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Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

Lehrreich und spannend:
Mein Praktikum bei Radio Vatikan

Als ich am 1. März dieses Jahres verschlafen aus dem Nachtzug München-Rom stieg, war mir noch nicht klar, was mich erwarten würde. Ich wusste nur: Ich befand mich in der ewigen Stadt, die im Jahr 2000 auf Grund des Heiligen Jahres besonders herausgeputzt war. Weiterhin wollte ich - neben Sprache und Kultur der Italiener kennenzulernen - vor allem etwas über den „Privatsender des Papstes” erfahren. Bei Radio Vatikan würde ich die nächsten vier Wochen des Frühlingsmonats als Praktikantin zubringen. Ob mich nun ein hundertprozentig katholischer und konservativer Sender erwarten würde (das waren, zugegeben, meine Befürchtungen) oder ob sich die nächsten Wochen aus guter Journalistenarbeit, viel Lebensfreude und gelebter Religion zusammensetzen, das sollte ich bald herausfinden.

Glücklicherweise wurde ich von einem Arbeitsklima empfangen, das dem letzteren Punkt vollkommen entsprach. Ein Team voller Elan und journalistischer Einsatzbereitschaft empfing mich und warf mich kopfüber in die verschiedenen kalten Wasser des Berufsfelds Radioredakteur, frei nach dem Motto „learning by doing”.

Die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan umfasst fünf Redaktionsstellen. Hinzu kommen zwei Redakteure, die auf Stundenbasis arbeiten. Jede Abteilung der 40 verschiedenen Sprachen, die alle von einem Gebäude aus senden, wird von einem Jesuiten geleitet. Im Fall der deutschen Abteilung ist dies Pater Eberhard von Gemmingen, dessen Humor und Einfühlungsvermögen ein angenehmes Arbeitsklima ermöglichen.

Das Programm der deutschen Abteilung von Radio Vatikan setzt sich aus drei Säulen zusammen: Die »Aktuelle Berichterstattung« - welche mit Nachrichten, Berichten und Kommentaren die Hauptarbeitsquelle der Redakteure darstellt - wird bereichert durch die »Sendungen zur Fortbildung«. Darin werden vor allem Ausschnitte der Bereiche Theologie, Kirche, Ethik, Geschichte, Bibelwissenschaften, aber auch sakrale Kunst oder Musik zu Beiträgen im Sinne der Fortbildung geschmiedet.

Der dritte Teil des Programms besteht aus »Sendungen zur Religiös-Geistlichen Vertiefung«, die auch je nach Jahreszeit und Zeitpunkt im Kirchenjahr eine unterschiedliche Gewichtung erhalten. Mein Praktikum lag zeitlich genau in der Fastenzeit; in diesen vier Wochen wurden häufig Fastenexerzitien gesandt, die meditativen Charakter hatten und zum Nachdenken anregten.

Die tägliche Nachrichtensendung wird von 16.00 bis 16.15 Uhr ausgestrahlt. Dabei werden Nachrichten berüchsichtigt, die auf variable Weisen in Zusammenhang mit der katholischen Kirche stehen. Doch wer sich darunter langweilige Meldungen und keinerlei Weltinformation vorstellt, der hat sich getäuscht. Von Sektenschicksalen bis hin zu neuen Verlautbarungen von amnesty international sind Informationen zu erfahren. Außerdem berichtet Radio Vatikan über vieles, was sonst in keiner „normalen” Nachrichtensendung mitgeteilt wird.

Die Hauptsendungen (um 20.20 Uhr abends und 6.20 Uhr am nächsten Morgen zu hören) setzen sich aus unterschiedlichen Themen zusammen. Die Spannbreite reicht vom Weltkirchenmagazin am Montag über die Radio-Akademie und das Kreuzfeuer-/Jugendmagazin bis hin zum Wochenkommentar und der Sonntagsbetrachtung.

Keine Rede also vom „eintönigen Papstsender”. Und damit wäre ich bei einem der gängigsten Vorurteile angekommen. Zugegebenermaßen muss man über die deutschen Sendezeiten informiert sein, um die Informationsquelle Radio Vatikan nutzen zu können. Die deutsche Abteilung beweist, dass es kein Widerspruch sein muss, papsttreu zu sein und trotzdem kritische Töne anklingen zu lassen und Dinge zu hinterfragen.

Auch bei den Journalisten selbst stellt die Zugehörigkeit zu einer anderen als der katholischen Glaubensrichtung keinen Hinderungsgrund bezüglich einer Anstellung dar, obwohl natürlich die Macht des Papstes anerkannt und die katholische Kirche respektiert werden sollte.

Alles in Allem kann ich sagen, einen sehr schönen und lehrreichen Monat in Rom verbracht zu haben. Es war spannend einen Sender kennenzulernen, der geheimnisvolle Gerüchte um sich zieht und dem viel Einfluss in der Öffentlichkeitsarbeit des Vatikan nachgesagt wird. Der Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit ist richtig, doch das „Geheimnisumwobene” hat sich letztendlich als realistisch und lebensnah entpuppt. Ich denke, Sie werden es nicht bereuen eine der deutschen Sendungen von Radio Vatikan zu hören und sich auf diese Weise über ganz andere Bereiche zu informieren.

Elisabeth Gsell
Fotos: © Elisabeth Gsell; Radio Vatikan
www.radiovaticana.de

Aus RADIOJournal 8/2000