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Alles, was ein Leben in der Hängematte angenehm macht... 15 Jahre »Pops Tönende Wunderwelt«

In den Weiten des Norddeutschen Flachlands, ist seit mittlerweile fünfzehn Jahren »Pops Tönende Wunderwelt« zu hören, immer sonntags von 22 bis 24 Uhr auf Radio Bremen Eins. Dazu gehört nicht nur Paul Eduard Poplinski, der Held der Sendung (Freunde nennen ihn Paul E. Pop), sondern auch der (geschwätzige) Moderator, Joachim Deicke, sowie die unglaublich engagierte Hörerschaft, die allwöchentlich mit Spannung die Sendung verfolgt, unter ihnen auch Freunde weit außerhalb des Empfangsbereichs von Radio Bremen. In Dresden, Mannheim, München und Köln gibt es treue und begeisterte Hörergemeinschaften; Kassetten und Audio-Dateien gehen bis nach Taiwan, Australien und Kanada.

Doch was hat diese grenzenlose Begeisterung ausgelöst, was hat »Pops Tönende Wunderwelt« zum „Kult“ gemacht? Vermutlich liegt es daran, dass die Sendung einfach herzerfrischend „anders“ ist. Sie ordnet sich keinem stromlinienförmigen „Format“ unter: Mitunter erzählt der geschwätzige Moderator minutenlang über „Gott und die Welt“, und musikalisch ist fast alles möglich: Pop, Rock, Folk aus allen Winkeln des Globus – „Weltmusik“ eben, ohne unsinnige Demarkationslinien. Trance und Township-Jive, Salsa und Swing, schwedische Songwriter und russische Rocker – alles findet seinen Platz in der »Wunderwelt«. Daneben begleiten den Hörer musikalische Serien wie die „Wunderwerke“, eine (sehr subjektive) Auswahl der besten Platten aller Zeiten. Die lauen Sommerabende der vergangenen Saison wurden durch eine traumhafte Tamla Motown-Reihe versüßt; und auch sonst gibt es immer wieder musikalische Schwerpunkte zwischen Südsee und Soul, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Ebenso bunt und vielschichtig wie die Musik sind auch die Textbeiträge der ersten Stunde: Überspitzt und genussvoll wird das „Abenteuer Alltag“ auf die Schippe genommen; der Moderator berichtet über seine endlosen Erlebnisse am Bäckereitresen; verliest die pseudophilosophischen Erkenntnisse eines Ronald Bodenfeger; Reime des Hofdichters Hyronimus von Apfelkern oder erzählt vom entflohenen, gemeingefährlichen Computerprogramm „Veirauch 2000“. »Pop-Rätsel« laden die Hörerschaft zum Grübeln ein. Daneben werden immer wieder Informationen zu musikalischen Neuerscheinungen aus aller Welt geliefert, und natürlich werden die reichlich eintreffenden – Anmerkungen, Gedanken und Spitzfindigkeiten der Hörerinnen und Hörer verlesen und kommentiert.

Protestbild gesehen auf www.wunderwelt.de.vu 

Das (welt-)offene Konzept der Sendung wird im zweiten Teil unterstützt von den spannenden Reiseberichten des launigen Globetrotters Paul E. Pop. Seit Jahren betreibt er – zusammen mit seiner Freundin Rita Stefanidis – ein urgemütliches Restaurant am Strand der Karibikinsel Tobago, umreiste mehrmals den Globus, um Freunden aus der Patsche zu helfen, geheimnisvolle Rätsel zu lösen oder sich mit Intrigen seiner bösartigen Widersacher auseinander zu setzen. Dank des Reisesystems der „Globalen Rutschbahn“ überwand er sogar Raum und Zeit, tauchte in Parallelwelten ein oder in der eigenen Vergangenheit auf. Und nach jedem dieser Abenteuer spannt er erneut seine Hängematte  auf und murmelt leise „Nie wieder!“. Aber das Abenteuer scheint ihn – auf eine fast hinterhältige Art und Weise – weiter zu verfolgen. Zehn bis zwanzig einzelne Sendungen mit diesen Fortsetzungsgeschichten bilden dabei ein vollständiges Abenteuer. Der phantastische Charakter dieses „akustischen Comicstrips“ wird von atmosphärisch, geographisch oder textlich passender Musik unterstrichen.

Doch »Pops tönende Wunderwelt« ist noch mehr als eine Radiosendung, sehr viel mehr. Sie steht für eine einmalige Gemeinschaft von Radiohörern, eine ständig wachsende Gruppe, die es schon mehrmals geschafft hat, „ihre“ Sendung vor dem „Aus“ zu retten. Massive Proteste dieser Hörerinnen und Hörer, körbeweise Post, Unterschriftenlisten und die Inszenierung von Pop-Ins (Treffen zur Rettung der »Wunderwelt« unter dem Motto: „Sonntagnacht gehört Paul E. Pop“), beeindruckten auch die Programmstrategen des Senders immer wieder. Selbst die Neugründung des Programms Radio Bremen Eins im Frühjahr 2001 überstand die Sendung unbeschadet. Nach einer Reihe gut organisierter Proteste, Demos im strömenden Regen, sowie einer freundlichen Belagerung des Funkhauses fand die »Wunderwelt« ihren Platz auch in dem neuen Programm, natürlich am Sonntagabend. 

Als Ergänzung zu den allwöchentlich bei Radio Bremeneins ausgestrahlten „hörbaren“ Wunderwelten gibt es seit fünf Jahren auch die »Popwelt« - die halboffizielle und von Joachim Deicke privat betriebene Internetpräsenz zur Sendung, die demnächst ihren 100.000sten Besucher begrüßen wird. Hier findet der Hörer einfach alles zur Sendung: Musiklisten, Zusammenfassungen der aktuellen Geschichte, Musiktipps, Reisetipps, köstliche Rumtipps - kurzum: Alles, was ein Leben in der Hängematte angenehm macht. Außerdem bietet die virtuelle Wunderwelt die wichtigsten Links zu den zahlreichen Webseiten der Hörerschaft und in deren gut besuchtes Auriga-Forum, wo leidenschaftlich die Themen der Sendung diskutiert werden.

Heiko Jetzkowitz
www.popwelt.de

Aus RADIOJournal 11/2002

• "...Ich muss gestehen, zuerst fiel mir der Zugang zur Sendung etwas schwer. Die Musik, die da zu hören war, entsprach überhaupt nicht dem, was ich damals gehört habe. Ich war mehr in Richtung Rockmusik interessiert, auf einmal kamen mir aus dem Radio Klänge aus Afrika, der Karibik oder auch Finnland entgegen, das war schon merkwürdig. Mittlerweile hat sich mein Geschmack in Sachen Musik aber so grundlegend verändert, das starre Spartendenken ist völlig hinfällig geworden. Ich höre alles was mir gefällt und alles ist irgendwie Popmusik". (Heiko Jetzkowitz)

• "...Vielleicht erzähl' ich das mal so: Da sitzt man also Sonntag Abend zu Hause und bekommt den Sonntags-Blues. Wochenende rum, viel Arbeit am Montag, nicht richtig erholt etc. Und dann kommt ab 22.00 Uhr auf einmal richtig gute Musik aus dem Radio. Ein Calypso, dann eine kleine witzige Geschichte von Hyronimus von Apfelkern oder von der Bäckereiverkäuferin. Ein Schmachtfetzen von den Philippinen (so um 1940 aufgenommen) wird gefolgt von Nord-Amerikanischer Gitarre. Man erhält Infos zu den Gruppen, Sängerinnen und Sänger. Man wird entspannter, lacht, bügelt, liest im Buch während der Musik, räumt die Wohnung ein bisschen auf und alles geht einfach besser von Hand. (...) (Birk Fleischer) 

25. September 2011: 24-jährige Weltreise geht zu Ende

Vierundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit, besonders, wenn man - wie Paul E. Pop - von einem Abenteuer ins nächste stolpert. Zwei Dutzend Jahre war er unterwegs und hat die Hörerinnen und Hörer von Radio Bremen mit seinen spannenden Reiseberichten versorgt, die um den ganzen Globus und durch zahlreiche Parallel-Welten und -Zeiten führten. "Sonntag Nacht gehört Paul E. Pop", jubelten die Fans der ungewöhnlichen Radiosendung, die über längere Zeit auch beim MDR, in Nordrhein-Westfalen, in Berlin und bei einem Schweizer Regionalsender zu hören war.

Heute versorgt das Internet die Pop-Gemeinschaft zuverlässig auch in den entferntesten Winkeln der Welt mit der wöchentlichen Mixtur aus globaler Musik und exotischen Gutenacht-Geschichten. Regelmäßig melden sich treue Hörer aus Taiwan, Namibia und Australien. "Ich hätte nie geglaubt, dass das solche Kreise ziehen würde", sagt Wunderwelt-Macher Joachim Deicke, der seit 1987 seinen reisenden Freund vertritt, der es noch kein einziges Mal geschafft hat, selbst im Studio aufzutauchen. Stattdessen schickt Paul zuverlässig seine Briefe. Fast 90 Radio-Abenteuer konnten so erzählt werden.

Nun allerdings will der ewige Globetrotter einfach mal "ein normales Leben" führen, wie er in einem seiner letzten Briefe schrieb. Und auch Pauls alter Freund, der Wunderwelt-Moderator Joachim Deicke, freut sich auf Pop-freie Wochenenden. "24 Jahre sind genug", meint er. Aber er wird natürlich auf der Brücke stehen, wenn Paul E. Pop abheuert.

Am 23. September 2011 soll auf der Weser der ehrenvolle Abschied des unermüdlichen Geschichtenlieferanten gefeiert werden. An Bord der "Oceana" wird noch einmal der "Pop" getanzt: Ein langer Abend mit allem, was zu einer "Tönenden Wunderwelt" gehört: Geschichten und Klänge aus fernen Ländern; Musik aus allen Winkeln des Globus und live dabei: Der Sänger und Gitarrist Iko Andrae, der selbst schon einmal - auf den Spuren von Paul E. Pop - bis nach Tobago gesegelt ist, in den verschlafenen Fischerort Charlotteville, in dem der Radio-Abenteurer seit über zehn Jahren lebt. Die letzte Radio-Lieferung von "Pops Tönende Wunderwelt" gibt es am 25. September 2011.