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Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

4.Juli 1943: Corporal Syl Binkin war der erste Ansager: 
»This is the American Forces Network«

Die Geschichte von AFN (Teil 1)

Die Geschichte von American Forces Network (AFN) Europe ist die Geschichte einer militärischen Anomalie. AFN war die erste Radiosenderkette des Militärs und entstand zu Beginn des Zweiten Weltkriegs scheinbar aus dem Nichts. AFN sendete von verschiedenen Standorten in Europa und folgte den Westalliierten auf ihrem Vormarsch auf dem europäischen Kontinent. Später war AFN insbesondere in Deutschland vertreten, sowie ­ je nach militärischem Auftrag ­ an verschiedenen anderen Standorten.

Die Anfänge

Vor der alliierten Invasion des europäischen Kontinentes strömten amerikanische Truppen im Jahre 1942 zunächst einmal in das verbündete Großbritannien. Im Mai 1944 befanden sich zur Vorbereitung auf den „D-Day“ ­ den Tag der Invasion ­ rund 1,7 Millionen US-Soldaten und -Luftwaffenangehörige auf der Insel. Die Stimmung in den Feldlagern war schlecht, denn die Lebensbedingungen waren hart, die militärische Ausbildung nahm kein Ende, und jeder wusste, dass etwas bevorstand, das vielen von ihnen das Leben kosten würde. Hinzu kam, dass es für die in Großbritannien stationierten GIs kein „typisch amerikanisches Unterhaltungsangebot“ gab. Die United Services Organization (USO) veranstaltete Unterhaltungsshows zur Truppenbetreuung und die British Broadcasting Corporation (BBC) sendete wöchentlich eine halbe Stunde amerikanische Musik und an Wochentagen je fünf Minuten mit Sportinformationen aus den USA.

Am 4. Juli 1943 um 17.45 Uhr ging AFN nach Zustimmung von General Dwight D. Eisenhower mit der amerikanischen Nationalhymne zum ersten Mal auf Sendung. Es folgte eine Ansprache von Brewster Morgan, der den neuen Radiosender vorstellte. Der erste AFN Sprecher, dessen Stimme man im Radio hörte, war Technical Sergeant Syl Binkin vom US Army Air Corps. Zu den in jenen Anfangstagen lokal produzierten Sendungen gehörten »Duffle Bag«, »Combined Operation« und »Your Town«.

Die Studios von AFN in London zogen im Juni 1944 um zum Portland Place 80; dies bedeutete, dass man näher am Sendezentrum der BBC war und außerhalb der Reichweite der deutschen V-1 Raketen. Bis zum Ende des Krieges hatte AFN in ganz Großbritannien 75 Sender errichtet, während AFN in London selbst nur durch ein Lautsprechersystem empfangen werden konnte, das mit den einzelnen USO Clubs, dem „Rainbow Corner“ sowie einigen amerikanischen Unterkünften und Büros verbunden war. 

Der Armed Forces Radio Service (AFRS) stellte AFN Produktionen aus den USA zur Verfügung. Darunter waren Sendereihen wie »Mail Call«, »At Ease«, »Sound Off«, »Hymns from Home« und das »GI Journal«. Die Sendung aber, die Rundfunkgeschichte machte, war »Command Performance«. Diese überaus erfolgreiche, auf die Kriegszeit zugeschnittene Unterhaltungssendung wurde von den CBS- und NBC-Studios per Kurzwelle ausgestrahlt und erreichte US-Soldaten in ihren Einsatzgebieten auf der ganzen Welt. „Es war eine ‚Vorstellung auf Befehl’ ­ der einfache Soldat, der gelernt hatte, seinem Befehlshaber zu gehorchen, konnte nun seinerseits befehlen und sich aus der Welt des Radios wünschen, was er wollte“.

Prominente Persönlichkeiten und Stars der Entertainmentbranche stellten ihre unterhalterischen Fähigkeiten in den Dienst des Kriegs und traten auf Wunsch der Soldaten in der Show auf. Louis G. Cowan hatte sich das Konzept für »Command Performance« ausgedacht, und bis zum Ende des Krieges war fast jeder große US-Star mindestens einmal in der Sendung aufgetreten.

Das US Militär konstruierte drei fahrbare Sendeanlagen, die jeweils aus zwei Lastwagen bestanden, wobei der eine als Studio diente, der andere als Sender. Das erste dieser „Gespanne“ kam beim Vormarsch der Fünften US-Armee in Italien zum Einsatz. Bald darauf wurden mehrere dieser fahrbaren Radiosender gebaut. Sie begleiteten die Erste, Siebte und Neunte US Armee. 

Bis zum Kriegsende hatte sich AFN auf dem europäischen Festland neu organisiert. AFN hatte Sender und Studios in Antwerpen, Biarritz, Bremen, Berlin, Chamberry, Cannes, Frankfurt, Kassel, Le Havre, Lyon, Nancy, Nizza, Nürnberg, Marseille, München, Paris, Port de Bouc, Reims und Rom. Etliche der fahrbaren Sendanlagen wurden schließlich dazu genutzt, um das AFN Sendernetz in Deutschland einzurichten. Aus der mobilen Anlage der Siebten US Armee entstand AFN München, der Radiosender der Ersten US Armee wurde zu AFN Paris, später zu AFN Frankfurt und die Anlage der Neunten US Armee wurde in Bremen genutzt. Die Fünfte US Armee hinterließ in Italien mehrere Radiosender und ihr mobiler Sender half bei der Gründung des „Blue Danube Network“ in Österreich. Teile der mobilen Sendeanlagen der Fünften und Fünfzehnten US Armee halfen bei der Entstehung von AFN Berlin.

Das Ende des Krieges war für AFN mit einem abrupten Rückgang seines Personals und seiner Hörerschaft verbunden. Die sehr große Zahl von US-Truppen, die zur Befreiung Europas von den Nationalsozialisten entsandt worden waren, wurden auf „Liberty“-Schiffen in die Heimat zurückbefördert. Einige AFN Mitarbeiter gestalteten auch auf ihrer Rückreise noch Unterhaltungsprogramme, die über die Lautsprechersysteme der Transportschiffe ausgestrahlt wurden, bis man in New York anlegte. Sobald die Vereinigten Staaten erreicht waren, schlossen die AFN Sprecher ihr Programm mit den Worten: „Dies ist das Atlantic Forces Network des American Forces Network. Ich gebe nun ab an die National Broadcasting Company, Columbia Broadcasting Company, Mutual Broadcasting Company und ihre lokalen Radiosender.“

Auf dem europäischen Kontinent richtete AFN gleichzeitig Sender mit festen Studios ein. Unter den erinnerungswerten frühen Sendern und Senderketten ist das „Blue Danube Network“ (BDN) mit Hauptsitz in Wien und Studios in Salzburg und Linz. Zwischen August 1945 und Oktober 1955 brachte dieser Sender Heimatklänge für die etwa 5.000 in Österreich stationierten US-Besatzungstruppen. Sergeant Anthony Scozzafava, bekannt geworden als Tony Farra, sang populäre Lieder in der BDN Sendung »Magic Moments in Music«. Andere vor Ort produzierte Sendungen waren »Dancing on the Danube«, »One Night Stand«, »Bands on Parade«, »Musical Black Forest«, »Telephone Serenade«, »Melody Round Up«, »Sickbay Swing« und »The Blue Danube Hour«. Mit dem Ende der Besatzung Österreichs wurden die Studios in Wien am 26. Juli 1955 geschlossen. Bis zum Ende des Blue Danube Network am 15. Oktober sendeten die Amerikaner das Programm von AFN Munich über die BDN Frequenz. Das technische Material des BDN wurde nach Verona in Italien geschafft und diente dort bei der Errichtung des Southern European Network (SEN).

AFN France

Obwohl AFN während des Zweiten Weltkrieges in Paris und anderen französischen Städten Radiosender unterhielt, waren sie nicht zu einem Sendernetz zusammengeschlossen. Das kurzlebige AFN Paris produzierte Sendungen wie »Midnight in Paris« und »Lower Music of Upper Pig Alley«, die nicht nur amerikanische Musik boten, sondern auch französischen Jazz für die lokale Hörerschaft. 

Viele Franzosen bedauerten die Schließung von AFN Paris am 4. März 1946, vor allem weil amerikanische Jazzmusik in den Cocktail Bars populär war. Die meisten Franzosen allerdings mochten den „Chanson“ lieber. 

Als die US Soldaten 1955 im Rahmen der NATO-Vereinbarungen wieder in Frankreich stationiert wurden, richtete AFN dort ein Sendernetz unter dem Namen AFN France ein. Die ab 1955 geführten Gespräche über die Einrichtung dieses Sendenetzes zogen sich in die Länge, und erst am 23. Mai 1958 begann AFN France zu senden. Das Hauptproblem war die gesetzliche Bestimmung Frankreichs, die eine Kontrolle aller Radioprogramme vorsah, die im Land ausgestrahlt werden. 

AFN France verfügte über drei Studios: Eines in der Coligny Kaserne in Orleans, eines in der Aboville Kaserne in Poitiers (beide von 1958 bis 1967) und in der Maginot Kaserne in Verdun (1959 bis 1967). Eine der meist gehörten Sendungen von AFN France ist »What’s Cooking?« mit Jean Vavrin. Etwa 3.200 Sendungen wurden aufgenommen und konnten über das gesamte AFN Sendernetz gehört werden. Andere lokal produzierten Shows waren »Radio Chronicle«, »Beaucoup de Music« und »You Call the Tune«.  Als die französische Regierung unter Charles de Gaulle den Austritt aus der NATO beschloss, wurden auch die US-Truppen aus Frankreich abgezogen und AFN France geschlossen. Nicht zufällig war der letzte Musiktitel, den AFN France spielte, das Lied „Good-bye Charlie“.

Als eine Folge des Austrittes Frankreichs zog das Hauptquartier der NATO (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE) von Frankreich nach Belgien. Die Stadt Mons wurde dort zur neuen Heimat von SHAPE und AFN. AFN SHAPE quartierte sich in das Gebäude Nummer 318 ein und begann am 5. Februar 1974 zu senden. Anfangs lieferte AFN Frankfurt noch die live übertragenen Disc Jockey-Sendungen mit lokalen Ansagen, Wetterinformationen und Wechselkursen. AFN SHAPE, die „Stimme der Benelux-Länder“, startete 1977 mit eigenem Lokalprogramm; ab dem 22. Dezember 1980 kam auch die Fernsehübertragung hinzu. AFN SHAPE sendet noch heute.

AFN Berlin 1948-1949: Captain Morgan & Ray Cave interviewen
einen Airlift Piloten

AFN Berlin

Der mit Abstand populärste AFN-Sender war AFN Berlin. Am 17. Juli 1945 trafen ein paar US Soldaten mit ihrem Jeep in Berlin ein. Ihr Befehl lautete, innerhalb von 17 Tagen eine Radiostation einzurichten. Schon bald folgten zwei 2,5 Tonner mit einer fahrbaren Sendeanlage, die in unmittelbarer Nähe des Gebäudes parkten, in dem der neue Sender in Zukunft untergebracht sein würde. Ein 250-Watt-Sender strahlte ein Rundfunkprogramm aus, das jedoch nur im Umkreis von etwas über drei Kilometern empfangen werden konnte.

AFN Berlin zog schon bald in eine beschlagnahmte 27-Zimmer-Villa in der Podbielskiallee 28 in Dahlem um, eine vornehme Gegend von Berlin. Die Villa hatte Hitlers Außenminister Joachim Ribbentrop gehört, der nach dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess hingerichtet wurde. Die Ausrüstung, mit der die Station ihre Arbeit aufnahm, war primitiv. Die Antenne bestand aus zwei zwischen zwei Bäumen gespannten Drähten. AFN Berlin begann den Sendebetrieb mit dem Lied „Der Führer’s Face“, einem höchst unschmeichelhaften Gruß an Hitler von Spike Jones und den City Slickers. Das deutsche Publikum merkte spätestens jetzt, dass die „Yankees“ in der Stadt waren. Der folgende Titel war George Gershwins „Rhapsody in Blue“.

Während der Berliner Luftbrücke 1948/49 sendete AFN rund um die Uhr, ein Angebot, das von den Piloten dankbar angenommen wurde. Programmdirektor Bill Fitzgerald sagte dazu: „Während der Luftbrücke hörten noch mehr Menschen AFN als sonst, viele von ihnen rund um die Uhr, nicht nur die Piloten, sondern auch das Bodenpersonal, das am Flughafen Tempelhof Tag und Nacht im Einsatz war“. AFN half den Piloten, bei den Nachtflügen wach zu bleiben und von ihrer Flugroute durch die schmalen Luftkorridore nicht abzuweichen. Unter den vielen beliebten Sendungen, die AFN Berlin produzierte, war John Reinemunds »Magic Carpet«, in der die verschiedenen Bezirke Berlins durch bekannte deutsche Lieder vorgestellt wurden. Spezialist 4 Milt Fullerton (1,98 Meter) und Spezialist 5 Dan Edds (1,68 Meter) taten sich für die Sendung »Tall ’n’ Tiny« zusammen. Andere populäre Shows waren »Melody Go Round«, »American Music Hall« und »Town Hall Meeting«.

Während des Mauerbaus 1961 und der Konfrontation von sowjetischen und amerikanischen Panzern am Checkpoint Charly, war AFN Berlin „live vor Ort“. Glücklicherweise verlief diese Krise friedlich. Im Juni 1963 besuchte US­Präsident John F. Kennedy Berlin und AFN nahm dessen berühmten Worte „Ich bin ein Berliner“ auf.

Die Rolle, die AFN Berlin im Falle eines Angriffs auf Berlin übernehmen sollte, wurde in den Notfallplänen der US Army Berlin Brigade im Einzelnen aufgeführt. In einer Krisensituation hätten die AFN Studios den Sendebetrieb aufrechterhalten. 1962 war AFN Berlin der erste AFN Sender, der durchgängig 24 Stunden am Tag sendete, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass viele Militärangehörige Spät- und Nachtdienst leisteten, aber auch auf die Tatsache, dass Radio Moskau begonnen hatte, die AFN Frequenz in den späten Abendstunden für sowjetische Propagandazwecke zu nutzen. Der Radiosender konnte auf der Mittelwelle 935 kHz und auf UKW 87,85 MHz gehört werden.

AFN Berlin. Studios in der Saargemünder Straße 28 (1967-1994)

Angesichts des sich bereits abzeichnenden Siegeszugs des Fernsehens brauchte AFN ein noch größeres Sendehaus. Man verlegte die Senderäume in ein ehemaliges Army Post Office in der Saargemünder Straße 24, ebenfalls in Dahlem. Der Sendebetrieb wurde dort am 18. August 1969 aufgenommen.

Viele Prominente besuchten AFN Berlin über die Jahre hinweg, darunter solche Größen wie Louis Armstrong, Les Brown, Benny Goodman, Bob Hope, Kurt Jürgens, Elke Sommer, Connie Stevens und Gregory Peck, um nur einige zu nennen. Während seines Besuchs im Jahre 1961 sagte Charlton Heston, dass er es nicht versteht, wie ein Staat sein Volk einzäunen oder einmauern könne. AFN interviewte auch jeden US­Präsidenten, der die Stadt besuchte, darunter John F. Kennedy, Richard Nixon, Jimmy Carter und Ronald Reagan. Es war Reagan, der in einer Rede am Brandenburger Tor am 12. Juni 1987 ausrief: „Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“ Wie immer war AFN dabei, um darüber zu berichten.

Am Ende des Kalten Krieges machte AFN Berlin Radiogeschichte, und das nicht nur wegen der Berichte über „die ersten Momente, in denen die Mauer zu bröckeln begann“. AFN Berlin war auch der erste AFRTS Sender, der „live“ aus einem ehemaligen Ostblockland sendete. Der Bürgermeister von Neubrandenburg lud den Kommandeur der Berlin Brigade zu einem Wochenende der deutsch-amerikanischen Freundschaft ein. Im Gegenzug brachte AFN im März 1993 eine Live-Übertragung aus dem Stadtzentrum von Neubrandenburg.

Nach dem Fall der Mauer wuchs die Gewissheit, dass die Präsenz der in Berlin stationierten Streitkräfte der Siegermächte nicht länger erforderlich sein würde. Am Freitag, den 15. Juli 1994, um 13.00 Uhr, ging die letzte Sendung von AFN Berlin über den Äther. Am selben Tag stellte auch der britische Militärsender BFBS den Betrieb ein. Alle AFN Stationen übertrugen die dreistündige Abschiedssendung aus Berlin, in der Greg Foss, der Leiter des Senders, ehemalige und jetzige Mitarbeiter interviewte, darunter Mark White, der von 1950 bis 1988 Programmdirektor gewesen war und noch heute in Berlin lebt. Obwohl alle Beteiligten gehofft hatten, die letzte Sendung aus dem Funkhaus zu senden, ließ Greg Foss ein provisorisches Studio vor der Tür errichten. Die Sendung ging zu Herzen, nicht zuletzt wegen der zahlreichen deutschen Zuhörer, die anriefen. Bis Anfang September strahlte AFN in Berlin noch das Programm aus Frankfurt aus, dann wurde der Sendebetrieb endgültig eingestellt. Roy Morringello, der Verwalter, kümmerte sich um den Verbleib der technischen Ausrüstung und schaltete bei AFN Berlin buchstäblich die Lichter aus.

AFN Bremen. Studios in der Vahrer Straße (1946-1949)

AFN Bremen 

Am 15. Juli 1945 trafen fünf AFN-Mitarbeiter in Bremen ein. Sie hatten den Befehl, einen Radiosender aufzubauen. Am 22. Juli erreichte eine fahrbare Sendeanlage die Gabriel Seidel Straße 26 und sechs Tage später ging AFN Bremen auf Sendung. Anfang 1946 war AFN Bremen bereits dreimal umgezogen, bis schließlich in der Vahrer Straße mit dem vormaligen „Haus des Reiches“ ein auf Dauer geeigneter Standort gefunden wurde. Obgleich sich der Befehlsbereich des amerikanischen Nachschubhafens bereits am 15. April 1946 nach Bremerhaven verlagert hatte, zog AFN Bremen erst am 15. Mai 1949 nach. Der nach wie vor kleinste Sender der „AFN Familie“ hieß nun AFN Bremerhaven und war im Gebäude Nummer Zwei der Carl-Schurz-Kaserne untergebracht. Am 24. Februar 1962 zog AFN in das Gebäude Nummer Eins und blieb dort bis zur Einstellung des Sendebetriebs am 31. März 1993, zeitgleich mit der Schließung des US-Militärstützpunktes. Zu den beliebtesten lokal produzierten Sendungen zählte »Stickbuddy Jamboree«, das so begann: „Tag, Nachbarn! Jetzt kommen 25 Minuten beste Country- und Western-Musik in der Bremerhavener Sendung »Stickbuddy Jamboree«. Wir haben viele eurer Lieblingswesternstars auf Lager. Also haut nicht ab – jetzt kommt Musik aus dem tiefen Süden“. Sendeschluss AFN Bremerhaven

AFN München

Als erster AFN Sender in Deutschland nahm AFN München am 10. Juni 1945 den Sendebetrieb auf. Hierfür diente zunächst ein fahrbarer Militärsender, der neben dem künftigen Standort in der Kaulbachstraße 15 aufgestellt wurde. Die historische Villa von Friedrich August Kaulbach, einem bekannten Künstler, war 1937 beschlagnahmt worden und hatte fortan dem Gauleiter Adolf Wagner als Residenz gedient. Wagner hatte dort ein kleines Rundfunkstudio eingerichtet und eine Direktverbindung zu einem Außensender hergestellt, um über den Rundfunk Fliegeralarm geben zu können. Das Gebäude war im Krieg unbeschädigt geblieben und wurde deshalb 1945 für AFN beschlagnahmt.

Der neue Sender begann seinen Betrieb mit einem kleinen Fehler: „Guten Morgen. Hier ist AFN München, die Stimme der Siebten Armee.“ Was der Sprecher dieser Worte und Kommandeur von AFN München, Major Bob Light, nicht bemerkt hatte, war, dass über Nacht die Dritte Armee von General Patton die Kontrolle über die Stadt übernommen hatte. Unter den ersten Zuhörern von AFN München war eben jener General George Patton, der sich gerade rasierte. Der leicht erregbare General verlor die Beherrschung als er von der „Stimme der Siebten Armee“ hörte und schnitt sich mit seinem Rasiermesser. Er machte an diesem Morgen seinem Spitznamen „Blood and Guts“ alle Ehre, denn er gab schreiend und im Gesicht blutend den Befehl, „diesen verflixten (...) vor das Kriegsgericht zu stellen“.

In den von AFN in München beschlagnahmten Studios fanden Mitarbeiter ein für sie ungewöhnliches Tonbandgerät, dessen Aufnahmen eine weitaus bessere Qualität hatten als die Drahttonaufnahmegeräte der US Armee. Es handelte sich um Oxyd-Tonbandgeräte, wie sie noch heute benutzt werden. Die Techniker von AFN fanden schnell heraus, wie die Geräte zu bedienen waren und so war AFN München der erste amerikanische Radiosender, der die neuartige Aufnahmetechnik verwendete.

Zu den besonders erwähnenswerten lokal produzierten Sendungen gehörten »Luncheon in Munchen«, »Bouncing in Bavaria« und »Masquerade Till Midnight«. Der Sender brachte auch Live-Übertragungen aus den Hotels des American Forces Recreation Center (AFRC), »Eibsee«, »Alpenhof«, »Deutsches Haus« und »General von Steuben«, wie auch aus dem eleganten Nachtclub »Casa Carioca« in Garmisch. Eine Zeit lang unterhielt AFN München ein eigenes bayerisches Gasthaus in Garmisch, in dessen Wohnzimmer ein kleines Studio untergebracht war. Übertragungen von hier waren häufig in der Sendung »Bouncing in Bavaria« zu hören.

Eine der wichtigsten Aufgaben von AFN München war die Berichterstattung über die Nürnberger Prozesse. Vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 nahmen Harold Burson, Saul Green, Grady Edney und Walter Cleary den gesamten Verlauf der Prozesse auf 1.970 spezielle Aufnahme-Schallplatten mit 40 Zentimeter Durchmesser auf. Für AFN waren dies die ersten Außenaufnahmen. Darüber hinaus sind diese Schallplatten inhaltlich von historischer Bedeutung und werden mittlerweile im Nationalarchiv in Washington D.C. aufbewahrt. 

Im November 1984 gab AFN München die „Kaulbach-Villa“ an die Bundesrepublik zurück und bezog ein Haus in der Kaulbachstraße 45. Alle US Einrichtungen in München wurden 1992 geschlossen und AFN München strahlte am 14. Februar 1992 um 15 Uhr seine letzte Sendung aus.

© Dr. John Provan, Kelkheim  
Übersetzung: Anja Schäfers MA, Hamburg
Fotos: © AFN

Aus RADIOJournal 6/2003

• »...Neben all den musikalischen Neuheiten, von denen diese heute eher wie eine Groteske wirkt, hat der Sender vor allem aber auch amerikanische Lebensart in einer Zeit verständlicher gemacht, da es noch als exotisch galt, den Urlaub in Amerika zu verbringen. Dass sich mit dem Abzug des größten Teils der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland auch der Sender in seiner Funktion und seiner Verbreitung geändert hat, viele lokale Stationen bis in die Hauptstadt Berlin aufgegeben worden sind, versteht sich von selbst. Und dass die vielen privaten, aber auch die öffentlich-rechtlichen Radiosender mittlerweile dem AFN und seiner UKW-Station Z-FM mit seinem "best music mix" Konkurrenz machen, beweist nur, wie groß der Einfluss der amerikanischen Journalisten in Uniform war und noch immer ist. Er wäre wohl noch größer gewesen, wenn man vor langem schon einem bestimmten GI seine Zeit in Deutschland dadurch versüßt hätte, dass man ihn nach eigenem Wunsch den Wehrdienst am Mikrofon hätte ableisten lassen. Aber das wäre wohl zum permanenten Belagerungszustand des direkt neben dem Hessischen Rundfunk in Frankfurt gelegenen Rundfunkgeländes an der Bertramwiese ausgeartet, hätte Elvis Presley sein "Hound Dog" und sein "Love Me Tender" zwischen all den kleinen Alltagsnachrichten für die "local communities", die dieser Tage so wichtig sind, auch noch selbst ansagen können«. 
(Wolfgang Sander in "Sweet Home Rödelheim" - FAZ, 27.3.2003)

• Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie. Rund ein Jahr früher war in London der amerikanische Soldatensender gegründet worden, der beinahe 50 Jahre Maßstäbe für europäische Sender gesetzt hat. Die Gründung von AFN Europe war nicht ganz problemlos, denn auf der Insel fürchtete man die Konkurrenz für die BBC. Das American Forces Network sollte einerseits die Angehörigen der US-Luftflotte auf ihren britischen Basen unterhalten und andererseits die amerikanischen Truppen bei den Kämpfen auf dem europäischen Kontinent begleiten. Nach der deutschen Niederlage wurde in den amerikanischen Besatzungsgebieten eine festere Rundfunkversorgung für die Soldaten aufgebaut und fortgeführt, als die GI's nicht mehr als Besatzer, sondern als Verbündete in Land waren. München war am 10. April 1949 der erste Standort von AFN Germany. Mit dem Abzug der US-Truppen stellen seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten immer mehr AFN-Standorte den Betrieb ein. (RADIOJournal 4/1994)