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»Eine zuverlässige und unparteiische Informations-quelle« - Der Sender des Papstes wurde 75

Beim Angelusgebet gratulierte der Papst Radio Vatikan zum 75. Geburtstag. Benedikt erinnerte an die erste Radioansprache von Pius XI. über den Vatikansender am 12. Februar vor einem Dreivierteljahrhundert. „Dank Radio und Fernsehen haben das Evangelium und die Worte der Päpste schneller Menschen in aller Welt erreicht.“ 

Pius XI. hielt seine erste Radioansprache auf Latein. In den kommenden Jahren wurde Radio Vatikan zu einem mehrsprachigen Sender für kirchliche Nachrichten ausgebaut. Während des Zweiten Weltkriegs sendete der Vatikanfunk zusätzlich Suchmeldungen. Von knapp 20 Sprachen im Jahr 1948 weitete das Programm sich auf mittlerweile über 40 Sprachen aus.

Ältester Sender der Welt

Radio Vatikan ist zusammen mit der BBC der älteste Sender der Welt. Am 12. Februar 1931 ging die Stimme des Papstes erstmals über den Äther. Heute sendet Radio Vatikan Programme in über 45 Sprachen. 400 Angestellte arbeiten im Sender. Das ist ein Zehntel der gesamten Vatikan-Belegschaft. Der Sender ist, salopp gesagt, der größte Staatsfunk der Welt: er hat so viele Angestellte, wie der Staat Einwohner hat. Pater Federico Lombardi, Generaldirektor von Radio Vatikan: „In diesem Gebäude arbeiten Menschen aus 60 Nationen. Unsere Stimmen sind der Spiegel des Reichtums und der Verschiedenheit der Kirche auf der Welt. Damit entspricht Radio Vatikan dem Auftrag der Kirche, zu allen Völkern und Nationen zu sprechen.“

Deutschsprachige Redaktion (ältere Aufnahme)

Perspektive des Friedens und der Gerechtigkeit

In überwiegendem Maße bietet Radio Vatikan in allen seinen Sprachen heute ein Informationsprogramm. Italienische Hörer schätzen das besonders: in der hiesigen Medienlandschaft, die von Berlusconi-freundlicher Berichterstattung auf allen Kanälen dominiert wird, gilt ausgerechnet der Papstsender als zuverlässigste, und unparteiische Informationsquelle. 

Dieses erfreuliche Image gilt weltweit, sagt Pater Lombardi. „Radio Vatikan bemüht sich, über den Parteien zu stehen, um dem Wohl der menschlichen Person zu dienen. Die Programme wahren immer eine Perspektive des Friedens und der Gerechtigkeit. Nicht dem Interesse von wem auch immer zu gehorchen – das ist für uns fundamental. Und es ist Folge der evangelischen Inspiration, die uns beseelt.“

Wichtiges Zielgebiet: Europa

Pater Andreas Koprowski, seit November 2005 Programmdirektor von Radio Vatikan, arbeitete zuvor bereits seit zwei Jahren an der Seite von Pater Lombardi. Er hält nicht den Moment für gekommen, viel zu ändern und schrieb im aktuellen Programmheft des Senders: „In den letzten 15 Jahren hat RV große Entwicklungen und Änderungen durchgemacht – zum einen folgen sie Änderungen der katholischen Kirche in der Welt, zum anderen sind es technologische Änderungen. Während sich nun auf den anderen Kontinenten die Kirche stark weiterentwickelt, bleibt sie in Europa statisch. Insofern ist unser Programm im Radio sehr europazentriert. Das ist die Folge historischer Umstände. Hier müssen wir auf Gleichgewicht achten.“

Auf die Frage, ob die deutschsprachige Sektion noch wichtig ist, antwortete Pater Koprowski: „Gerade in den Ländern deutscher Sprache sieht sich das Christentum mit der Postmoderne konfrontriert. Mir scheint, dass das Pontifikat Benedikt XVI. einiges dazu beitragen könnte, hier Vorurteile abzubauen.“

Nur wenige Sender übernehmen Programm

Das Zielgebiet der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan ist Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol, Elsaß, Ostbelgien, die Niederlande und Schlesien. Die Leitung hat seit 1. September 1982 der Journalist Pater Eberhard von Gemmingen. Vorher war er zwei Jahre lang Beauftragter der katholischen Kirche beim ZDF.

Seine Vision ist ein katholisches Radio für den ganzen deutschen Sprachraum nach dem Vorbild des Evangeliums-Rundfunks in Wetzlar: „Freilich erreicht man durch ein katholisches Radio hauptsächlich Menschen, die mit der Kirche verbunden sind. Aber brauchen nicht gerade auch sie qualifizierte Information, Beratung, Lebenshilfe, Bildung und Kultur. Und fänden nicht aufmerksame kirchendistanzierte Zeitgenossen ein Programm der Kirche attraktiver als manches, was man sonst wo hört?“

In Deutschland, Österreich und der Schweiz übernehmen nur wenige örtliche Radiosender das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan. Hier werden die Sendungen aus Rom von Radio Horeb und domradio ausgestrahlt; in Wien ist es Radio Stephansdom und in Südtirol Radio Grüne Welle. Ansonsten kann man Radio Vatikan über Satellit, Mittel- und Kurzwelle empfangen. Die tägliche 15-minütige Nachrichtensendung wird auch im DRM-Modus (Digital Radio Mondiale) angeboten.

Kommunikationsinstrument der Kirche

Radio Vatikan ist der „Sender des Papstes“ und hat den Auftrag: 

  • die Lehre der katholischen Kirche zu verbreiten
  • über die Tätigkeiten des Vatikans zu berichten
  • das Leben der Katholiken in aller Welt widerzuspiegeln
  • Fragen der Zeit aus dem Glauben zu beantworten

Die Sendungen richten sich in erster Linie an Katholiken, sie sollen aber ebenso von Andersgläubigen gehört und verstanden werden. Radio Vatikan versteht sich nicht als Missionssender, sondern vielmehr als Kommunikationsinstrument der Kirche, damit die Kircheneinheit gestärkt und bewahrt wird. 

Von den Aktivitäten des Papstes und des Vatikans werden nur diejenigen gemeldet, die für das deutschsprachige Publikum interessant und von Bedeutung sind. Daneben spielen das Leben der Weltkirche, ihre Fragen, Probleme und Erfolge eine große Rolle. Wichtige Vorgänge in den anderen Konfessionen und Religionen sind ebenfalls Themen von Radio Vatikan. Der Sender des Papstes will einen Beitrag leisten für die Verständigung zwischen Menschen, Konfessionen, Religionen und Völker. Zu seinen Zielen gehört der Schutz der Menschenrechte, der Religionsfreiheit sowie Versöhnung, Verständigung, Frieden und Gerechtigkeit. In der Gewichtung der Bereiche und der Programmgestaltung sind die einzelnen Sprachabteilungen eigenverantwortlich.

Mitarbeitende der deutschsprachigen Redaktion (von links): Bettina Gabbe, Ludwig Waldmüller, Aldo Parmeggiani, Gudrun Sailer, Stefan von Kempis, Birgit Pottler, Hilde Regeniter, Pater Eberhard von Gemmingen und Sr. Hilliganda Rensing.

Insgesamt 47 Sprachen

Die Programmdirektion ist aufgegliedert in rund 35 Sprachredaktionen, die je nach Sendezeit zwischen drei und sechs Mitglieder haben. Insgesamt sendet Radio Vatikan aber in 47 Sprachen. Die Sprachabteilungen haben pro Tag rund 30 Minuten Sendezeit, die mitunter mehrfach ausgestrahlt werden. Der Inhalt der täglichen Programme unterscheidet sich von Sprache zu Sprache stark, da die Zusammensetzung und die Erwartung des Publikums sehr unterschiedlich sind. Neben den Sprachprogrammen gibt es Nachrichtendienste in Englisch, Französisch und Italienisch, die mehrmals täglich Magazinsendungen ausstrahlen. Radio Vatikan strahlt auch Gottesdienste und Gebetssendungen aus. Außerdem gibt es Musiksendungen, die über UKW in Rom auf 93,3 MHz sowie im Internet weltweit zu hören sind.

Große Sendeanlage

Radio Vatikan begann mit einem Kurzwellensender von 15 Kilowatt auf der Spitze des Vatikanhügels, der damals schon in aller Welt gehört werden konnte. Bis 1957 waren alle weiteren Antennen ebenfalls hinter den vatikanischen Mauern, bis sich herausstellte, dass man für die weltweite Ausstrahlung der Programme eine große Sendeanlage mit hohen Masten benötigt. Daher wurden auf einem landwirtschaftlichen Gelände von über 400 Hektar rund 25 Kilometer von Rom entfernt, das dem Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom gehörte, die Sendestation Santa Maria di Galeria mit großen Antennen aufgebaut. Mit den Kurzwellensendern sind alle Teile der Welt erreichbar, die Mittelwellenprogramme sind bei Einbruch der Dunkelheit in fast ganz Europa zu hören. Auf Grund der sehr strengen Elektrosmogverordnungen in Italien wurde zum 1. Oktober 2005 die Ausstrahlung eines Teils der Mittelwellensendungen auf eine Sendeanlage von Radio Monte Carlo verlagert.

Zukunft Rebroadcasting

Auf dem Gelände des Vatikans stehen die UKW-Sender sowie weiterer Mittel- und Kurzwellensender mit Leistungen zwischen fünf und 80 Kilowatt. 1994 wurde eine Erdstation für Satelliten-Ausstrahlung mit zwei Parabolantennen errichtet, mit deren Hilfe die Programme auf zwei Satelliten über dem Atlantik und dem Indischen Ozean ausgestrahlt werden können. Die Satellitenübertragung ist hauptsächlich für Wiederausstrahlung der Sendungen durch andere Rundfunkstationen bestimmt. Vor allem Sender in Lateinamerika übernehmen das Programm; in Europa sind es Italien, Polen und Frankreich. Das „Rebroadcasting“ ist die Zukunft für Radio Vatikan. Alle Sendungen sind live und „auf Abruf“ im Internet zu hören.

Die Redaktionen und die meiste Technik befinden sich im Palazzo Pio nahe der Engelsburg in Rom. Hier gibt es zwölf Tonstudios, in denen die Redaktionen ihre Programme mit Hilfe eines Technikers aufzeichnen oder live ausstrahlen. Die meisten Sendungen werden bei Radio Vatikan seit Anfang 2000 in digitalen Studios aufgezeichnet bzw. aus diesen live gesendet.

Bild ganz oben: Ludwig Waldmüller übergibt Papst Benedikt die ersten zwei Bücher der Edition Radio Vatikan. Waldmüller verließ am 31. Dezember 2005 den Sender und kehrte in seine Diözese zurück.

Fotos: © Radio Vatikan
www.radiovaticana.de

Aus RADIOJournal 3/2006

Eberhard von Gemmingen
verlässt Radio Vatikan nach 27 Jahren. Fast drei Jahrzehnte an der Spitze der deutschsprachigen Abteilung des päpstlichen Senders hat der 73-Jährige seine Arbeit vor kurzem beendet. Von Gemmingen zählt zu den prominentesten Vatikanbeobachtern des deutschsprachigen Raums. Einem breiten Publikum ist der Jesuit durch seine häufigen Fernsehauftritte bekannt. So kommentierte er wichtige kirchliche Ereignisse wie den Weltjugendtag 2005 in Köln und die Bayern-Reise von Papst Benedikt XVI. Von Gemmingen wurde 1936 im badischen Bad Rappenau geboren. 1957 trat er in den Jesuitenorden ein und studierte anschließend in Innsbruck, Tübingen und Pullach Theologie und Philosophie. 1968 wurde er vom Münchener Kardinal Julius Döpfner zum Priester geweiht. Neben seinem sozial- und entwicklungspolitischen Engagement übernahm er in den folgenden Jahren verschiedene Funktionen innerhalb seines Ordens. 1980 berief ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum katholischen Fernsehbeauftragten beim ZDF. Zwei Jahre später ging von Gemmingen als Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan nach Rom. 2010 wechselt er nach München, um von Pater Eugen Hillengass die Spendenzentrale seines Ordens zu übernehmen. Dort ist auch der Sitz der Benedictus-Stiftung, die von Gemmingen mitbegründet hat.

Bernd Hagenkord
wird zum 1. November neuer Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan. Der 40-Jährige ist Nachfolger von Eberhard von Gemmingen, der eine neue Aufgabe in seinem Orden übernehmen wird. Hagenkord wurde 1968 in Hamm (Westfalen) geboren. Er studierte Geschichte und Journalismus in Gießen und Hamburg, sowie Philosophie und Theologie in München und London und wurde 2002 zum Priester geweiht. Von 2002 bis 2008 arbeitete er als Jugendseelsorger in Hamburg. (RADIOJournal 9/2009)