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Deutsches aus London: BBC

Wer an London denkt - denkt zuerst an Nebel und Nieselregen. Liest in den Klatschspalten der zahlreichen Magazine über die Königsfamilie, erinnert sich an die Beatles und hört vielleicht Heartbeat. Wer erinnert sich aber an den Deutschen Dienst der BBC? Am 27. September 1993 feierte die Abteilung ihren 55. Geburtstag.

Begonnen hat es am 27. September 1938. In Deutschland neigt sich der Sommer, das Wetter wolkig bis heiter, teils Regen. Die Truppen Hitlers sind am 12. März in Österreich einmarschiert und er selbst hält am 12. September seine Abschlussrede auf dem Reichsparteitag. Es geht um die Sudetenfrage.

Englands Premier Neville Chamberlain fliegt am 15. September nach Salzburg um mit Hitler zu verhandeln. Der will aber den Anschluss an das Großreich. Chamberlain beschließt, die deutsche und italienische Bevölkerung über die akute Kriegsgefahr in Europa zu informieren.

Im Sendeprotokoll des Empire Programme, Transmission IV, vom 27. September 1938 steht: 6.58 p.m. BOW Bells (Schleife Big Ben), 7.00 p.m. Regional Programme - Prime Minister Speech, 7.08 p.m. German News - Special News Bulletin and translation of Prime Minister Speech.

Im Sendestudio saß Ansager Walter Goetz und verlas die Rede. Mit diesen Worten Chamberlains begann die erste Sendung der BBC in deutscher Sprache: „Ich gebe die Hoffnung auf eine friedliche Lösung nicht auf und stelle meine Bemühungen um den Frieden nicht ein, solange noch eine Aussicht auf Frieden besteht". Die Rede endete mit den Worten: „...unter einer solchen Herrschaft würde für Menschen, die an Freiheit glauben, das Leben nicht mehr lebenswert sein". Unmittelbar folgte eine kurze Nachrichtensendung, eingeleitet durch die Worte: „Hier spricht London".

Am 1. Oktober 1938 marschierten die deutschen Truppen ins Sudetenland ein. Die täglichen Sendungen werden von der BBC fortgesetzt. Ab Januar 1939 werktags zwischen sieben und acht Uhr abends und zusätzlich um 10.45 Uhr. Sonntags kommt die deutsche Sendung zwischen 6.00 und 6.45 abends. Schon im April 1939 betrug die wöchentliche Sendezeit fast fünfeinhalb Stunden. Die deutsche Sendung wurde nun als eigenständiger Auslandsdienst der BBC eingerichtet. Erster Leiter wird Sir Hugh C. Greene. Im Frühjahr 1941 zieht man ins „Bush House" um. Heute noch Sitz aller Fremdsprachenprogramme.

Das berühmte Sendezeichen Bum-Bum-Bum-Bom - der erste Akkord aus Beethovens 5. Sinfonie - wurde auf einer dumpfen afrikanischen Trommel geschlagen.

In den Kriegsjahren wurde das Morsezeichen „V - Victory" zum Symbol des Widerstandes und der Hoffnung in Europa. Auch nach dem Krieg 1945 setzte die BBC ihre deutschen Sendungen bis zum heutigen Tage fort. Der Deutsche Dienst sollte jetzt eine Brücke zwischen Briten und Deutschen sein, eine Brücke der Freundschaft und Verständigung. Es gab eine Zeitfunk-Sendung, den „Jazz mit Joe" und das beliebte Programm „Lernt Englisch im Londoner Rundfunk".

Der Deutsche Dienst der BBC geht 18 Stunden auf Satellit: die Programmverantwortlichen (von links): Guntram Kremer, Eckhard Berkenbusch, Hans Staiger und Ute Wietfeld im neuen Studiokomplex (September 1992). Bild ganz oben: BBC-Korrespondent Eckhard Berkenbusch vom Deutschen Dienst vor dem Buckingham Palace.

Heute [1993] sendet man in vier Blöcken ein Deutsches Programm. Gesamtlänge täglich: 195 Minuten. Siebenmal gibt es - vom frühen Morgen bis zum Abend - Weltnachrichten, daneben Magazin-Sendungen, Tips für Touristen, Postfach London, Sendung für DXer, aktuelle Features und natürlich Pop und Rock aus London. Objektiv und informativ sind die Programme der BBC noch heute - so wie man 1939 begann.

Daneben gibt es den BBC World Service (BBCWS) in 38 Sprachen. Rund um die Uhr und rund um die Welt wird das englische Programm ausgestrahlt. Es ist überall gut hörbar, dank starker Sender und Relaisstationen in Singapore, Hongkong, Zypern, Seychellen, USA, Ascension Islands, Masirah und Antigua.  

Das deutsche Programm wurde - neben UKW Berlin, Mittel- und Kurzwelle - auch über Satellit übertragen. Immer gut hörbar war es via Mittelwelle 648 kHz aus Orfordness. Ende März 1999 wurde der Deutsche Dienst der BBC London, kurz nach seinem 60-jährigen Jubiläum, eingestellt.

Peter Schneider
Fotos: © BBC
www.bbc.co.uk

Aus RADIOJournal 9/1993

• Ab 1. April 1991 strahlt der Deutsche Dienst der BBC London zusätzlich um 12.45 Uhr Weltnachrichten aus. Anschließend folgt von Montag bis Freitag 12.50 bis 13.00 Uhr das »Mittagsmagazin« mit Hintergrundberichten zum Weltgeschehen. (Radio-Skala 4/1991)

BBC for Europe sendet auf Englisch, Deutsch und Französisch ein 24-Stunden-Programm mit Nachrichten und Informationen aus den Studios des BBC World Service in London. World News und BBC Infos halten die Hörer ständig auf dem Laufenden, ergänzt durch Meldungen vom Sport, Nachrichten aus der Finanzwelt und einem Wetter- und Reiseservice für Frankreich, Deutschland und die Benelux-Länder. BBC Europe wird auf Mittelwelle 648 kHz, in Berlin auf 90,2 MHz und Intelsat zur Wiederausstrahlung durch Lokalsender und Einspeisung in Kabelnetze ausgestrahlt. (Radio-Skala 6/1991)

»Europe Today« ist eine Sendung, in der Europas Politiker sagen, was sie denken. Weil das Programm soviel Zuspruch findet, hat der BBC World Service ab 29. März eine zusätzliche Morgenausgabe eingeführt: täglich um 7.30 Uhr auf Mittelwelle 648 kHz. Die Frühausgabe um 6.30 Uhr auf Langwelle 198 kHz (Radio 4) und die Abendausgabe um 21.30 Uhr auf 648 kHz bleiben unverändert. (RADIOJournal 6/1993)

• BBC for Europe hat die einstündigen Französischsendungen für Westeuropa aufgegeben. Über 40 Jahre wurden die täglichen Programme auf 648 kHz und Kurzwelle ausgestrahlt. Die Einstellung dieser Traditionssendungen wird mit den veränderten Empfangsgewohnheiten der Hörer begründet. Der Londoner Auslandsrundfunk setzt eher auf die fortgeschrittene Technologie und versucht, über seinen seit Oktober letzten Jahres bestehenden Satellitendienst, den Franzosen britisches Leben näher zu bringen. Die Beiträge mit englischer und französischer Musik sowie Informationen zwischendurch werden über bisher 73 UKW-Stationen des Ziellandes verbreitet. (RADIOJournal 8/1993)

• Die BBC wird auch weiterhin rund um die Uhr mit ihrem deutsch- und englischsprachigen Programm auf 90,2 MHz in Berlin und Brandenburg zu hören sein. Michael Kaye, Leiter des Deutschen Dienstes der BBC, kündigte einschneidende Änderungen beim BBC-Büro am Savigny-Platz an: BBC-Korrespondent Oliver Rehlinger bekommt Verstärkung durch weitere Redakteure des Deutschen Dienstes, die vermehrt aus der Hauptstadt und Umgebung berichten werden. Im Spätherbst wird dann der neue Studiokomplex fertiggestellt, der als einer der Kernpunkte der bi-medialen Berichterstattung von BBC World Service und Television gedacht ist. (RADIOJournal 9/1993)

• Am 9. November 1994 öffnete das Berliner Büro des BBC World Service nachmittags seine Türen für Besucher. Über 500 BBC-Fans nahmen die Gelegenheit wahr, sich in den Räumen und im Studio am Savignyplatz umzuschauen und Informationsmaterial über die BBC mitzunehmen. BBC-Korrespondent Mike Linstead und sein Team, die ständig in Berlin und Umgebung im Einsatz sind, bekamen Verstärkung von Kollegen aus London, damit die für den Tag geplanten Sonderprogrammteile und die Betreuung des Besucherstroms reibungslos abliefen. Viele trugen sich in das Gästebuch ein - die Kommentare reflektieren eindeutig die Begeisterung der Hörer über die Tatsache, dass die BBC weiterhin auf der UKW-Frequenz 90,2 MHz zu hören ist und dass sich das international ausgerichtete Programm des Senders wohltuend vom "Dudelfunk" abhebt. Aufgrund der starken Resonanz plant die BBC schon einen weiteren "Tag der offenen Tür": 1995 kann man im BBC-Büro am Savignyplatz auch "50 Jahre BBC Präsenz in Berlin" feiern. (RADIOJournal 1/1995)

• Im März 1996 wurde erstmals das BBC-Morgenmagazin des Deutschen Dienstes »Heute Aktuell« von einer österreichischen Präsentatorin moderiert. Gemeinsam mit dem Londoner BBC-Morgenmoderator wird die langjährige Großbritannien-Korrespondentin des ORF, Brigitte Fuchs, »Heute Aktuell« einmal monatlich ko-moderieren. Ereignisse aus Politik, Wirtschaft und Kultur aus Österreich und dem benachbarten Ausland des ost- und südosteuropäischen Raumes sollen ihren fixen Platz in dieser Frühsendung erhalten. Neben dem BBC-Magazin aus London und Berlin wird voraussichtlich ab Herbst einmal wöchentlich »Heute Aktuell« auch aus London und Wien gesendet. Die Ö1-Kulturredaktion wird für den Österreich-Akzent im BBC-Kulturmagazin »Metropolis« sorgen. Blue Danube Radio (BDR) kooperiert seit 1979 mit allen Abteilungen der BBC. Die Schwerpunkte liegen im Bereich Nachrichten, Feature, Magazin, Hörspiel und Musik. Österreich 1 und die BBC arbeiten speziell im Bereich E-Musik eng zusammen. (RADIOJournal 4/1996)

• 75 Jahre BBC: Am 18. Oktober 1997 feierte die BBC ihren 75. Geburtstag. Im November 1922 erklangen die ersten Töne aus den Lautsprechern einiger weniger Radiogeräte - ab Mitte November 1922 sendete die neue Firma British Broadcasting Company (vier Mitarbeiter) zum ersten Male. Die Hörer hatten keine Vorstellung davon, was sie von dem neuen Medium erwarten konnten, doch John Reith, der als autoritärer und visionärer Generaldirektor die Zügel der BBC fest in die Hand nahm, hielt Rundfunk für ein „Instrument, das für das politische und soziale Leben unserer Gesellschaft von noch nicht abzusehender Bedeutung sein wird”. Weitere Meilensteine auf dem Weg der BBC: 1932 wurde der BBC World Service eingerichtet, damals unter dem Namen »Empire Service«, der heute über 143 Millionen Hörer in aller Welt erreicht; im September 1938 war die Geburtsstunde des Deutschen Dienstes der BBC, der nunmehr seit fast 60 Jahren täglich live aus London über das Weltgeschehen berichtet. In einer Sondersendung am 18. Oktober 1997 führte Hans-Ulrich Pietsch durch 75 Jahre BBC - von den früheren Experimenten mit Cello und Nachtigall im Wald bis zum Medienkonzern, der ein Millionen-Publikum in aller Welt per Radio, Fernsehen und Internet versorgt. (RADIOJournal 11/1997)
Foto: QSL-Karte

Der deutsche Dienst der BBC soll Ende März eingestellt werden. Dadurch werden 1,1 Millionen Pfund und 29 Stellen eingespart. Bei einer Hörerbefragung unter deutschen Meinungsträgern in Berlin, die man als wichtigste Hörer ansieht, stellte man fest, dass 90 Prozent von ihnen ausreichend Sprachkenntisse haben, um auch den englischen World Service zu verstehen. Man gebe Deutschland nicht als Zielgebiet auf, sondern nur die deutsche Sprache. Eingesparte Mittel werden für verstärkte Nutzung des Internets verwendet. Am 10. Februar hieß es bei der Verabschiedung „Hören Sie uns noch einmal, solange es uns noch gibt". 
(RADIOJournal 3/1999)

• Berlin: BBC dauerhaft: Auch nach der geplanten Einstellung des Deutschen Dienstes bleibt der BBC World Service weiterhin in Berlin/Brandenburg terrestrisch präsent. Die Abstrahlung erfolgt via Berlin (Olympiastadion) mit 50 kW. (RADIOJournal 4/1999)

• James Blades, der Schlagzeuger des BBC-Erkennungssignals im Zweiten Weltkrieg, ist im Alter von 97 Jahren in seinem Haus in Cheam gestorben. Die Töne hatte er auf einer afrikanischen Trommel geschlagen, die er für wenig Geld in einem Kramladen kaufte. Mit vier dumpfen Trommelschlägen kündigte die BBC seinerzeit den Beginn der Nachrichtensendungen für das besetzte Europa an. James Blades war immer stolz auf diese Schläge, die an Beethovens Fünfte Sinfonie erinnerten und den Morse-Code für V wie „Victory” wiedergaben. (RADIOJournal 7/1999)