurt Pomplun durch Berlin. Sie alle waren es, die dem Radio Leben einhauchten und aus einem Stück lebloser Technik einen Teil unseres Lebens machten. Getrennte Vergangenheit - gemeinsame Geschichte. Diesen Stimmen, von denen ich hier nur einige wenige ausgewählt habe, wohnt bis heute ein magischen Zauber inne und im Rückblick auf jene Sternsstunden des Radiohörens rundet sich der Bogen zwischen den Generationen.“ 

Bild ganz oben: Claus-Dieter Sprink mit einem seiner Modelle.

Stefan Förster
Fotos: © Stefan Förster

Aus RADIOJournal 2/2005