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HAMBURGER LOKALRADIO - Total lokal und weltoffen

Hamburg. Da denkt man zuerst an Hans Albers, St. Pauli, die Reeperbahn, HSV und Ohnsorg Theater. Doch die „Stadt mit der Härte im Wind” hat viel mehr zu bieten. Es gibt das English Theater of Hamburg [am 26. April 2001 hat dort „Twelfth Night”, eine Klassische Komödie von Wilhelm Shakespeare, Premiere]. Zum Programm der Kulturbehörde gehörte im Jahr 2000 „Danmark til Hamburg” und der Kulturaustausch Hamburg-Japan. Unter den zahlreichen Diskotheken findet man Namen wie Samba do Brasil, Irish Rover und Downtown Bluesclub. Am Großneumarkt lädt der colton club, Hamburgs ältester Jazzkeller, zum rhythmischen swinging ein. „So vielseitig wie die Stadt” ist auch ein Programm, das jeden Sonntag auf 96,0 MHz aus der Luft kommt.

Das Wort „weltoffen” hat am 2. Dezember 2000 noch die „weltweite” Ergänzung dazu bekommen. An diesem Samstag ging das Kulturradio erstmals auf Kurzwelle on air. Um 11.00 Uhr ertönte auf 6045 kHz das markante Erkennungsjingle mit der Schiffssirene. Die 100-kW-Sendeanlage der Deutschen Telekom in Jülich brachte es hinaus nach Europa und über den Ozean. Gesendet wurde ein Zusammenschnitt von Beiträgen, die im regulären Sonntagsprogramm auf UKW laufen. 

HAMBURGER LOKALRADIO ist ein gemeinnütziges Hörfunkprojekt, das von mehreren Vereinen getragen und betrieben wird. Einer dieser Vereine ist SWINGING HAMBURG e.V. Zu Gast im Studio waren Klaus Neumeister, der die gleichnamige Sendung gestaltet, und Geschäftsführer Alfred Pelzer. SWINGING HAMBURG e.V. kümmert sich darum, dass der traditionelle Jazz in Hamburg nicht ganz ausstirbt. „Eines unserer ersten Ziele war”, so Alfred Pelzer in der Sendung, „den Medien in Hamburg wieder klar machen, dass Hamburg die Jazzerstadt schlechthin ist”. 

Vor der Gründung des Vereins war in Hamburg noch die Jazzwelle 97.1 auf Sendung. „Alle, die im Verein aktiv sind, haben auch bei der Jazz Welle mitgeholfen und Beiträge gemacht”, erinnert sich Alfred Pelzer an diese wunderbare Zeit.

SWINGING HAMBURG e.V. wurde Ende 1997 gegründet, fast parallel mit LOKALRADIO HAMBURG. Alfred Pelzer: „Mittlerweile ist das Radio für uns überhaupt nicht mehr wegzudenken. Wir sind froh, dass wir uns im HAMBURGER LOKALRADIO dauernd präsentieren können.“ Klaus Neumeister ergänzt: „Ich hab festgestellt, dass das was wir machen, einmalig in ganz Deutschland ist. Es gibt nichts Vergleichbares.“ Der Jazzmusiker hat in den letzten drei Jahren weit über 100 Sendungen für HAMBURGER LOKALRADIO gestaltet. Jeden dritten Sonntag im Monat um 14.00 Uhr läuft seine regelmäßige Sendung »Swinging Hamburg«, die sich um die Hamburger Jazzszene kümmert. Wo einheimische Bands sehr intensiv dargestellt werden. Klaus ist im Vorruhestand und produziert viele Beiträge von zu Hause aus. 

Wie kommt man dazu, soviel Zeit für nichts zu opfern? „Bei mir ist es ganz eindeutig die Liebe zum Jazz”, erklärt Klaus Neumeister sein enthusiastisches Engagement. „Aber als uns Chefredakteur Michael Kittner das Projekt HAMBURGER LOKALRADIO vorstellte, war ich von Anfang an begeistert. Ich hab spontan zugesagt, mich aktiv und kreativ an der Gestaltung des Programms zu beteiligen, weil ich die Idee, die hinter unserem Radio steht, einmalig finde. Und wenn unsere Musik nirgends mehr gespielt wird, wie sollen sich dann die Menschen dafür begeistern! Das motiviert mich und macht mir sehr viel Freude daran zu arbeiten.” 

Eckhard Maaß (»Swing Café«)

Das Sendestudio befindet sich ein Stockwerk über dem Kulturzentrum LOLA im Stadtteil Bergedorf. Eingerichtet wurde es aus privaten Mitteln. Die laufenden Kosten müssen von den Mitgliedern aufgebracht werden. Vorstandssprecher und Chefredakteur ist Michael Kittner, ehemaliger Mitgesellschafter der JazzWelle Plus. "Lassen Sie mich zuerst ganz kurz den Sendestart schildern. Nach der Zulassung 1997 durch die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) sind wir am 4. Januar 1998 auf Sendung gegangen. Wir mussten uns bis zum 31. Dezember 2000 die Frequenz 93,0 MHz mit einem weiteren nichtkommerziellen Radio „Freies Sender Kombinat” (FSK) teilen. Nach sehr langwierigen Verhandlungen mit der HAM und dem Hamburger Senat haben wir jetzt für zwei Jahre die medienrechtliche Zulassung auf der Frequenz 96,0 MHz zu senden. Durch die größere Sendeleistung (von 40 auf 100 Watt) erreichen wir den gesamten Hamburger Speckgürtel und sind somit auch in etwa 1.000.000 Kabelhaushalten in und um Hamburg von Stade bis Büchen und von Lüneburg bis kurz vor Lübeck zu empfangen. Die alte Frequenz 93,0 MHz war nur im Kabelnetz Hamburg vertreten. 

Als aktiver DXer seit 1959 und Leiter der Station konnte ich meine Redaktion davon überzeugen, für eine gewisse überschaubare Zeit die Kurzwelle zu nutzen, um unser Radio über die Grenzen Hamburgs bekannt zu machen. Uns war bekannt, dass die Deutsche Telekom ihre KW-Sendeanlagen an Programmanbieter vermietet. Nach der Kontaktaufnahme konnten wir sehr schnell die technischen Einzelheiten klären. 

Wir brauchten dann etwa zwei Monate Vorbereitung, um Anfang Dezember 2000 mit der Ausstrahlung zu beginnen. Als zugelassenes Radio war auch eine medienrechtliche Abstimmung mit der HAM erforderlich, um auf Kurzwelle senden zu können. Unser Programmauftrag für die KW-Ausstrahlung ist als europaweite Ergänzung unserer örtlichen Sendungen zu verstehen. Dass wir auch in ganz Deutschland zu hören sind, freut uns natürlich besonders."

Gerhard Klußmeier (»SonnTalk«), Mitglied der ersten Stunde.

Das Motto der Sendung heißt: „...Total lokal und weltoffen”. Wer hört heute noch Kurzwelle? Ist das nicht ein gewagtes Unternehmen? Michael Kittner: "Wer hört heute noch Kurzwelle, eine interessante Frage. Aus eigener langjähriger Erfahrung kann ich nur sagen: Es gibt viel mehr Hörerinnen und Hörer die sich nicht von dem Einheitsgedudel der zahlreichen kommerziellen Radiostationen berieseln lassen. Unser Programm wird ohne den unsäglichen Quotendruck erstellt und erreicht in Hamburg Tausende von Zuhörern am Wochenende auf der örtlichen UKW-Frequenz. Natürlich ist es ein gewagtes Unternehmen, für ganz kurze Zeit auf einem Wellenbereich zu senden, der von vielen Wegwerfradios nicht mehr bedient wird. Unser Programm auf Kurzwelle kann immer nur einen ganz kleinen Einblick in unsere Medienarbeit geben. Das Hamburger Lokalradio ist als Zuhörradio angelegt. Darum senden wir auf KW auch überwiegend Kulturberichte aus unserem laufenden Programm. Diese werden aber für die KW-Programme redaktionell überarbeitet, da sie teilweise wesentlich umfangreicher sind. Kurzwellenhörer sind echte 'Zuhörer' und verstehen das Radio noch als Informationsquelle.

Es gibt eine große Resonanz auf unsere ersten Ausstrahlungen. Hörerpost erreicht uns aus ganz Deutschland, Österreich, Schweden, Dänemark, Schottland und den USA. Wir können somit sagen, das Hamburger Lokalradio ist weltweit zu hören. Hörerinnen und Hörer schreiben uns teilweise sehr ausführliche Briefe. Sie finden unsere Idee gut, ein Programm mit lokalen Informationen über Hamburg zu senden. Unterdessen haben wir auch viele Stammhörer, die sich extra die Sendezeit vormerken. Ende Januar wird vorerst eine Sendepause auf der Kurzwelle eingelegt. Wir werden sehr sorgfältig unsere KW-Aktivitäten in der Redaktion besprechen und dann entscheiden, ob wir zu einem späteren Zeitpunkt die Ausstrahlung wieder aufnehmen. Das Projekt KW kostet natürlich viel Geld. Die ersten neun Ausstrahlungen im Dezember bis Januar haben verschiedene Anbietervereine im Hamburger Lokalradio getragen. Als nichtkommerzielles Radio sind wir auf Spenden und Fördermitglieder angewiesen. Wir werden aber demnächst darüber nachdenken, wie wir weitere Sendungen finanzieren können. Doch bereits heute können wir sagen, dass die Kurzwellensendungen ein voller Erfolg sind." 

„...Total lokal und weltoffen” das heißt für Hamburg und Umgebung „multikulturell”. Die sonntägliche Sendung ist ein ein buntes Kulturmagazin mit Beiträgen wie Musica Argentina, Radio Tropical, Hallo Bosna, Plattdüütsch, LiteraturClub, Folk-Box und natürlich Swinging Hamburg. Hamburg selbst ist eine Stadt mit internationalem Flair wo Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben. Wie wird das Programm dort angenommen? Michael Kittner erzählt: Als multikulturell angelegtes Programm legen wir großen Wert auf ein weltoffenes Radio. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen klappt ausgezeichnet. Unsere Redaktionen bestehen aus etwa 30 Personen. Unsere bosnische Abteilung wird von sieben jungen Studenten und Studentinnen eigenverantwortlich in bosnischer Sprache gestaltet. Vier Stunden im Monat wird ein Informationsprogramm mit viel aktueller Musik aus Bosnien zusammengestellt und mit großer Hörerbeteiligung gesendet. Zwei kurze Programme von »Hallo Bosna« haben wir auch über Kurzwelle ausgestrahlt. Diese Beiträge sind unterdessen auch über Lokalsender in Bosnien direkt gesendet worden. Das Hamburger Lokalradio unterstützt mit seiner Berichterstattung auch die humanitäre Hilfe für Sarajevo. Ein Aufruf zum Sammeln von Kinderkleidung und Spielzeug war ein voller Erfolg. Im Bild: Raul Kristeller (»Radio Tropical«).

Radio Tropical wird von verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Mittel- und Südamerika zusammengestellt. Radio Tropical als Idee besteht seit 12 Jahren. Zuerst ausgestrahlt über Radio Korah (97,1), danach über die JazzWelle Plus (97,1) und jetzt seit über drei Jahren über das Hamburger Lokalradio 96,0 ex 93,0. Mitte der neunziger Jahre hat das Programm Radio Tropical nachhaltig die lateinamerikanische Szene in Hamburg gefördert. Unsere Mitarbeiter kommen aus Bolivien, Argentinien, Chile und Trinidad. Gesendet wird in Spanisch und Englisch. Folk & Blues wird von einem „Blues-Fachmann” aus England in englischer Sprache betreut. Colin Kesterton ist seit den ersten Tagen (JazzWelle Plus 1991) mit seinem wöchentlichen Programm dabei. 

Der LiteraturClub wird vom Literaturwissenschaftler Bernd M. Kraske aus Reinbek bei Hamburg maßgeblich gestaltet. Er ist Leiter der Kulturzentren Reinbeker Schloß, Museum Rade und dem Sachenwaldforum. Die Stiftung Museum Rade ist einer der Anbietervereine im Hamburger Lokalradio. In unseren Literatursendungen konnten wir Gäste wie Gerlach Fiedler, NDR-Urgestein, Rainer Goll, Schriftsteller aus Lübeck und Klaus Junkers, ehemaliger Leiter des Rowohlt Theaterbuchverlages und engen Freund des Tschechischen Staatspräsidenten Váslav Havel begrüßen. Ein persönliches Dankschreiben des Präsidenten würdigt die Kulturarbeit der Reinbeker Einrichtungen und somit auch die des HAMBURGER LOKALRADIOS. Plattdüütsch gehört einfach ins lokale Radio. Silke Fraksteins Programm hat eine große Fangemeinde in und um Hamburg. Zahlreiche Gäste stellen ihre CDs oder Buchveröffentlichungen vor. 

Der Mitgliedsverein Kommunales Radio e.V. vertritt auch die blinden und sehbehinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hamburg. Der BSVH-Treff hat einen regen Programmaustausch mit dem blinden ABSV-Radio in Berlin. Professionell gemachte Beiträge erreichen nicht nur unsere spezielle Zielgruppe sondern auch alle anderen Stammhörer des HLR. Also die Redaktion ist so bunt wie die Stadt. Und auch so spannend!

Michael Kittner war Mitgesellschafter der JazzWelle Plus, dem Radio was sich heute Energy Hamburg 97.1 nennt und mit dem was damals auf dieser Welle lief nichts mehr zu tun hat. Sein Herz schlägt für die Musik, besser gesagt: Jazz Musik. Die hat er von der JazzWelle Plus zum HAMBURGER LOKALRADIO mit rüber gebracht. "Als ehemaliger Gesellschafter der JazzWelle Plus in Hamburg habe ich maßgeblich die Jazzmusik in den privaten Radiomedien Hamburgs vertreten. Kommerzielle Zwänge haben nach einigen Jahren dazu geführt, dass das JazzRadio zu Radio Energy mutiert ist. Es war nur konsequent, über andere Möglichkeiten nachzudenken, damit die Stadt Hamburg nicht gänzlich die Jazzmusik im Radio verliert. Das NDR-Jazzprogramm hat zu keiner Zeit die Hörer binden können, die wir mit der JazzWelle erreicht hatten. Das Kultur- und Sonntagsradio ist in der Tat eine Idee von mir, die wir mit einigen ehemaligen Mitarbeitern der JazzWelle zielstrebig umgesetzt haben. Einen großen Sendeanteil hat wieder die Jazzmusik. Vier Stunden am Sonntag bestreitet der Anbieterverein SWINGING HAMBURG mit seinen Programmen. Die Jazzabteilung wird von dem HörZu­Redakteur und Jazzkenner Gerhard Klußmeier geleitet. Er hat schon sehr erfolgreich auf Radio Korah und der JazzWelle diese Musiksparte populär gemacht." 

Empfangsbestätigung (QSL-Karte) für den Empfang der KW-Sendungen
im Jahr 2000.

Das Hamburger Lokalradio ist mit Programminformationen zu seinen Sendeaktivitäten im Web vertreten. "An einen Livestream unserer Programme haben wir allerdings noch nicht gedacht. Unsere Verträge mit der GEMA-GVL geben dies auch nicht her", sagt Michael Kittner. Allerdings bringt das Internet auch tolle Begegnungen: "Besonders gefreut hat es die Redaktion, dass ein persönlicher Freund von mir in Bayern per Zufall unsere Hompage angeklickt hat. Als alter Kurzwellenfreund hat er mit mir zusammen vor über 20 Jahren DX-Sendungen für Radio Canada, Radio Portugal und Radio RSA zusammengestellt. Viele Freundschaften und internationale Kontakte wurden über die Kurzwelle geknüpft. So habe ich viele kleine und große Sendestationen in den USA, Mittel- und Südamerika besucht. 1982 habe ich in Belem-Brasilien aktiv am Aufbau der UKW-Station Radio Cidade Morena mitgewirkt. Zu hören war ich über örtliche Sender in Teresina, Belem, São Luis sowie über den Auslandsdienst in Brasilia. In einem großen Stapel Singles, die ich jedesmal mit nach Brasilien genommen habe, war auch der Titel 'Da, da, da' enthalten. Dieser wurde innerhalb weniger Tage von Belem über Rio bis nach São Paulo gespielt." 

Das Medium Radio ist nach vielen Jahrzehnten für Michael Kittner immer noch so aktuell wie am ersten Tag, "als ich als Schuljunge mit einem Kosmos-Radiomann und einem Detektorempfänger die erste Bekanntschaft mit den Funkwellen machte. Als Rundfunkmacher aus Überzeugung unternehme ich auch heute noch jeden Tag 'eine Reise ohne Pass und Visum'."

Bild ganz oben: Michael Kittner, Chefredakteur.

Anita Pospieschil
Fotos: © Hamburger Lokalradio
www.hamburger-lokalradio.de

Aus RADIOJournal 2/2001

• Das Hamburger Lokalradio ist von sonntags 6.00 bis montags 6.00 Uhr und dienstags 0.00 bis 6.00 Uhr auf UKW 96,0 MHz zu hören. In der übrigen Zeit sendet auf der Frequenz TIDE 96.0, der Hamburger Bürger- und Ausbildungskanal.