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So steht das Saarland fröhlich auf -
Dryja und Rosch retten den Morgen auf SR 1

Es ist der Dienstag nach der Bundestagswahl [2005]. Angekündigt ist noch mal ein Goldener Herbst-Tag. Die Sonne meint es gut in dieser Woche und strahlt nach Kräften, aber es ist draußen schon deutlich kühler geworden. Aus dem Radiowecker schallt „It’s my life“ von No Doubt. Die Sieben-Uhr-Nachrichten sind vorbei, nach Wetter und Verkehr haben Colette Dryja und Thomas Rosch die zweite Stunde bei Saarlands Radioshow am Morgen eröffnet. Gleich informiert Susanne Stahnke aus dem News-Center über die neuesten Meldungen vom Koalitionspoker in Berlin. „Jamaica“-Koalition ist das Wort das Tages und auch hier der Aufmacher. „Amazing“ meint George Michael im Anschluss, ehe das Australien-Gewinnspiel für Aufsehen sorgt. 

Neue Plakate im ganzen Saarland, auf denen Thomas, Colette und ihr Hund Sam als Comicfiguren abgebildet sind, haben auf die spektakuläre Aktion, bei der attraktive Reisen nach „down under“ zu gewinnen sind, hingewiesen. Drei Gewinnertitel sind im Programm versteckt, wenn einer dieser Songs läuft, vom Hörer erkannt wird und dieser zum Telefon greift, ist er mit ein bisschen Glück im Lostopf drin. Für das Verrückte im Leben sorgt Ricky Martin mit „Living la vida loca“. Danach gibt’s die Koalitionscomedy „Joschka & Angela“, um halb Acht ist Susanne Stahnke wieder mit den neuesten Infos aus der Welt der Nachrichten zu hören. Spontane Übergaben, kleine Witze und Frotzeleien zwischen den Leuten des News-Teams gehören zur erfrischenden Atmosphäre des Programms. 

Obwohl die Verweildauer am Morgen kurz ist, werden die Informationen immer wieder mit einem etwas anderen Dreh aufbereitet. Klar, um Zehn nach Acht ist Susanne Stahnke wieder dabei mit der Einschätzung der politischen Nachwirkungen der Bundestagswahl. Routiniert sortiert sie die Ereignisse ein, ohne die Hörer zu belehren oder zu überfordern. Sie erklärt die Dinge verständlich und nutzt die Fachbegriffe dort, wo sie hingehören. Dann ist Geri Halliwell dran. „It’s raining men“ passt so gar nicht zum Wetter draußen auf dem Halberg. Die Sonnenstrahlen blinzelten schon beim Aufstieg auf den Saarbrücker Hausberg, der seit Jahrzehnten der Sitz des Saarländischen Rundfunks ist. Wer den Bus verpasst hat, ist in einer knappen Viertelstunde von der Chaussee durch den herrlichen Mischwald auf dem Berg. Ein Genuss für den Besucher, Routine oder vielleicht sogar notwendiges Übel für die Mitarbeiter, die das tagtäglich machen, wenn sie nicht mit dem Auto kommen. 

Viel passiert ist in den letzten Jahren im Hörfunkkomplex des SR. Die digitale Welt hat Einzug gehalten, helle freundliche Räumlichkeiten sind entstanden, die Redaktion sitzt in einem Großraumbüro. Hier kann auch die Crew der SR 1-Morgenshow in wechselnder Besetzung ihren Aufgaben nachgehen. Zum Team, das den Morgen retten will, gehören Simone Spaniol, Erik Dessloch und Florian Schumacher, die von der Jugendwelle UnserDing kommen und quasi als „warm up“ die Stunde zwischen fünf und sechs Uhr moderieren. Florian Schumacher ist auch bei Colette und Thomas im Verkehrsteam zu hören, ebenso wie Kerstin Mark und Michael Lampert. 

Susanne StahnkeAls Chef vom Dienst fungiert in der Regel Christian Otterbach, der neben Susanne Stahnke, Nina Heck und Harald Schmied auch dem News-Team angehört. Die Schlussredaktion obliegt Sven Behrmann und Sascha Baron, vertretungsweise auch Marlon Wilhelm, der sonst in gleicher Funktion die Vormittagssendung verantwortet. Für die Vorbereitung von Saarlands Radioshow am Morgen sind Eva Roessler, Birgit Heß und ebenfalls Sascha Baron zuständig. Christian Otterbach ist guter Dinge an diesem Morgen. Die Nachrichtenlage ist gut, die Sendung läuft rund, ist bisher von kleinen oder größeren Pannen verschont geblieben. Wenn Otterbach gegen sieben Uhr im Funkhaus eintrifft, hat er die erste Stunde bereits im Auto gehört. Er ist meistens bis 16.00 Uhr im Funkhaus, bis dahin muss alles Wesentliche für die Sendung des nächsten Morgens geklärt sein, denn es gibt nur eine CvD-Schicht. „Die Abschlusssitzung heute um Zehn nach der Sendung ist gleichzeitig die Vorbereitungssitzung für morgen früh. In Zusammenarbeit mit dem Vorbereitungsredakteur wird die Sendung durchgeplant, mit Schlussredakteur, Verkehrsteam und den beiden Moderatoren sind somit sechs Leute für eine Sendung direkt verantwortlich.“ 

Getreu dem SR 1-Slogan „Der beste Mix - News & Hits“ ist auch die Morgenshow mit Colette Dryja und Thomas Rosch kein reines Unterhaltungsformat. Aber auch Informationen können verständlich und im Dialog mit den Redakteuren des News-Teams präsentiert werden. Meistens werden nur die O-Töne rausgeschnitten, die Geschichte drumherum dann im Studio direkt beim Moderator erzählt. Christian Otterbach will, dass die Hörer früh schnell auf dem aktuellen Stand der Dinge sind. „Wir legen bei der Aktualität eine hohe Geschwindigkeit vor, können damit sehr schnell reagieren. Die Absprache zwischen Schlussredakteur und Info-Mensch ist dabei extrem wichtig.“ 

Wort ist bedeutend an Tagen wie diesen nach der Bundestagswahl. Im Sommerloch kann es wieder anders sein, dann gibt es im Zweifelsfall etwas mehr Comedy, wenn nichts Berichtenswertes anliegt. Die Zeiten belangloser Chronistenpflichten sind auch bei SR 1 längst vorbei. Während die Leute vom News-Team um sechs Uhr mit ihrer Arbeit beginnen, können die Vorbereitungsredakteure etwas länger schlafen. Sie müssen aber auch schon um Neun da sein, um sich noch mit dem Schlussredakteur der laufenden Sendung austauschen zu können. Heute ist das Marlon Wilhelm, ein Mann mit Erfahrung und großer Kenntnis des SR. Seit 25 Jahren ist er auf dem Halberg, fing als studentische Hilfskraft im Archiv an, wurde danach - damals noch ohne Volontariat - Redakteur und landete schließlich direkt bei SR 1. Jetzt muss er eine Verlosung abwickeln. Colette und Thomas verschenken Karten für ein exklusives Roachford-Konzert im Funkhaus, die Leitungen stehen nicht mehr still. 

Marlon Wilhelm bewahrt Ruhe und den Überblick und arbeitet die Anrufer der Reihe nach ab. Damit er sich nicht alle Namen notieren muss, hilft ihm der Computer. Leute die bereits bei früheren Verlosungen angerufen haben, sind gespeichert, ihre eingehende Rufnummer wird dann dem entsprechenden Namen zugeordnet. So mancher Anrufer ist daher verdutzt, gleich persönlich angesprochen zu werden. Die Konzertkarten sind begehrt, auch bei Laith Al-Deen, Annett Louisan oder Stefan Gwildis waren schnell 200 Karten unter die SR 1-Hörer gebracht. Heute hat eine Frau gewonnen, deren Mann sagt, sie sei ein großer Fan von Roachford. Als Marlon Wilhelm anruft, um die freudige Nachricht zu überbringen, kann sie mit dem Namen der Gruppe gar nichts anfangen. Sowas passiert selten, ist dann aber auch nicht zu ändern. So ist eben Radio, spontan, live und nicht immer planbar.

Manchmal werden die Gewinner auch ins Studio zu Colette und Thomas geschaltet. Die sind im Moment damit beschäftigt, den „Jamaica-Mix“, eine Zusammenstellung mit Zitaten zu dieser kuriosen schwarz-gelb-grünen Koalitionsvariante, abzuhören und eine passende Anmoderation vorzubereiten. Ein Techniker hat derweil die besten Pointen und markantesten Sprüche mitgeschnitten und zu einem Teaser, der am Ende der Morgenshow gesendet wird, zusammengestellt. Kurz nach Zehn beginnt die halbstündige Konferenz mit dem Morgenteam und Wellenchef Andreas Weber, einem Sounddesigner und einem Aktionsplaner, der für das entsprechende Marketing zuständig ist. Zeit, um mit Susanne Stahnke zu sprechen, die an den Sitzungen nicht teilnimmt. Ihre Philosophie und die ihrer News-Kollegen ist es, die Menschen im Saarland über alles zu informieren, was in der Nacht passiert ist. „Dazu gehören erklärende Interviews bei politischen Themen oder die Einordnung mitgeschnittener O-Töne aus dem Fernsehen. Komplexe Sachverhalte wollen wir dabei verständlich runterbrechen, dürfen aber auch unsere eigene Einschätzung der Situation geben.“ Um 13.00 und 18.00 Uhr werden im SR 1-Hintergrund die Themen vom News-Team ebenfalls vertiefend bearbeitet, was die Hörer sehr schätzen.

Viel gemacht in wenigen Jahren hat auch Florian Schumacher, der über Radio Salü zur jungen Welle UnserDing kam, wo er als Produzent und Systemtechniker arbeitet. Wenn er darüber hinaus bei SR 1 nicht die Stunde vor „Dryja und Rosch“ moderiert oder bei ihnen der Verkehrsmann ist, arbeitet er ebenfalls in freier Mitarbeit für SWR3 in Baden-Baden. Durch geschickte Terminplanung und verständnisvolle Professoren bleibt sogar noch etwas Zeit für das Studium der Informationstechnik an der Uni Saarbrücken. Im Bild: Florian Schumacher und der damalige Wellenchef Andreas Weber.

Auch bei Colette und Thomas sind die Rollen klar verteilt, zumindest in der Sendung. Rosch agiert als Macho, der gern mal baggert, für Autos, Fußball und andere Männerthemen schwärmt und Dryja bietet ihm gewitzt Paroli, lässt ihn zappeln und erklärt ihm gerne die Dinge zweimal. Sie ist auch die Promi-Expertin, kennt den neuesten Tratsch und Klatsch. Ein Glück, dass Colette für Schalke und Thomas für die Bayern schwärmt, so findet der Fußball auch in fast jeder Sendung statt. 

Das Erfolgsgeheimnis der Sendung ist für Colette Dryja schnell erzählt: „Wir haben das Gefühl, hier morgens auf eine gute Resonanz zu stoßen. Es gibt ein unheimliches Feedback zu uns ins Studio, weil sehr viel über Hörerbeteiligung läuft. Die Menschen haben das Profil der Sendung kapiert und machen spontan mit. Dabei ist im kleinen Saarland vielleicht alles noch ein bisschen herzlicher, weil jeder jeden kennt. So entsteht kein steriles Radioprodukt sondern eine Sendung, bei der man hoffentlich merkt, das sie von Menschen mit Herzblut gemacht wird.“ Dem kann auch Thomas Rosch nur zustimmen. „Wir müssen uns am Morgen nicht verbiegen, keine Rollen spielen sondern können ehrlich bleiben. Eine gute Basis ist sicher auch, dass wir uns privat gut verstehen, in viereinhalb Jahren gemeinsamer Sendung waren wir beide nie krank.“ 

Den ein oder anderen Spaß erlaubt sich Thomas auch gern mit den Redakteuren vom News-Team, allen voran Susanne Stahnke, der er einmal, als sie Nachrichten las, mit dem Feuerzeug ihr Blatt versenkte, was zum Abbruch dieses Programmteils führte. Ein anderes Mal machte er einen vermeintlich anzüglichen Witz, was Susanne Stahnke einen besorgten Anruf der SR-Frauenbeauftragten einbrachte, mit dem ernst gemeinten Hinweis, wenn sie sich von Herrn Rosch bedrängt fühle, solle sie ihr das mitteilen. Klar, dass das auch wieder Thema am nächsten Tag in der Sendung war. Komische Situationen gab es viele in der Sendung, erinnert sich Colette. „Es kommt immer mal wieder vor, dass wir keine Regler mehr bedienen können, weil wir vor Lachen auf dem Boden liegen.“

Viel Spaß machte beiden auch die SR 1-FreiTag-Aktion, als sie für jeweils einen Tag Aufgaben von SR 1-Hörern in deren jeweiligen Berufen übernahmen. Ob beim Blut abzapfen, im Motorradladen, oder beim Friseur - stets wurde im Radio darüber berichtet. Als Colette einmal für drei Wochen im Urlaub war, suchten sie unter den SR 1-Hörern nach einer Vertretung. Eine Kindergärtnerin meldete sich spontan und moderierte mit. Irgendwann haben die Kinder ein Lied aufgenommen, dass sie ihre Erzieherin vermissen. Radio transportiert auch Emotionen, keine Frage. 

Colette stammt aus NRW und kam über Radio Kiepenkerl und Radio Wuppertal, wo sie während ihres Publizistikstudiums in Münster moderierte, im Oktober 1999 auf den Halberg. Ihre erste reguläre Sendung war die Moderation der „Milleniums-Nacht“ gemeinsam mit Dieter Exter. Thomas sammelte erste Radioerfahrungen beim Offenen Kanal im Saarland, ging danach bei Sendestart zu Radio Salü, wo er bis 1994 blieb, ehe er zum SR wechselte. Nach einem kurzen Abstecher zu delta radio in Kiel kam Rosch zu SR 1 zurück. Jetzt rettet er gemeinsam mit Colette den Morgen. Bleibt für die Hörer zu hoffen, dass sie dies noch lange tun. 

Stefan Förster
Fotos: © SR / Stefan Förster
www.sr1.de

Aus RADIOJournal 12/2005

• Andreas Weber ist seit 1. Juni 2006 Wellenleiter von hr1 - Das Radio Magazin. Neuer Chef von SR 1 und UnserDing wurde zum 1. August 2006 Christian Langhorst, vorher Wellenchef von Bremen Vier. SR 1-Morningshow-Moderatorin Colette Dryja nahm Abschied vom Saarland und damit von ihrem langjährigen Partner Thomas Rosch. Am Freitag, 7. April 2006 moderierten sie zum letzten Mal zusammen "Saarlands Radioshow am Morgen". Nachfolger im SR 1 Studio wurde Daniel Simarro. Zum 1. Januar 2007 wurde das Programm unter dem Motto "SR 1-Europawelle - ganz großes Radio" umgestaltet. Die neue Frühschiene mit abwechselndem Moderatorenduo nennt sich jetzt »Der Morgen im Saarland«. Thomas Rosch moderiert jetzt am Vormittag die Sendung »Kollege Rosch«, und Daniel Simarro bekam mit »Hallo Saarland« seine eigene Strecke am Nachmittag. Neu um 17.00 Uhr ist die Info-Sendung »Stand der Dinge« mit einer informativen Zusammenfassung der Tagesereignisse.