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»Sweet, soft and lazy« - Frische Musik und neue Sendungen bei NDR 1 Niedersachsen 

Es ist Sommer in Hannover. Die Sonne spiegelt sich im Maschsee, unter den Bäumen am Ufer bummeln Menschen entlang. Hier am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer befindet sich das Landesfunkhaus Niedersachsen vom Norddeutschen Rundfunk und hier entsteht Tag für Tag Deutschlands meist gehörtes Radioprogramm. Hörfunkchef Eckhart Pohl und Musikchef Lutz Ackermann achten gemeinsam mit dem Team darauf, dass NDR 1 Niedersachsen immer auf der Höhe der Zeit ist und dennoch unverwechselbar und wiedererkennbar bleibt. 

Musikalisch orientiert man sich nun am „best mix“ oder „fifty-fifty-mix“, wie es in der um Anglizismen nicht verlegenen Radiobranche so schön heißt. „Das bedeutet, wir spielen seit letztem Jahr fünf deutschsprachige Titel pro Stunde, fünf internationale und je nach zur Verfügung stehender Zeit drei bis vier Instrumentaltitel“, beschreibt Lutz Ackermann die Grundsätze der Musikauswahl. Bei den deutschsprachigen Titeln ist vor allem moderner Schlager zu hören, aber auch die Kulthits der letzten Jahrzehnte, von Gitte bis Marianne Rosenberg, werden gespielt. 

Zwischen 8.00 und 11.00 Uhr ist noch ein volkstümlicher Titel für die zu dieser Zeit verstärkt hörende ältere Generation im Programm, ansonsten wird diesem Musikbereich, zumal er auch immer weniger zugkräftige Interpreten hervorbringt, weit weniger Gewicht als früher gegeben. Gern berücksichtigt Musikliebhaber Lutz Ackermann auch die „local heros“ aus dem Sendegebiet, seien es nun Judith & Mel, das Ostfriesenduo Feller & Feller oder Alex Parker aus Hannover. 

Harmonische Klangfarbe

„Egal welche Interpreten und Titel wir spielen, es herrscht immer eine harmonische, melodische Klangfarbe vor. Aggressive Musik wird man bei NDR 1 Niedersachsen nicht finden“, sagt Lutz Ackermann. Deswegen hat er auch keine Probleme damit, die Bandbreite der internationalen Titel von Elvis Presley über Lionel Richie bis zur Popband Boyzone zu spannen. Wobei längst nicht jeder internationale Titel im Programm ein englischer ist. Ackermann ist stolz darauf, Musik in elf Sprachen, darunter Italienisch, Holländisch oder Norwegisch, zu spielen. Bei den Instrumentalproduktionen, die NDR 1 Niedersachsen als einziges Programm in Deutschland verlässlich in jeder Sendestunde dabei hat, sind Melodien zum Mitsummen wie „Tulpen aus Amsterdam“ genauso zu hören wie moderne Wave-Titel. „Allerdings ist es sehr schwierig, gute neue Instrumentaltitel zu finden, die wir auch spielen können“, bedauert Lutz Ackermann. „Es wird sehr viel Meditationsmusik auf den Markt gebracht, die natürlich nicht für unser Programm geeignet ist.“ 

Ähnliche Tendenzen sind leider auch beim Schlager auszumachen, weshalb sich die heute immer wieder gewünschten Interpreten, deren Tourneen auch ausverkauft sind, im überschaubaren Bereich bewegen. Sehr angetan von ihrem musikalischen Talent und der prägnanten Stimme ist Lutz Ackermann bei Larissa Strogoff, die immer wieder als neue Alexandra gehandelt wird. Umwerfend und absolut beeindruckend findet er den argentinischen Sänger Semino Rossi, der mit seiner tragenden Stimme bei Konzerten Gänsehaut bei den Zuhörern erzeugt. Interessant ist im Zusammenhang mit deutschsprachiger Musik, dass jüngere Hörer unter 50 Jahren bei Hörertests gelassener auf diese Musik reagieren als die Generation der 55 bis 65-Jährigen. Lutz Ackermann hat dafür auch eine Erklärung: „Das sind die 68er, die damals auch gegen deutsche Musik rebellierten und wo sich negative Assoziationen teilweise bis heute erhalten haben.“

»Sweet, soft and lazy« ist zurück

Einen persönlichen Wunsch hat sich Lutz Ackermann zum Jahresbeginn erfüllt: Die absolute Kultsendung im Norden, bekannt noch aus Ackermanns NDR 2-Zeiten, ist zurück im Radio. Jeden Sonntag von 20.00 bis 22.00 Uhr läuft »Sweet, soft and lazy« nun anstelle des „Musikantenkarussels“. Viele Hörer freuen sich, die bewährte und beliebte Mischung aus Schmusesongs und selbst verfassten Liebesgedichten wieder im Radio hören zu können. Einige Änderungen im Programm gibt es auch bei den Gewinnspielen. Zur »Entenjagd« wird jetzt schon morgens um 8.40 Uhr geblasen, am Nachmittag ist sie um 17.40 Uhr zu hören. Die plattdeutsche Schmunzelreihe »Hör mal’n beten to« läuft nun um 11.45 Uhr. Einige Mitratespiele, die sich überlebt hatten, wurden durch neue ersetzt. 

Lutz Ackermann selbst ist neben seiner Aufgabe als Musikchef auch weiterhin im Programm von NDR 1 Niedersachsen zu hören. Montags und mittwochs in der »Plattenkiste«, am Samstagvormittag und alle drei Wochen plattdeutsch auch am Samstagabend – und natürlich bei »Sweet, soft and lazy«. Zuschauer des NDR-Fernsehens wissen es, er ist auch zu sehen, mehrmals im Jahr beim »Wunschkonzert«, wo die Vorstellung niedersächsischer Regionen mit den schönsten Titeln der Musikgeschichte verbunden wird.

Mehr Informationen als andere

„Wir haben nicht vor, irgendetwas an unserer Wortberichterstattung zu ändern, geschweige denn Wortformate zu reduzieren“, hebt Hörfunkchef Eckhart Pohl hervor. Neben den ausführlichsten Nachrichten in Niedersachsen, mit einer zusätzlichen Ausgabe um 7.30 Uhr, gab es in den letzten Wochen auch umfangreiche Beiträge zum Thema „60 Jahre Kriegsende“. Die sehr ausführliche und bedingt durch das Ereignis monothematische Berichterstattung zum Tod des Papstes und der Wahl seines deutschen Nachfolgers löste unterschiedliche Reaktionen aus. Einige Hörer äußerten sich dankbar für dieses Angebot, andere wiederum fanden den Medienrummel allgemein zu diesem Thema übertrieben. 

Sehr gut angenommen werden nach Pohls Einschätzung die zwölfminütigen Tageszusammenfassungen um 8.00, 12.00 und 16.00 Uhr sowie deren regionale Ausgabe um 17.00 Uhr. „Wer umfassend über das Geschehen in Niedersachsen und seinen Regionen, aber auch in Deutschland und der Welt informiert werden will, kann ganz auf die Informationskompetenz von NDR 1 Niedersachsen vertrauen“, ist sich Eckhart Pohl sicher. „Wir haben nicht nur Erfolg mit bunten Themen, sondern eben auch mit Informationen.“ 

Sehr viel mehr sind Reporter heute mit dem Ü-Wagen im Land vor Ort, um Geschichten und Themen direkt vor der Haustür der Hörer aufzunehmen und ins Radio zu transportieren. Damit verbunden sind auch verstärkte Off-Air-Aktivitäten, zum Beispiel 40 Sendungen von der Landesgartenschau in Wolfsburg mit eigener Studiobühne. Hörernähe beweist auch Moderatorin Kerstin Werner mit ihrer Kontaktsendung »Miteinander«, die vor kurzem ihr zehnjähriges Jubiläum feierte. Zu diesem Anlass gab es vier Veranstaltungen in klassischen Tanzpalästen in Niedersachsen, die sich großer Beliebtheit erfreuten. 

Frischere Verpackung

„Die freundliche Grundanmutung des Programms muss erhalten bleiben. Darüber waren wir uns einig, als wir im letzten Jahr bei unserer Klausurtagung in Wernigerode über einige Neuerungen im Programm nachdachten“, erzählt Eckhart Pohl. Bei Komposition und Arrangement der neuen Jingles und Trailer wurde daher auf den Hauskomponisten Armin Kandel zurückgegriffen, der die vertrauten Grundelemente aufgefrischt und neu bearbeitet hat. Die klassische Nachrichtenfanfare, mit dem Grundmotiv „Das Wandern ist des Mü“ (den ersten Takten des bekannten Volksliedes) und der Flöte hinten dran, ist als Wiedererkennungsmerkmal so wertvoll, dass sich Pohl keinesfalls davon trennen wollte. 

Neben der neuen Verpackung haben auch die Moderatoren mehr Freiheiten. So ist, um das Programm dynamischer und flüssiger klingen zu lassen, der „Ramptalk“, also das Sprechen in den instrumentalen Anfang oder das Ende eines Titels mittlerweile üblich. Die Digitalisierung vor drei Jahren, die seit Anfang 2004 in den verbindlichen Selbstfahrerbetrieb geführt hat, tut ein Übriges zum Programmfluss. Sparen tut der NDR dadurch auch, 14 Technikerstellen sind ohne Kündigungen weggefallen. „Unsere Moderatoren können authentisch sein und aktuelle Untersuchungen belegen auch, dass sie es sind“, so Hörfunkchef Pohl. Er ist froh darüber, dass bei den Sympathiewerten ausnahmslos alle Moderatoren mit sehr guten oder guten Werten abschnitten, es also keinen aktuellen Korrekturbedarf gibt. 

Gut kommt auch die neue Morgensendung an, für die unter anderem Julia Westlake vom Fernsehen zu NDR 1 Niedersachsen zurückgeholt werden konnte. Im Programm gibt es jetzt mehr Verschränkung zwischen Moderation und O-Tönen, viele standardisierte Vorgaben wurden gelockert, damit die Moderatoren mehr individuellen Stil entfalten können. „Dadurch hat sich der Programmfluss verbessert. Ziel war nicht, dass wir schneller werden, sondern dass die einzelnen Elemente besser ineinander gleiten und unnötige Stops entfallen.“ 

Wichtig ist Pohl auch der verstärkte Anteil an Themen aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Wellness und Reisen, die den Lebensgewohnheiten und –erwartungen der Hörer entsprechen. Nach wie vor ihre Bedeutung haben auch die Spezialsendungen am Abend, wo vertiefende Dinge wie die Umsetzung von Hartz IV in Niedersachsen zur Sprache kommen. Bei der Außendarstellung der Programme setzt der NDR zunehmend auf Dachmarkenveranstaltungen, wo sich die Landeswelle aus Hannover gemeinsam mit NDR 2 oder N-Joy präsentiert, wie bei der immer wieder sehenswerten Ausdockung der Kreuzfahrtschiffe in der Papenburger Werft. Beim Schlager-Lotto beteiligten sich jüngst 55.000 Hörer, die meisten Einsendungen entfielen – wen wundert es – auf Andrea Berg. „Wir müssen allerdings aufpassen, dass sich nicht zunehmend kommerzielle Elemente ins Programm einschleichen, das mögen unsere Hörer gar nicht, denn sie schätzen unsere Werbefreiheit“, gibt Eckhart Pohl zu bedenken. 

Neue Dinge werden auch im Bereich von Teilzeitarbeit geschaffen. Da viele Frauen in der Aktuell-Redaktion Mitte 30 sind und daher fast gleichzeitig ihre ersten Kinder bekommen, sind neue Modelle gefragt. „Als unser Regionalkorrespondent in Göttingen pensioniert wurde, haben wir den bundesweit einmaligen Versuch gewagt, zwei junge Frauen mit zwei Kindern in Teilzeit auf diesen Platz zu setzen. Sie teilen sich ihre Zeiten selbst ein, sprechen sich ab und es funktioniert“, so Eckhart Pohl abschließend. Womit auch gesichert wäre, dass zukünftige Hörergenerationen NDR 1 Niedersachsen schon von Geburt an gewogen sind.

Stefan Förster
Fotos: © NDR
www.ndr1niedersachsen.de

Aus RADIOJournal 7/2005

Die Freude bei Lutz Ackermann war groß und ehrlich. Kein anderer als Otto Waalkes stand vor ihm. Otto, den er in den siebziger Jahren in Hamburg entdeckte, ins Radio holte und so bekannt machte. Der gebürtige Ostfriese aus Emden wollte es sich nicht nehmen lassen, seinen Freund und langjährigen Gefährten aus alten Hamburger Onkel-Pö-Zeiten während dessen letzter Sendung als NDR 1 Musikchef am Funkhaus am Maschsee zu besuchen. Zusammen mit Otto und Michael Thürnau, der die vierstündige Verabschiedungssendung von 8.00 bis 12.00 Uhr moderierte, erinnerte sich Lutz Ackermann an seine 40-jährige Arbeit beim Norddeutschen Rundfunk, die der nunmehr 64-jährige als Musikchef von NDR 1 Niedersachsen beendet hat. Foto: © NDR

• Als Musikchef von NDR 1 Niedersachsen hat Lutz Ackermann etwas Einzigartiges im deutschen Radio erfunden: ein Programm, das nach Klangfarbe komponiert wird. Kaum ein anderes Programm in Deutschland spielt Roland Kaiser und Michael Jackson und hat damit Erfolg. Das Geheimnis: der ruhige, entspannte Klang, der das gesamte Repertoire kennzeichnet, ob Schlager, Oldie, Country, Pop oder Instrumentaltitel. NDR 1 Niedersachsen ist damit zur harmonischen Alternative geworden - auch für viele Stammhörer anderer Sender. „Auch modernes Radio braucht das berühmte Bauchgefühl“, so Hörfunkchef Eckard Pohl. „Lutz Ackermann hat es, auch weil er das Publikum kennt und liebt. (RADIOJournal 7/2009)

• Lutz Ackermann war Moderator, Redakteur und Musikchef im Norddeutschen Rundfunk: Nach 40-jähriger Tätigkeit beim NDR geht er in den Ruhestand. Viele Stars, Prominente und Weggefährten kamen am 21. Oktober zur großen Abschiedsparty nach Hannover. Trost für seine vielen Fans: Zwar verabschiedete sich Lutz Ackermann als Musikchef, als Moderator bleibt er den Hörerinnen und Hörern aber erhalten. Immer sonntags um 18.00 Uhr ist er bei »Sweet, soft & lazy« auf NDR 1 Niedersachsen am Mikrofon und auch sein »Großes Wunschkonzert« im NDR Fernsehen, das er seit 1998 moderiert, wird er weiterhin präsentieren. Nachfolger von Lutz Ackermann als Musikchef von NDR 1 Niedersachsen ist Henry Gross. Dessen Radiokarriere begann Anfang der 80er-Jahre als Moderator und Reporter beim „Club“ von NDR 2 - damaliger Chef Lutz Ackermann. Später moderierte Gross Musiksendungen für den SWF, wechselte als Musikchef zum RIAS und kehrte 1993 zum NDR zurück. (RADIOJournal 9/2009)