Best of Story
Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

10 Jahre Musik und Infos für Bayerns Süden -
Radio Oberland feiert Geburtstag

Marienplatz 17, Garmisch-Partenkirchen. In einem schmucken, zentral gelegenen Gebäude - mitten in dem berühmten Wintersportort - residiert seit nunmehr zehn Jahren der lokale Radiosender für die Landkreise Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau. Radio Oberland ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie man mit kleinem Budget und einer engagierten Mannschaft ein hörenswertes und kostendeckendes Programm für eine Region gestalten kann. 

„Die Geschichte von lokalem Radio in Garmisch-Partenkirchen reicht schon bald 15 Jahre zurück“, erzählt Geschäftsführer Dr. Peter Samstag, der heute hauptberuflich als Anwalt tätig ist und seine Aufgabe beim Radio „nebenbei“ mitmacht. 1987 fing alles mit einem Betriebsversuch zur Erprobung des lokalen Rundfunks in Garmisch an: „Gemeinsam mit der Drachenfluglegende Mike Harker und zwei weiteren Mitstreitern haben wir uns um die Technik von M1 München bemüht, das gerade in Konkurs gegangen war und damals auch schon die später bekannten ANTENNE BAYERN-Größen Stephan Lehmann und Stephan Parrisius hervorbrachte. Dann bauten wir die Technik hier auf; als provisorische Redaktion standen Biertische in den Räumen und damit sich der Versuch auch refinanzieren ließ, haben wir unsere Ehefrauen losgeschickt, um Werbung zu akquirieren.“ Peter Samstag muss heute lachen, wenn er an diese Zeit zurückdenkt.

FunkhausFür genau drei Wochen war der Rundfunkversuch ausgelegt. Eine Woche konnte dann nochmal verlängert werden, um wenigstens über Weihnachten zu kommen, und an Neujahr war schon wieder alles zu Ende. Die enttäuschten Reaktionen der Hörer zeigten den Machern aber auch, dass ihre Idee eines lokalen Radios richtig gewesen war. Die Betriebskosten konnten durch Werbeerlöse gedeckt werden. Somit war selbst unter schwierigen Bedingungen ein wirtschaftliches Arbeiten möglich gewesen. Nicht gerechnet hatte man allerdings damit, dass auf der M1-Technik von Studer noch ein Eigentumsvorbehalt lastete, der abgelöst werden musste. Wie auch immer. Die Lust am Radio machen war geweckt.

Die Bayerische Landesmedienanstalt (BLM) schrieb eine Lizenz für das gesamte Oberland bestehend aus den vier Landkreisen Weilheim/Schongau, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach und Bad Tölz/Wolfratshausen aus. Ursprünglich wollte man für jeden Landkreis ein eigenes Lokalradio einrichten, was aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht gut gegangen wäre. Schließlich wurden 18 (!) verschiedene Gesellschafter – von Zeitungen bis hin zu Privatpersonen – zugelassen, die sich auf die Veranstaltung eines einheitlichen Programms verständigen sollten. Dazu kam es nie. Stattdessen überzogen sich die Gesellschafter untereinander sowie mit der Kabelgesellschaft Oberland mit Gerichtsprozessen. 

„Der Einzige, dem das wohl gefallen konnte, war ich als Anwalt“ scherzt Peter Samstag, schließlich setzte er damals unzählige Vertragsentwürfe auf, die alle nur Makulatur waren. Folglich kam es nie zur Gründung einer Gesellschaft. Alle 18 Lizenzen wurden widerrufen und einige Bewerber, wie der Süddeutsche Zeitungsverlag und der Keller-Verlag, hatten ihr Interesse am Lokalradio schnell verloren. Ein Agreement mit dem Oschmann-Verlag sorgte zusätzlich dafür, dass sich die Einflussbereiche der Großgesellschafter in Nord- und Südbayern aufteilten.

Dr. Peter SamstagNeuer Anfang

Für die Landkreise Miesbach und Bad Tölz/Wolfratshausen bekam Radio Alpenwelle den Zuschlag, für Weilheim/Schongau und Garmisch-Partenkirchen gab es nur noch zwei Bewerber: Lokale Gesellschafter um Dr. Peter Samstag und den Zeitungsverlag Oberbayern. Zwischen beiden Gruppen gelang eine schnelle Einigung. Dr. Gerd Waldenmaier vom Zeitungsverlag ist der zweite Geschäftsführer von Radio Oberland. So vergingen nach dem ersten Rundfunkversuch in Garmisch­Partenkirchen bald fünf Jahre, ehe wieder lokale Klänge auf den UKW-Kanälen im Landkreis zu hören waren. Im Bild: Dr. Gerd Waldenmeier und Dr. Peter Samstag - die beiden Geschäftsführer

Die Lizenz kam am 23. Dezember 1992 per Fax. Danach sollte binnen einer Woche mit der Programmausstrahlung begonnen werden. Da die Telekom bereits die Anschlüsse vorbereitet hatte, das Gebäude reserviert wurde und die alte Technik noch sendefähig war, ging Radio Oberland bereits Silvester um 21 Uhr on air. „Das hat den Vorteil, dass wir an unserem Geburtstag nie das Feuerwerk bezahlen müssen“, lacht Programmleiter Sascha Ruck, der damals nicht beim Sendestart dabei sein konnte, weil er den letzten Zug aus seinem Heimatort nach Garmisch verpasste. Zur Feier des Tages waren der Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen, der dortige Landrat sowie sein Kollege aus Weilheim-Schongau anwesend. Erster Mann hinterm Mikro war Lui Knoll. Er begleitete die Hörer gut gelaunt ins Neue Jahr.

Neue Technik

Zunächst musste aber kräftig investiert werden, erinnert sich Geschäftsführer Peter Samstag: „Die Raumsituation war anfangs noch etwas beengt, wir mussten erweitern und auch die alte Technik wurde ersetzt – damals noch analog, während wir seit vier Jahren mit einer digitalen Studer-Anlage senden. Unser altes Sendestudio wird heute als Produktionsstudio genutzt.“

Am Programmschema von Radio Oberland hat sich in der letzten Dekade nichts Grundsätzliches verändert, der Umfang der Sendezeiten wurde aber noch ausgeweitet. Mittlerweile wird werktags von 6.00 bis 19.00 Uhr, samstags von 7.00 bis 12.00 Uhr und sonntags von 7.00 bis 13.00 sowie 15.00 bis 18.00 Uhr ein eigenproduziertes Programm gefahren. In der restlichen Zeit kommt das Mantelprogramm von der BLR. Um musikalische Brüche zwischen Eigen- und Mantelprogramm zu vermeiden, wird die Musikauswahl mit der BLR abgestimmt, sodass auch in den Abend- und Nachtstunden der typische Radio Oberland-Sound zu hören ist.

Eigene Live-Reportagen

Besonders stolz ist der Sportredakteur des Senders, Christian Winkler, auf eine eigene Eishockeysendung, die bei Bedarf freitags von 19.00 bis 22.00 Uhr und sonntags von 18.00 bis 21.00 Uhr ausgestrahlt wird. „Wir begleiten dabei unsere Heimatvereine SC Riessersee, EC Peiting, EA Schongau, TSV Peissenberg und EV Landsberg. Auch bei den Live-Reportagen von auswärtigen Spielen sind eigene Radio Oberland-Mitarbeiter dabei. Natürlich ist dieses Format sehr kostenintensiv, aber auch eine sehr anerkannte Sendung, die viele Menschen in der Region nutzen, um beim Eishockey auf dem Laufenden zu bleiben.“

DESPERADO-Party 2002

Das Wichtigste beim Radio ist die Musik. Auch bei Radio Oberland ist das nicht anders, wenngleich es geradezu wohltuend ist, mal nicht eine enge Hot-AC-Rotation zu Gehör zu bekommen, sondern eine Abwechslung, die noch richtig Spaß macht. „Natürlich ist unsere Kernzielgruppe auch im Bereich 19 bis 49 Jahre anzusiedeln“ sagt Sascha Ruck, „aber die bedienen wir eben mit einer Musikfarbe, die in die Zeitlosigkeit geht. Titel, die immer wieder gern gehört werden, behalten wir in der Rotation, die bei uns auch noch mehrere tausend Titel umfasst. Bei Radio Oberland laufen Titel von Elvis Presley, Bob Dylan, den Beatles oder den Stones mit zeitloser Rock- und Popmusik und aktuellen Songs von Heute nebeneinander. Das Alter eines Titels ist für uns nur ein sehr bedingtes Auswahlkriterium. Natürlich berücksichtigen wir durch unsere Lage an der österreichischen Grenze auch Dialektmusik von zum Beispiel Werner Schmidbauer, Wolfgang Ambros, Hans Söllner oder Haindling, die in keinem anderen Sender läuft. Am Montagabend bieten wir im »Funkenflug« Independent-Sachen, während am Sonntag die Freunde der Volksmusik in der vormittäglichen Sendestrecke auf ihre Kosten kommen.“ 

Konsequentes Profil

Geschäftsführer Peter Samstag ergänzt: „Natürlich ist das mit der Musik immer eine schwierige Sache. Wir haben uns damals bewusst gegen ein Schlagerformat entschieden, wie es viele andere Lokalsender gefahren haben. Zum einen wollten wir Bayern 1 als meistgehörtes Programm im Oberland nicht direkt angehen, zum anderen ist es nunmal so, dass die Hörer ab 50 für die Werbeindustrie nur zur Hälfte zählen. Während die Schlagersender durch mehrmalige Umformatierungen heute teilweise noch ihr Profil suchen, haben wir unseres über zehn Jahre konsequent behalten.“

Auch der Wortanteil wird nicht so streng gehandhabt wie bei anderen Sendern. Neben den stündlichen BLR-Weltnachrichten und den eigenproduzierten Lokalmeldungen um Halb gibt es in jeder halben Stunde auch noch einen Beitrag. „Entscheidend ist doch, wie wir die Hörer bei der Stange halten“ sagt Sascha Ruck. „Natürlich kann ein Beitrag auch mal vier Minuten lang sein – das richtet sich ganz nach dem Thema. Bei der Kommunalwahl zum Beispiel erwarten die Hörer gerade bei Radio Oberland, dass sie die Kandidaten ausführlich präsentiert bekommen. Oder das Pfingsthochwasser 1999: Hier hatten wir den ganzen Tag eine monothematische Sondersendung, die auch dankbar angenommen wurde. Die großen Sender können doch gar nicht alle Straßen durchsagen, die gesperrt sind, wir für unsere beiden Landkreise schon. Wenn wir mit dem Ü-Wagen draußen sind, versuchen wir auch eine individuelle Zusammenstellung, die beide Landkreise trotzdem gleichberechtigt berücksichtigt. Garmisch-Partenkirchen ist nunmal die größte Stadt im Sendegebiet und da wir hier auch unseren Sitz haben, besteht immer ein bisschen die Gefahr, dass man unbewusst die Gewichte etwas verschiebt. Da muss man dann immer dranbleiben und wir bekommen das bei Radio Oberland ganz gut hin.“

Vielseitiges Engagement

Auch die Mitarbeiter bei Radio Oberland müssen vielseitig sein. Hier macht jeder alles, ist Moderator, Redakteur, Produzent und Techniker in einem. Neben Programmleiter Sascha Ruck und drei Leuten im Marketing sind noch drei Redakteure und drei Volontäre fest mit dabei. Dazu kommen Praktikanten und am Wochenende verstärkt freie Mitarbeiter. „Wir haben fast nur selbst ausgebildete Mitarbeiter am Start. Bis auf Renate Kaiser, die bereits im ersten Jahr von Radio 7 zu uns kam und Jutta Straßenmeyer, die vorher im Funkhaus Würzburg tätig war.“

Schade findet Geschäftsführer Peter Samstag aber, dass Radio Oberland dabei oft als Talentschmiede fungiert und Mitarbeiter dann mit mehr Geld zu anderen Radiosendern oder gar zum Fernsehen gelockt werden. „Natürlich sind wir stolz darauf, dass Leute wie Ingo Nommsen, Susanne Kreicarek, Charly Leitner, Manuela Rid oder Günni Keil ihre berufliche Laufbahn bei Radio Oberland begonnen haben. Aber es ist auch im Sinne der Hörerbindung sehr schön, wenn uns Leute lange erhalten bleiben.“

Positiv denkendes Team

Samstag selbst ist beim Drachenfliegen durch seinen Freund Mike Harker auf das Radio aufmerksam geworden. Der erzählte ihm vom Lokalradioboom in Amerika und suchte jemanden, der Jurist war und die Verträge machen konnte. Schnell wurde mehr daraus und Peter Samstag ist bis heute stolz auf die letzten 15 Jahre, die er mit dem Radio zu tun hatte. Auch Programmleiter Sascha Ruck ist die vollen zehn Jahre bei Radio Oberland dabei. „In meiner Sturm- und Drangzeit hatte ich als Vertreter der hiesigen alternativen Musikszene mit Musikern Kontakt und hörte, dass ein neuer Radiosender im Entstehen war. Wir sind ein unwahrscheinlich positiv denkendes Team. Es sind viele Individualisten, aber letztendlich hat bei uns jeder der zwölf festen und nochmal soviel freien Mitarbeiter seine Berechtigung. Die Organisationsstrukturen sind flach und es ist auch wichtig, dass Neid, Intrigen oder andere destruktive Eigenschaften, die zwangsläufig entstehen, wenn jemand erfolgreich ist, nicht in das Team hereingetragen werden und wir gut zusammenarbeiten.“ Als Programmleiter sieht Sascha Ruck sich dabei als „Denker und Lenker“. 

Aktuell steht Radio Oberland bei einem Marktanteil von 18,9 Prozent und einem Anteil von 35.000 Hörer gestern (bei potenziell erreichbaren 180.000 Menschen) sowie einem Weitesten Hörerkreis von 58 Prozent glänzend da. Auch prominente Besucher wie Otto Schily, Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, Edmund Stoiber (zur offiziellen Sendereinweihung im Oktober 1993 und ein weiteres Mal im Herbst des vergangenen Jahres) oder Weltcupskispringer und andere Größen aus Sport und Kultur waren in den letzten zehn Jahren bei Radio Oberland und goutierten damit das lokale Medium. 

Besonders zufrieden ist Geschäftsführer Peter Samstag damit, dass Radio Oberland trotz der schwierigen Lage im Werbemarkt weiterhin schwarze Zahlen schreibt. „Eingebrochen sind ja bekanntlich vor allem die überregionalen Spots. Im Lokalen sind wir sehr stabil und das ist auch unsere Basis. Vermarktet wird Radio Oberland über das Bayern- und Südbayernpaket von Studio Gong. Lokale Interessenten können sich natürlich auch direkt an uns wenden.“

Jubiläumscountdown

Wenn nun der zehnte Geburtstag ins Haus steht, wird bei Radio Oberland ordentlich gefeiert. Nicht etwa nur am 31. Dezember selbst, sondern schon weit vorher. Programmleiter Sascha Ruck hat sich ein Programm ausgedacht, das für einen Lokalsender einmalig ist. Es zeigt, mit welch positiver Energie das Team ans Werk geht und selbst solche Aktionen stemmt, die man sonst eher bei großen landesweiten Sendern vermuten würde. Die ersten Geburtstagsaktionen starten bereits am 11. November, ehe es ab Dezember so richtig in die Vollen geht. Am 2. Dezember startet der Jubiläumscountdown, der an Silvester seine Vollendung in einem Weltrekordversuch findet. 

Bastian Ziegler am Mikrofon will einen neuen Dauermoderationsrekord über 105,4 Stunden aufstellen. Warum 105,4? Ganz einfach: Mit diesem „Laber-Marathon“ soll die neue Frequenz 105,4 MHz eingeweiht werden, die Ende des Jahres auf dem Laber bei Oberammergau freigeschaltet wird. Damit dürfte sich der Empfang von Radio Oberland in diesem Gebiet nachhaltig verbessern. Von da an wird das ganze nächste Jahr über gefeiert. Alle vier Wochen steht ein Jubiläumsevent ins Haus. Mal als Stadtfest, mal als Fußballturnier, mal als Open-Air-Konzert...

„Ab Januar 2003 geht ein Ruck durch’s Oberland“, schmunzelt Sascha Ruck. Eines ist damit auf jeden Fall klar: Wer solche Aktionen auf die Beine stellt, bei dem braucht man auch für die nächsten zehn Jahre keine Sorgen haben. Und was wünscht sich Geschäftsführer Peter Samstag für die Zukunft? „Auf jeden Fall weiter eine solch treue Hörerschaft und noch den ein oder anderen Prozentpunkt beim Marktanteil. Vielleicht kriegen wir auch noch einen Sender für das gesamte Oberland hin.“

Stefan Förster
Fotos: © Radio Oberland
www.radio-oberland.de

Aus RADIOJournal 12/2002