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Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

»So lange wie das Schiff weiter fahren kann...«
Radio Syd hat viele Probleme

Die Hörfunkstation Radio Syd findet man heute an der Landstraße, welche nach Banjul, die Hauptstadt von Gambia, führt. Die Geschichte des Senders beginnt jedoch nicht in Westafrika, sondern - zeitlich viel früher - in den internationalen Gewässern im Öresund zwischen Schweden und Dänemark. 

Ein kurzer Rückblick in die Radio-Historie kann manches erklären: In Europa wurden in vielen Ländern frühzeitig Rundfunkmonopole eingerichtet. Um diese zu umgehen und kommerzielle Sendungen nach England richten zu können, wurde in den 30er Jahren die Gesellschaft „IBC” gegründet. Sie sendete hauptsächlich über französische Stationen; ihr bekanntester Sender war „Radio Normandie”. Auch Radio Luxemburg wurde seinerzeit zu demselben Zweck eingerichtet.

Wenn es kein günstig gelegenes Land in der Nähe eines Zielgebietes gibt, können Radioleute von einem Schiff, das in internationalen Gewässern vor Anker liegt, auf Sendung gehen. So lagen während der Prohibitionszeit - im Zeitraum von 1920 bis 1933 waren alkoholische Getränke in den USA verboten - vor der Küste Kaliforniens mehrere Schiffe, die als schwimmende Kasinos dienten. Von einem davon, der in Panama registrierten „SS City of Panama”, strahlte die Radiostation „RKXR”, ebenfalls in Panama lizenziert, ihre Programme aus. Im Laufe der Zeit traten Schwierigkeiten auf, weil man mit einer höheren Leistung arbeitete, als erlaubt war. Es wurden kommerzielle Sendungen in den Äther geschickt, die den Empfang US-amerikanischer Hörfunkstationen störten. Lizenz und Schiffsregistrierung wurden schließlich widerrufen. Da „RKXR” trotzdem weiter funkte, enterten die amerikanischen Behörden das Schiff einige Wochen später in internationalen Gewässern. Dieser Eingriff war legal, da ein staatenloses Schiff von allen Nationen aufgebracht werden darf. 

Schon zu diesem Zeitpunkt konnte man die harte Linie der US-Lizenzierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) gegenüber den Seesenderabenteurern spüren. Doch die Vereinigten Staaten selbst sollten später zu Betreibern von Radioschiffen werden: Im November wurden von der „USS Texas” Programme auf der Mittelwellenfrequenz 601 kHz nach Nordafrika ausgestrahlt, und 1945 liefen Sendungen der Voice of America auf Mittel- und Kurzwelle von der „USS Phoenix” im chinesischen Meer. Das bedeutendste Sendeschiff war jedoch die „Doddridge”, die zuerst in „Coastal Messenger” und später in „Courier” umbenannt wurde. Vor der Küste der griechischen Insel Rhodos gelegen, sendete die Voice of America mit einer Leistung von 150 Kilowatt auf Mittelwelle 1259 kHz. Hierfür hatte man eine Antenne, die von einem mit Helium gefüllten Ballon hochgehalten wurde - eine Problemlösung, wie sie in den 80er Jahren beim Seesender „Laser 730” wieder auftauchte. Auf der „Courier” wurden auch zwei 35 Kilowatt starke Kurzwellensender betrieben. Die Sendungen liefen von 1952 bis 1964, ehe eine neue Anlage auf der Insel diese Aufgabe übernahm. 

Auf der „Courier” wurde die Idee für ein kommerzielles Radio aus internationalen Gewässern geboren. Techniker von diesem Schiff waren es auch, die später der Station „Radio Nord” mit technischen Lösungen unter die Arme griffen.

Radio Mercur: Der Pionier in Europa

Der erste kommerzielle Sender von einem Schiff „in moderner Zeit” war der dänische Sender Radio Mercur, der am 17. Juli 1958 on air ging. Die dazugehörige Firma wurde von Ib Fogh gegründet. Die Merkur-Sendungen kamen von der 107 Tonnen kleinen „Cheeta”, die in Panama registriert war. Zielgebiet war die Stadt Kopenhagen; die Programme wurden im Kopenhagener Vorort Gentofte aufgezeichnet. Der selbstgebastelte UKW-Sender leistete 1,5 Kilowatt und das Signal wurde über eine Yagiantenne an der Spitze eines Mastes abgestrahlt. Diese Lösung ergab einen Antennengewinn, gleichzeitig aber auch eine Richtwirkung. Diese wurde kompensiert durch einen Rotor, welcher die Antenne nach Kopenhagen ausrichtete, sobald sich das Schiff bewegte. 

Nachdem die Regierung von Panama unter Druck gesetzt worden war, wurde die Registrierung des Schiffes schon am 25. August desselben Jahres wieder rückgängig gemacht. Danach behauptete Radio Mercur, das Schiff in Honduras eingetragen zu haben. Ein Mitarbeiter erwähnte den Namen „San Pedrito”. 

Radio Mercur war seinerzeit nicht den ganzen Tag über auf Sendung, weshalb Nils Eric Svensson aus Landskrona in der schwedischen Provinz Schonen sich wegen Sendezeit für die Einführung schwedischsprachiger Programme mit der Leitung in Verbindung setzte. Dieses Vorhaben gelang, und Svensson startete am 1. September 1958 Skånes Radio Mercur. Es ist interessant anzumerken, dass die Sendungen auf UKW ausgestrahlt wurden und viele Hörer erst einen neuen Empfänger kaufen mussten!

Am 8. März 1961 startete Radio Nord vor der Küste von Stockholm. Dieser Sender arbeitete auf der Mittelwellenfrequenz 602 kHz (die ersten Wochen auf 606 kHz) und hatte eine große Reichweite. Die Programme wurden von Profis gemacht, und Radio Nord war die erste Station in Europa, die Jingels verwendete. Der Grund: Radio Nord besaß enge Verbindungen zu KLIF in Dallas, genau wie einige Jahre später Radio London. Radio Nord erwarb das Schiff „Olga” (Baujahr 1921) und ließ es in Hamburg umbauen. Die letzten und entscheidenden Installationen für das Sendeschiff wurden in Kopenhagen durchgeführt. Mit dem neuen Namen „Bon Jour” wurde es unter der Fahne von Nicaragua registriert. Die dortigen Behörden boten sogar eine offizielle Sendelizenz an, doch die Stationsleitung empfand dies als überflüssig und lehnte ab. Dies war natürlich ein Irrtum, weil nur eine Lizenz einen wasserdichten (!) Schutz darstellen kann. 

An dieser Stelle soll kurz der Aspekt „Legalität der Seesender” diskutiert werden: Eine Regierung kann nur auf ihrem eigenen Staatsgebiet legal Macht ausüben. Dieses Gebiet sind grundsätzlich das Land und die eigenen Gewässer bis normalerweise drei Seemeilen vor der Küste. Diese Grenze von drei Seemeilen stammt aus dem 17. Jahrhundert, da dies seinerzeit die Reichweite von Schiffskanonen war. Es gibt aber einige Ausnahmen. So haben die Nationen auch ein Recht auf den Seeboden - heute wichtig für die Ölförderung, in Zukunft für Mineralien. Künstliche Inseln in internationalen Gewässern sind deshalb nicht außerhalb des Rechtsbereichs des Anliegerstaates. Dies musste die Station TV Noordzee auf dem REM-Eiland erfahren. Eigentlich war die Situation identisch mit der vor der Britischen Küste mit mehreren Sendern auf sea forts (Gun Towers) aus dem Zweiten Weltkrieg (dabei handelte es sich um auf Pfählen errichtete Schießstände und Beobachtungstürme). Diese waren sogar staatliches Eigentum! Die Engländer gingen einen anderen Weg, da die Landesgrenze bei Tiefwasser geändert wurde und die forts damit in britischen Gewässern standen. Ein registriertes Schiff in internationalen Gewässern folgt den Gesetzen des Heimathafens. Als nichtlizenzierter Sender verstößt es nur gegen das Gesetz dieses Staates und nicht gegen die Gesetze im Zielgebiet. Nur Behörden aus dem „Fahnenstaat” können normalerweise eingreifen. Behörden aus dem Zielgebiet nur nach dessen Zustimmung, was sehr selten geschieht. Ein fremdes, nicht registriertes Schiff, kann von allen Staaten durchsucht werden. Die Gesetze, die später in europäischen Ländern eingeführt wurden, greifen nicht die Sender direkt an. Sie treffen die Mitarbeiter, Werbekunden und Befürworter im eigenen Land, und sie gelten nur bei nichtlizenzierten Radiostationen. Radio Caroline hat seit 1990 ohne Erfolg eine Lizenz für das eigene Sendeschiff beantragt.

Nur drei Monate nach dem Sendestart musste Radio Nord die Nationalität für das Schiff wechseln. Es wurde nun zur „Magda Maria” aus Panama. Dieser neue Name wurde niemals in den Sendungen erwähnt. 

Radio Syd macht weiter

Nils Eric Svensson sah die drohenden Schwierigkeiten bei Skånes Radio Mercur auf sich zukommen. Er wollte aber nur Radio machen und nicht gegen die Behörden kämpfen. Deshalb verkaufte er seine Firma an die Werbemanagerin Britt Wadner. Sie wurde 1915 geboren, war dreimal verheiratet und hatte drei Kinder. Britt wollte die Radiostation trotz ständiger Probleme weiter betreiben und tat dies mit großer Energie und Einfallsreichtum. Ihre beiden Kinder K.G. Alfe und Connie moderierten schon als Teenager beim Sender. In der Zwischenzeit war viel passiert beim dänischen Radio Mercur. Ein größeres Schiff wurde gekauft und als „Cheeta 2” (Bild) bekannt. Es sollte aber lange dauern, bevor es wirklich diesen Namen trug. Dabei handelte es sich um die norwegische Fähre Mosken, gebaut 1924 in Brevik von der Schiffswerft Trosvik Mekaniske Verksted. Die Antriebsmaschine schaffte eine Spitzengeschwindigkeit von 10 Knoten. Das Anrufsignal des Schiffes war LEMF. Der Pott von 410 Tonnen brutto dwt hatte eine Länge von 47 Metern, eine Breite von 7,60 Metern und einen Tiefgang von vier Metern. Er wurde als Stormdecker für die norwegische Reederei „Vesteraalens Dampsselskap” in Stokmarknes gebaut. Es ist wahrscheinlich, dass Mosken bis 1961 zwischen den Lofoten und Vesteraalen verkehrte.

Auch andere Schiffe der Seesendergeschichte stammen aus Norwegen: „Mebo”, die erst für Radio Nordsee International umgebaut wurde, und „Communicator” von Laser 558 und später Q Radio. „Cheeta 2” besaß zwei UKW-Sender, um damit gleichzeitig dänische und schwedische Sendungen ausstrahlen zu können. Radio Mercur war 1961 in der Lage, die ersten Stereosendungen in Skandinavien anzubieten. Diese Sendungen wurden vom dänischen HiFi-Produzenten Bang & Olufsen gesponsert. Es handelte sich um Duplexsendungen mit einem Kanal über jeden Sender. Die Hörer mussten dafür zwei Empfänger haben. Auf Senderseite gab es aber keine Kombinationsantenne, weshalb das Schiff zwei Sendemasten trug. Darüber hinaus hatte Radio Nord ein Fernsehprogramm geplant, aber der Abstand vom Ankerplatz bei Ütö nahe Nynäshamm südlich von Stockholm war vom Zielgebiet - der schwedischen Hauptstadt Stockholm - zu weit entfernt.

Aus diesem Grund vereinbarten Radio Nord und das dänische Radio Mercur eine Zusammenarbeit. Sie wollten eine TV-Station von der „Cheeta 2” starten, weil die Reichweite sowohl nach Malmö (der drittgrößten Stadt Schwedens) als auch nach Kopenhagen sehr kurz war. Eine besondere amerikanische Fernsehantenne, welche Schwankungen des Schiffes ausglich, wurde an Deck montiert. Die ursprüngliche Cheeta fuhr nach Kristiansand in Norwegen, um einen neuen Sendemast und eine Kabine zu installieren. Nach kurzer Zeit begann Radio Mercur Programme von der „Cheeta” nach Kopenhagen auszustrahlen sowie von der „Cheeta 2” mit zwei Richtantennen nach Odense und Århus. Der Ankerplatz des Schiffes befand sich auf dem Elefantengrund im Belt.

Einige Mitarbeiter waren nicht zufrieden mit den Programmen und starteten deshalb 1961 einen neuen Sender. Er nannte sich „Danmarks Commercielle Radio” (DCR) und sendete vom Schiff „Lucky Star” mit Zielrichtung Kopenhagen. Nach kurzer Zeit jedoch wurde DCR stillgelegt. Die „Lucky Star” übernahm die Aufgabe der „Cheeta”, die im Hafen von Kopenhagen auf bessere Zeiten gewartet hatte. Britt Wadner (Bild) nutzte diesen Umstand und erwarb im Frühjahr 1962 die „Cheeta”. Ihr Büro verlegte sie in die Stadtmitte von Malmö; der Radiostation gab sie den neuen Namen „Radio Syd”. 

Dies geschah in einer sehr unsicheren Zeit, in der die nordischen Länder sich unter dem Druck der schwedischen Regierung geeinigt hatten, am 1. August 1962 Gesetze gegen die Seesender in Kraft zu setzen. Auch viele andere Länder Europas wurden von Schweden unter Druck gesetzt und unterzeichneten dann den Straßburger Vertrag von 1965, mit dem Sendungen von internationalen Gewässern und von Flugzeugen unterbunden werden sollten. In den 80er Jahren wollten schwedische Sozialdemokraten sogar Satellitenantennen verbieten, um das Rundfunkmonopol zu schützen!

[• Trotz dieses gültigen Vertrages wurde Anfang der 90er Jahre die Station Radio Brod, die in der Adria vor Anker lag und Sendungen in die Kriegsgebiete Ex-Jugoslawiens ausstrahlte, von der UNESCO und der EU unterstützt. Der französische Staat stellte sogar den Sender und das Schiff zur Verfügung. Während des Kosovo-Konflikts im Frühjahr und Sommer 1999 strahlten die US-Amerikaner Sendungen nach Jugoslawien über Flugzeuge, welche in Ungarn stationiert waren, aus - auf Mittelwelle, UKW und im Fernsehbereich, und alles ohne eine ungarische Sendelizenz. Darüber hinaus mutet es merkwürdig an, dass Sendungen von internationalen Gewässern unterdrückt werden, während gleichzeitig  Sendungen aus „internationalem Vakuum” (Satellitenfunk) erlaubt sind.]

Radio Syd strahlte seine Programme über einen selbstgebastelten Sender mit fünf Kilowatt Leistung zwischen sechs Uhr morgens und zwei Uhr nachts aus. Die Programminhalte von Syd unterschieden sich von denen anderer Sender. Die meiste Zeit lief nonstop Musik ohne Ansagen, lediglich unterbrochen von Werbung und von sehr wenigen Jingles. Zu bestimmten Zeiten wurden auch einige vorproduzierte Programme ohne Werbung ausgestrahlt. Die Kennung von Radio Syd war das Seemannslied „Så länge skutan kan gå” („So lange wie das Schiff weiterfahren kann”), das von Evert Taube geschrieben und von Gustaf Torrestad gesungen wurde. 

Das Gesetz von 1962 sollte den Betrieb unmöglich machen, hatten die Politiker gedacht. Der geplante englische Sender Radio Atlanta sollte sich mit Radio Nord in Verbindung setzen. Sie wollten das Schiff kaufen und Radio Nord beendete dafür seine Sendungen einen Monat früher. Radio Mercur stellte die Sendungen von „Cheeta 2” ein und zog sich nach Flensburg zurück. Die Sendungen von der Lucky Star wurden offiziell um Mitternacht beendet. Nur Radio Syd funkte weiter. Als nichts passierte in den folgenden Tagen, wurden von der Lucky Star aus alte Programmbänder abgespielt. Die Leitung von Radio Mercur behauptete, sie habe mit dem „neuen” Sender nichts zu tun. Nach einigen Tagen enterten die dänischen Behörden das Schiff und ließen es in den Hafen abschleppen. DCR behauptete, das Schiff sei in Libanon registriert und Radio Mercur hatte dieselbe Fahne am Heck. Es war eine Fälschung, das Schiff war staatenlos. Die Aktion war deshalb völlig legal. Keine Person meldete sich als Inhaber nach der Beschlagnahme des Schiffes. Sie hatte aber Auswirkungen auf Radio Atlanta, wo man Radio Nord die Zusammenarbeit aufkündigte.

Magda Maria ging eine Zeit lang nahe Veronica vor der holländischen Küste vor Anker. Später kam das Schiff nach Galveston in Texas zu den Investoren. Dort wurde der Sendemast abmontiert. 1964 kam der Handel mit Radio Atlanta zustande und es begannen Sendungen von der Nordsee, nachdem in Irland ein neuer Sendemast aufgebaut worden war. Das Schiff hieß jetzt „Mi Amigo” und war in Panama registriert. Im Sommer 1964 wurde Radio Atlanta in Radio Caroline South umbenannt. Radio Mercur tauchte Mitte der 80er Jahre als Lokalsender in Kopenhagen wieder auf. Alle Mitarbeiter, die beim dänischen Rundfunk weiter gearbeitet haben, sind inzwischen verstorben.

Auf Öresund gab es 1963 einen kalten Winter. Die „Cheeta” hatte große Schwierigkeiten mit dem Packeis. Glücklicherweise gab es im schwedischen Gesetz von 1962 eine Ausnahmeregelung für Nothafen. Das Sendeschiff konnte deshalb nach Limhamn bei Malmö fahren und dort den Winter über ausharren. In den kommenden Jahren gab es mehrere Gerichtsverfahren gegen Werbekunden, die allesamt eine Strafe zu zahlen hatten. Dennoch buchten sie weiterhin Werbezeit bei der Station. 

Auch Britt Wadner wurde angeklagt. Sie behauptete, dass Radio Syd mit dem Betrieb auf UKW keinen anderen Sender gestört habe und deshalb nicht unter das Gesetz von 1962 fallen würde. Einer der geschicktesten Rechtsanwälte Schwedens verteidigte die Angeklagte. In dem ersten Prozessen wurde sie zu einer Geldstrafe verurteilt, später zu einem Monat Gefängnis. Britt Wadner wurde die „beliebteste Verbrecherin” Schwedens genannt. Bei der Zugreise ins Frauengefängnis Hinseberg erhielt sie Blumensträuße von einer großen Menschenmenge, die ihr zum Bahnhof gefolgt war. Zehntausend Hörer demonstrierten in Malmö für das Fortbestehen des Senders. Die Einwohner der Provinz Schonen unterstützten den Sender. Tausende wurden Mitglieder vom Club Radio Syd. Die Zollbeamten im Hafen von Malmö wollten immer dann eine Kaffeepause nehmen, wenn die Mitarbeiter von Radio Syd Bedarfsartikel in ihr Schnellboot luden und zum Sendeschiff fuhren! 

Die Behörden empfanden das Gesetz von 1962 als zu schwach und wollten die Situation „ausbessern”. Der schwedische UKW-Sender von Helsingborg wechselte die Frequenz, sodass nun gegenseitige Störungen verursacht wurden und man Radio Syd vorwerfen konnte, gegen das Gesetz zu verstoßen. Diese Falle schnappte jedoch nicht zu, weil auch Radio Syd die Frequenz änderte. Es ist interessant, dass die schwedischen Behörden gerne auf internationale Verträge verwiesen, ihnen selbst aber nicht Folge leisteten. Schweden war eines der Länder, die den Kopenhagener Wellenplan für Mittel- und Langwellensender nicht unterzeichneten, weil sie die Frequenzen in eigener Regie zuteilen wollten. Schweden betrieb auch Auslandssendungen auf Mittelwelle, was der Kopenhagener Plan eigentlich nicht erlaubt. Olof Palme, der frühere Ministerpräsident, war ein fanatischer Gegner des freien Radio. 

Bei Radio Syd arbeitete damals Lennart Christiansson, bekannt als „Chrichan”. Er war ein Zirkusartist, Rocksänger, Moderator, Techniker und hat auch einige Platten herausgebracht. Eine davon ist „Viva Britt Wadner” mit der B-Seite „Moss lilla Olof”. Radio Syd unterhielt gute Verbindungen zu Künstlern. Syd durfte seinerzeit als einzige Station ein Interview mit den Beatles in deren Hotelzimmer in Kopenhagen führen. Die Rolling Stones wohnten eine Woche lang in Britt Wadners Privathaus in Lund und haben dort ihr Schwimmbassin repariert! Daneben besuchten die Stones das Sendeschiff.

Später sorgte die Natur erneut für Schwierigkeiten beim Sender: Das im Jahre 1900 gebaute Schiff strandete Ende 1964 in der Lundåkrabucht nördlich von Malmö. Es wurde provisorisch repariert und zur Werft Kockums in Malmö geschleppt. Hier ist es am Kai gesunken, wurde ausgepumpt und zur Verschrottung nach Ystad geschleppt. Britt Wadner kaufte die „Cheeta 2” und konnte deshalb die Sendungen fortsetzen. Auf diesem Schiff gab es einen fünf Kilowatt starken UKW-Sender von Siemens. Trotz immer größerer Schwierigkeiten wurde es auch für TV-Sendungen ausgerüstet. Der Techniker Bertil Persson baute einen 500 Watt starken UHF-Sender, der auf Kanal 41 arbeiten sollte. Zu dieser Zeit gab es keine UHF-Sender in Skandinavien! Noch einmal musste das Publikum neue Empfänger und neue Antennen kaufen! Es hat nur zwei andere Fernsehsender gegeben, die ihren Betrieb in internationalen Gewässern aufnahmen: TV Noordzee sendete drei Monate vor der niederländischen Küste von der künstlichen REM-Insel (konstruiert wie eine Ölplattform), und vor der israelischen Küste ging 1981 TV Odelia vom Schiff Odelia auf Sendung. Dann gab es Videorecorder, welche den Programmablauf einfach machten. Ein Fernsehstudio wurde im Lastraum gebaut. Außerdem begann die Organisation ein größeres Fernsehstudio in einer ehemaligen Kunststoff-Fabrik beim Hafen in Lomma, nördlich von Malmö, einzurichten. Im Dezember 1965 konnten die TV-Sendungen beginnen. Sie sollten nur sechs Wochen dauern. Es gab noch einen sehr kalten Winter mit schwieriger Eissituation, sodass das Sendeschiff auch nicht in einen Nothafen fahren konnte. Die Fähren zwischen Malmö und Kopenhagen stellten ihren Betrieb ein. Die letzte Fähre hat Bedarfsartikel für Radio Syd auf’s Eis geworfen, die vom Personal abgeholt wurden. Am 16. Januar 1966 wurde der Anker hochgezogen und das Sendeschiff fuhr an die Bucht Skälderviken nördlich von Öresund. Hier wurden die Sendemasten abmontiert, da man den Plan hegte, bei Radio Veronica vor der niederländischen Küste zu ankern und dort den Winter abzuwarten. Die Antennen hätten die Fahrt nicht überstanden, wenn sie noch montiert gewesen wären.

[• Skånes Radio Mercur sendete auf 89,55 MHz von einem 30 Meter hohen Mast. Heute ist auf 89,5 MHz Radio Malmöhus von einem 300 Meter hohen Mast lizenziert. Radio Syd hat ursprünglich 88,3 MHz benutzt; die später von Sendern in Helsingborg und Åstorp gebraucht wurden. Der später verwendete Kanal 91,5 MHz ist auffallend nahe an 91,6, die Kristianstad zugeteilt wurde. Der Fernsehkanal 41 ist heute auf TV4 in Helsingborg zugelassen mit einer Strahlungsleistung von zehn Kilowatt. So ist es überall in Europa: Die Seesender haben „gestört”, aber dieselbe Frequenz wurde später von lizenzierten Hörfunkstationen benutzt - ohne Störungen zu verursachen.]

Syd wird South

Radio Nord und Radio Syd waren zwei getrennte Organisationen, die nicht zusammengearbeitet haben. Trotzdem hat die Geschichte die beiden Sender zeitweise verbunden. Während eines schweren Sturms strandete das Sendeschiff Mi Amigo am 20. Januar 1966 bei Frinton. Als Radio Syd für einen Moment nicht nach Schonen senden konnte, hat Britt Wadner ihr Schiff zur Verfügung gestellt als Ersatz für Radio Caroline South. Mi Amigo wurde nach Holland geschleppt und bekam einen neuen Kiel sowie einen Mittelwellensender mit 50 Kilowatt Leistung. Einer der beiden 10-Kilowatt-Sender wurde ausgebaut und im Fernsehstudio der „Cheeta 2” montiert. Eine provisorische T-Antenne wurde gebaut und am 12. Februar ging die erste Testsendung on air. Die Programmausstrahlung dauerte bis zum 1. Mai, als die Mi Amigo den Betrieb fortsetzen konnte. In der Zwischenzeit führte Olof Palme neue Gesetzte ein, damit Radio Syd nicht weiterfunken konnte. Alles Eigentum, was dem Sender gehörte, konnte der Staat nun beschlagnahmen. Es sollte auch ein ausländischer Strohmann nötig werden, der als Inhaber auftreten konnte, um eine Chance gegen die Behörden zu haben. Kurz vor der Abreise sollte ein Urteil Britt Wadner für drei Monate hinter schwedische Gardinen bringen. Es wurde jedoch nicht in Kraft gesetzt, nachdem die Sendungen im Öresund aufgehört hatten. Danach folgte eine Zeit in Großbritannien, wo Pläne von Radio London, Radio City und Radio 390 auftauchten, die das Schiff als Schwesterstation für den Norden Englands betreiben wollten. Dazu kam es nicht, aber es gab mehrere Probleme und Streitigkeiten über das Schiff. Ein sechs Tonnen schwerer Raytheon-Sender, der fünf Kilowatt auf der Mittelwelle leistete, wurde von Amerikanern gekauft und nach Holland geflogen. Er wurde jedoch beschädigt und nach Schweden weitergeleitet. 

Nach Gambia

Im November 1967 fuhr „Cheeta 2” nach Vlissingen in die Niederlande, wo Reparaturen durchgeführt wurden. Danach ging es weiter zu den Kanarischen Inseln, wo die frühere Fähre zu einem Restaurant am Kai in Las Palmas umgebaut wurde. Hier traf Britt Wadner den Kapitän Bertil Harding. Er erzählte ihr von Gambia, wohin es Gesellschaftsreisen gab, wo allerdings kein Musiksender aktiv war. Radio Gambia sendete nur vier Stunden am Tag über Kurzwelle. Britt Wadner nahm Kontakt mit der Regierung auf und erhielt von Staatspräsident Kairaba Jawara eine Hörfunklizenz. Die Programmausstrahlung begann am 7. Mai 1970. Die Behörden in Gambia waren ein bißchen verwirrt, weil auf dem „schwedischen” Schiff die Fahne von Honduras wehte. „Cheeta 2” wurde auch hier zum Restaurant. Im Fernsehstudio gab es eine Diskothek. 1972 wurde das Schiff an einen Mann aus dem Senegal verkauft. In einem Sturm schlug es los und strandete auf einer Sandbank bei Bund Road. Dort liegt es immer noch zusammen mit anderen Wracks. Bei Tiefwasser kann man den von Muscheln überwucherten Schiffskörper sehen. 

Radio Syd hat das Haus von Frau Alice Carr am Ufer gemietet. Die Sendungen wurden auf Mittelwelle 908 kHz ausgestrahlt, mit dem Raytheon-Sender, den man dafür nach Gambia verschiffte. Er wurde von Bertil Persson installiert, zusammen mit einem 82 Meter hohen Sendemast. 1971 hat Britt Wadner auch das Wadner Beach Hotel gestartet. Es befindet sich etwa ein Kilometer vom Funkhaus entfernt. 1974 wurde die Radiostation an Tochter Connie und ihren Verlobten Benny Holgersson verkauft, als das Hotel die Zeit von Britt voll beanspruchte. Später war der Sendemast abgerostet und es wurden von den brauchbaren Resten 30 Meter neu aufgebaut. Es war Connies Bruder Calle (K-G Alfe, der nun bei Radio Malmöhus arbeitete) und diese Reparatur durchführte. Er hat auch einen kleineren Sender nach Gambia gebracht. Dieser wurde bei der schwedischen Sendeanlage Hörby gebaut und diente dort als Reserve. Calle baute den Sender dort ab und in Gambia wieder auf. Bei Radio Syd leistete er 2,5 Kilowatt. Die Röhren für die Endstufe sind noch erhältlich und sehr teuer geworden. Bei der Einfuhr verzollte man den Sender als Mikrowellenherd für Britts Hotel Wadner Beach.

1977 wurde neben das alte ein neues Funkhaus gebaut. Im Garten gab es einen Tennisplatz und auch einen Sandstrand. Anfang 1978 wurden die Sendungen aus dem heutigen Funkhaus fortgesetzt. Der jetzige Mast mit eine Höhe von 59,5 Metern wurde 1987 installiert. Er steht auf einem isolierten Fuß und ist gegen Rost geschützt. Er wurde von einem Transportunternehmen aus Stävie bei Lund, das in Konkurs gegangen ist, aufgekauft. Als die englischen Kolonialherren Gambia im Jahre 1965 verließen, gab es einen guten Schutz durch Sand am Ufer, der jedoch wie an anderen Stränden abtransportiert wurde. Erosion ist nun ein großes Problem bei Radio Syd, fast der ganze Garten ist weggespühlt. Den Sandstrand gibt es nicht mehr, auch nicht den Tennisplatz. Nun sind sogar die Streben des Sendemastes bedroht. Connie hat eine Million Dalasi (etwa DM 200.000) ausgegeben, um den Garten zu schützen. Auch die Hotels haben Probleme mit der Erosion. 

Radio Syd hat auch einen Reservesender. Es ist ein 100 Watt starker Marconi-Schiffssender, der für den Mittelwellenbetrieb umgebaut wurde. Er stammt ursprünglich von Radio Gambia. Im November 1978 wurde die Frequenz in 909 kHz geändert, gemäß dem Genfer Wellenplan. In den 80er Jahren verschlechterte sich die Gesundheit von Britt Wadner. Sie verkaufte ihr Hotel an Basiru Jawara, der ein Vermögen als Diamantenhändler in Sierra Leone gemacht hatte. Er nannte das Hotel in Laguna Beach um. Britt Wadner fing an ihre Memoiren zu schreiben. Dieses Buch konnte sie leider vor ihrem Tod im Jahre 1987 nicht vollenden. Vor einigen Jahren hat der Techniker ein Buch veröffentlicht, dessen Inhalt sich teilweise um Radio Syd dreht. Auch ein Enkel von Britt Wadner arbeitete an ihrer Geschichte. Fredric Karén hat das Buch im Herbst 1999 fertiggestellt (siehe RADIO JOURNAL 11/99). Connies Bruder K-G Alfe starb 1994 mit 54 Jahren an Lungenkrebs. Connie hat noch ein Haus in der Nähe von Lund und kommt ab und zu nach Schweden zurück. 

Zehn Angestellte

Heute [2000] arbeiten beim Radiosender zehn Personen, einschließlich dem Gärtner und der Putzfrau. Connie hat sich über einige Internetseiten geärgert, die teilweise falsche Angaben über Radio Syd enthalten. Der Sender hat heute drei Studios, die mit Plattenspieler, CD-Player und Cartmaschinen ausgerüstet sind. Der Werbeverkauf geht nicht mehr so gut wegen der immer größeren Konkurrenz. Ein Problem sind die neuen UKW-Sender. Besonders ärgerlich ist die Sur FM-Kette in Senegal. Radio Syd hat viele Hörer in Senegal gehabt, als der MW-Sender vom südlichen Mauretanien bis Guinea-Bissau hörbar war. Nun hat Radio Syd Probleme mit einem Füllsender des staatlichen GRTS in Basse auf derselben Frequenz Sur FM hat offensichtlich von der Beliebtheit von Radio Syd profitiert. Solange sie nur in Senegal gesendet haben, gab es keine Möglichkeiten für Connie, etwas dagegen zu tun. Nun gibt es aber auch einen Sur FM-Sender in Banjul, der teilweise eigene Programme und teilweise Übernahmen aus dem Senegal ausstrahlt. Connie hat Beschwere gegen diesen Sender eingetragen. Sie hat auch Beschwerde gegen GRTS und den zuständigen Minister eingetragen wegen des Gebrauchs von der Welle von Radio Syd. Ein Argument dabei ist, dass sie eine jährliche Gebühr von 28.000 Dalasi bezahlen muss.

Immer noch sendet Radio Syd zwischen sechs Uhr morgens und zwei Uhr in der Nacht. Von November bis April hat Radio Syd auch ein tägliches Programm für schwedische und dänische Touristen; ein Teil davon besteht aus skandinavischen Nachrichten. Diese werden tagsüber auf Kurzwelle aufgezeichnet. Connie hat keinen Internetzugang, was die Nachrichtenbeschaffung einfacher machen würde. Diese Sendung wird abends zwischen 20.00 und 20.30 Uhr ausgestrahlt mit einer Wiederholung morgens zwischen 8.00 und 8.30 Uhr. Radio Syd sendet Nachrichten vom staatlichen Rundfunk GRTS. Die Musik ist eine bunte Palette, bestehend aus afrikanischen Platten, Reggae und Pop.

Karl-Erik Stridh
Fotos: © Karl-Erik Stridh

Aus RADIOJournal 7/2000

  • Radio Syd Pictures and Sounds
    Auf dieser schwedischen Homepage sind viele Erinnerungen an Radio Syd zu finden (Bilder von der „Cheeta 2” aus 1965, der Sendeanlage, Techniker Christer und Piratenqueen Britt Wadner), einschließlich der erwähnten Schallplatten und Bücher sowie Informationen über Radio Syd Gambia. RealAudio Files (unter anderem Radio Syd-ID) sind ebenfalls vorhanden. Ein Link führt zu Radio Nostalgia, einer weiteren Website über die legendären schwedischen Seesender, unter anderem mit acht Bildseiten zu Radio Syd, die auch Fotos aus dem Jahr 1973 in Gambia enthalten sowie interessante Audio­Files. 
  • Radio Syd (1962)
  • Radio Syd (1964)
  • Radio Syd (Schwedisch, 1972)
  • Radio Syd (1983)
  • Radio Syd (1999)

• Laut WRTH 1993 sendet Radio Syd in Banjul auf Mittelwelle 909 kHz (2,5 kW). Als Managerin wird Miss Constance Wadner Enhörning angegeben. Sendungen für schwedische Touristen werden (November bis April) von 9.00 bis 9.30 und von 21.00 bis 21.30 Uhr ausgestrahlt. (RADIOJournal 5/1993)