Best of Story
Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

„Der Mix macht’s“ seit 20 Jahren 
Radio Hamburg schreibt Erfolgsgeschichte

Vor zwanzig Jahren steckte der private Rundfunk in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Kaum jemand konnte ahnen, wie erfolgreich dieses neue Kapitel in der Mediengeschichte einmal werden sollte. So war es auch, als der damalige Erste Bürgermeister Klaus von Dohnanyi gemeinsam mit Gründungsprogrammdirektor Rainer M. Cabanis am 31. Dezember 1986 um 11.00 Uhr den roten Knopf zum Sendestart drückte. Die meisten Macher waren mit dem neuen Medium noch unerfahren und wussten nicht so recht was sie erwarten würde. Der Teamgeist jedoch und der Wille, ein besseres Programm als der angestaubte öffentlich-rechtliche Rundfunk zu machen, waren von Anfang an vorhanden. Markenzeichen ist seit Sendebeginn das Gläserne Studio am Speersort, wo sich heute noch viele Hörer die Nasen an der Scheibe platt drückten und den Moderatoren bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

Dass 20 Jahre Radio Hamburg auch personell von hoher Kontinuität geprägt sind, zeigt sich schon allein in der Tatsache, dass es mit Rainer M. Cabanis, Dr. Thomas Walde und Marzel Becker bis zum heutigen Tag nur drei Programmdirektoren gab. Bei den Geschäftsführern waren es mit Wilfried Sorge, Manfred Sievers, Bertram Schwarz, Stephan Schwenk, Katja Strömich bis hin zu den heutigen Chefs Marzel Becker und Carsten Neitzel zwar einige mehr, doch auch hier hat jeder auf seine eigene Art und Weise zum Erfolg beigetragen.

Die Liste ehemaliger Moderatoren, die noch heute bekannt sind, ist lang und reicht von Kathrin Lehmann über Gunnar Kron und Ulf Ansorge bis hin zu Stephan Heller. Legendär sind die Galerie-Konzerte vor ausgewähltem Publikum direkt im Funkhaus am Speersort; Kultcharakter genießt der jährliche Osterhitmarathon TOP 800. Das Logo mit dem markanten „R“ ist noch heute Markenzeichen des Senders.

Zahlreiche Aktionen haben die Hörer zum Mitmachen veranlasst und das hartnäckige Einfordern einer „ARENA für Hamburg“, damit auch Musikgrößen die Hansestadt mangels geeigneter Veranstaltungsorte nicht länger meiden, war schließlich von Erfolg gekrönt. Unzählige Studiogäste waren in 20 Jahren Radio Hamburg am Speersort und haben für Gesprächsstoff gesorgt. Ein erfolgreiches Programm, dass sicher auch in den nächsten 20 Jahren hörernah getreu dem bewährten Motto senden wird: „Der Mix macht’s“.

Eine herausragende Marke

„Radio Hamburg ist das Synonym für Privatfunk in der Hansestadt, eine herausragende Marke“, fasst Geschäftsführer Carsten Neitzel treffend die Stellung des erfolgreichsten Senders der Stadt zusammen. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall richtete dem Jubilar eigens einen Senatsempfang zum Geburtstag aus.

Besonders fasziniert ist Neitzel davon, dass „jeder in Hamburg den Speersort kennt, obwohl er kaum 150 Meter lang ist und nur zehn Häuser hat“. Auch das unterstreicht die Popularität von Radio Hamburg in der Stadt. Außerdem tut die personelle und programmliche Kontinuität dem Sender erkennbar gut, findet der Geschäftsführer, der auch das positive Image in Richtung Werbeindustrie hervorhebt. „Bei uns werben Marken, die woanders nicht zu hören sind. Unsere Kooperationspartner bei Veranstaltungen und Events sind ein starkes Rückgrat für den Erfolg von Radio Hamburg.“ Die  Nummer Eins in der Hansestadt will dabei mehr als nur ein Radiosender sein. „Wir haben einen Internetauftritt entwickelt, der ein eigenständiges Informationsmedium inklusive Webreportern ist und auch sehr stark angenommen wird“, freut sich Carsten Neitzel.

Programmlich sieht Carsten Neitzel, der sich selbst als „erster Verkäufer des Senders“ betrachtet, seine Welle auch in den kommenden Jahren durch die regionale Kompetenz an der Spitze. „Die Zeit des Linercard-Lesens und der Mega-Promotion ist vorbei. Jetzt haben die Sender die Nase vorn, die sowohl Informationen, Service als auch Unterhaltung bieten“.

M wie Marzel und Musikkompetenz

Radio Hamburg ohne Marzel Becker? Nicht zu denken. Seit 20 Jahren bei Radio Hamburg dabei und noch immer radioverrückt wie am ersten Tag bildet der heutige Programmdirektor und Mitgeschäftsführer eine Symbiose mit dem Sender. „Es ist ein wirkliches Geschenk, dass ich so viele Leute kennen lernen durfte und mit Arnold Schwarzenegger, Sean Connery, Lionel Richie oder Paul McCartney auf dem Sofa saß oder im Studio stand.“

Der gebürtige Berliner, der bei Gruner & Jahr Verlagskaufmann lernte und trotzdem im Hinterkopf den Gedanken hatte, zum Radio zu wollen, erschlich sich ein zweiwöchiges Praktikum bei Ufa Radio in München, wo er Dr. Thomas Walde kennen lernte, der ihm später ein Volontariat bei Radio Hamburg anbot. „Ich wollte von Anfang an immer moderieren, war gemeinsam mit Stephan Heller in der Ausbildung. Wir haben nachts moderiert und waren dann nach einer Stunde Schlaf früh wieder im Büro.“

Damals gab es auch schon Airchecks und Moderatorentraining, erinnert sich Marzel Becker, aber: „Man denkt natürlich, die nerven, weil man ja schon meint, alles zu können.“ Das Vertrauen in neue Talente, ein offenes Ohr und große Unterstützung hat Marzel in der Anfangszeit durch Rainer M. Cabanis und Thomas Walde erfahren, die er nicht missen möchte. Seine schlimmste Erinnerung an die Moderatorenzeit ist auch schnell erzählt. „Ich bin aus dem Studio raus, hoch in den zweiten Stock und hörte dort, wie unten die Platte hakte. Es war Samstagabend und als ich nach zwei Minuten wieder unten war, klingelte schon das Telefon und Herr Cabanis war dran. Ich kenne niemanden, der soviel Programm gehört hat wie er.“

Eine großartige Idee hatten Marzel Becker und Stephan Heller auch mit der Erfindung der TOP 800. „Wir suchten nach einem Highlight zum 800. Geburtstag des Hamburger Hafens und kamen auf die Idee, eine Marathon-Hitparade zu moderieren. Wir wollten durchmachen und da es Ostern immer Probleme gab, den Dienstplan voll zu kriegen, waren unsere Chefs schnell einverstanden. Es war einfach sensationell. Wir hörten selbst beim NDR, dass der Speersort wegen des Menschenandrangs gesperrt ist. Die letzten Minuten haben wir vom Dach eines Autos moderiert.“

Nicht zu vergessen ist Marzel Becker ein großer Musikfachmann, der auch heute noch bei speziellen Ereignissen mit diesem Wissen im Programm zu hören ist. „Ich gehöre zu der aussterbenden Gruppe, die noch CD-Cover durchlesen und Musikzeitschriften abonniert haben. Irgendwann habe ich mal in der Musikredaktion bei den Redakteuren rumgehangen und ich war immer der Erste, der neue Platten durchgehört hatte. So konnte ich schon als Volontär Musikprogramme zusammenstellen und für die Moderatoren die Plattenkörbe packen.“

Zur Zeit des Mauerfalls moderierte Marzel Becker neben drei Wochen in Hamburg auch eine bei rias2 in Berlin. „Da bin ich gleich in der Achtung meiner Berliner Freunde gestiegen. Die dachten, ich bin ein Spinner, der in Hamburg nur bei einem ihnen unbekannten Radio arbeitet, aber als sie mich schließlich bei rias2 gehört haben, haben sie mich doch etwas ernster genommen.“

Nach einem kurzen Abstecher zum damaligen Magic FM kehrte Marzel als Musikchef zu Radio Hamburg zurück und gestaltete die Einführung des heutigen Research mit. „Schon früher habe ich Geld mit der Musikzusammenstellung verdient. Ich klapperte Cafés ab und fragte, welche Musik sie hören wollen. Die habe ich dann zu Hause mit zwei Plattenspielern auf Kassette überspielt und geliefert. Meinen Friseur habe ich immer mit solchen Musikkassetten bezahlt“, lacht Marzel Becker rückblickend.

Musik ist für ihn nach wie vor „Einschaltgrund 1 bis 3“. Danach kommen schon die Personalities, die bei Radio Hamburg lange gehalten werden. „Es muss menschlich passen, wir haben einen einmaligen Team-Spirit im Haus, der von den Urgesteinen geprägt wurde und uns immer wieder von neu hinzukommenden Mitarbeitern bestätigt wird. Da kann man dann auch mal darüber hinweg sehen, wenn jemand einen schlechten Tag hatte. Wir vertrauen unseren Leuten, die jeden Tag versuchen, das Beste zu geben.“

Trotzdem verlangt Marzel von der gesamten Mannschaft viel ab. „Die Mitarbeiter müssen das rote ‚R’ im Herzen tragen. Unseren Volontären sage ich immer, verabschiedet euch für zwei Jahre von Freunden und Verwandten, ihr werdet kaum Zeit haben, sie zu sehen. Wir achten sehr genau darauf, dass die Leute, die wir auswählen, auch zu uns passen.“ Produktiver Streit ist gut für das Gesamtprodukt findet der Radioenthusiast Marzel Becker, solange zum Schluss etwas Gutes für das Programm erreicht wird. In der Grammy-Nacht stand er selbst wieder als „Musik-Insider“ um 3.15 Uhr auf und ab 5.00 Uhr hinter dem Mikro. Wenn er sagt, die Arbeit ist für ihn Hobby, glaubt man das sofort. So setzt er auch auf die richtige Mischung aus Marktforschung und Erfahrung, um das Programm optimal zu gestalten. „Wichtig ist nicht nur, auf Leute zu hören, denen ich vertraue sondern auch auf solche, von denen ich weiß, dass sie des Öfteren nicht meiner Meinung sind. Fünf Leute gibt es, von denen ich sehr sehr viel gelernt habe: Stephan Heller, John Mönninghoff, Bertram Schwarz, Thomas Walde und Katja Strömich.“ Die gute Arbeit bei Radio Hamburg strahlt auch nach außen. „Wir haben ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein. Wir sind sehr selbstbewusst und überzeugt von dem was wir machen, hoffentlich ohne arrogant zu sein“, bringt es Marzel Becker auf den Punkt.

John Ment - Kult am Morgen

Wenn Sprüche ertönen wie...

  • Ich bin froh, dass ich mich über meine Fehler freuen kann. So komme ich aus dem Lachen gar nicht mehr raus!
  • Ich gehe zweimal im Jahr zum Zahnarzt - einmal für jeden Zahn!
  • Es wurde jetzt eine Liste veröffentlicht mit Leuten, die intelligenter sind als ich. Sie heißt - Telefonbuch!

...kann John Ment nicht weit sein. Seit 20 Jahren ist er bei Radio Hamburg am Morgen zu hören und noch immer kein bisschen müde. Es heißt nicht umsonst: „Die Radio Hamburg-Morningshow mit John Ment und seinem Team - und das Aufstehen macht Spaß.“ Vor einem guten halben Jahr wurde die Sendung mit allen Elementen runderneuert. Neben Wetterfrau „Chrissie“ Christina Weiss ist jetzt Verkehrsmann Horst mit von der Partie. „Er rutscht nach vorn, wenn ich Urlaub habe, sonst war immer ein anderer Kollege Springer“, weiß John Ment die praktischen Seiten dieses erweiterten Teams zu schätzen. Aber auch die Möglichkeiten zur Interaktion sind damit größer geworden. „Wir sind ein familienorientiertes Programm, in dem unsere unterschiedlichen Charaktere und Lebensformen zu dritt in der ganzen Bandbreite zur Geltung kommen. Natürlich polarisiere ich als Anchor nach wie vor für die Veranstaltung, dann gibt es Themen, wo man sich verbal dran reiben kann und wo wir uns auch im Studio die Bälle zuwerfen.“

In jeder Sendung geht es als Aufhänger wenigstens einmal um Beziehungen, die sich durch den Familienvater John, den mit einer Freundin lebenden Horst und Chrissie als Single mit völlig unterschiedlichen Sichtweisen darstellen lassen. „Der Talkteil ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Show und kann auch mal ein bisschen länger gehen“, erzählt John Ment, der sich Oneliner und Kurzgags nach wie vor aufschreibt, damit sie präzise und auf den Punkt kommen und ihre Wirkung nicht verfehlen. Eine frühere Maxime - keine Leute im Studio - hat John mit dem erweiterten Team allerdings aufgegeben. Er ist auch froh darüber. „Früher war ich eher der einsame Wolf im Studio, der nicht von den Reaktionen anderer, zum Beispiel auf Witze, abhängig sein wollte. Seit einem halben Jahr sind nun alle im Studio, jeder hat seinen Arbeitsplatz und das Zusammenspiel des 43-Jährigen mit den beiden Mit- und Endzwanzigern funktioniert gut. Das Team ist eine echte Bereicherung, es entstehen kurzweilige Dialoge und gute Witze. Jeder hat genug interessante Facetten, die er einbringen kann. So klingt die Show jung und frisch.“ Ein schönes Beispiel dafür, dass sich auch John Ment noch immer weiter entwickelt und mit der Zeit geht. Er würde es schlimm finden, wenn die Sendung heute noch genauso klingt wie vor zwei Jahren.

Kein Wunder, dass ihn Marzel Becker einen „Moderator ohne Verfallsdatum“ nennt. „Irgendwann mache ich dann betreutes Senden“, scherzt John, der mittlerweile Abstand zu Gagarchiven gewonnen hat und mehr auf die pointierte Kommentierung von Tagesthemen setzt. „Besser als Standard-Gags sind immer Lacher in Verbindung mit Aktualität. Das hat deutlich zugenommen, auch durch die Einbindung unseres Nachrichtenanchors Rainer Hirsch.“

Ab 7.00 Uhr ist auch Unterhaltungschef Dietmar Simon im Haus, der sich bei hauseigenen Comedys wie den „Pockements“, der „Bundestagskantine“ oder „CSI Speersort“ tatkräftig einbringt. So sind zwanzig Jahre John Ment eine Mischung aus Kontinuität und stetigem Wandel. „Der Unterhaltungsaspekt ist geblieben, aber ich will nicht Meister der flachen Gags sein. Wichtig ist bei allem Humor, dass man dabei sympathisch bleibt.“ Natürlich weiß John Ment, dass er bisweilen auch aneckt. Als er nach der Kampfhundattacke auf ein Kind und die danach entbrannte Debatte zur Leinenpflicht das Lied „Er will doch nur spielen“ umtextete, hagelte es harsche Proteste. „Einige Hörer hatten offenbar nicht richtig zugehört, denn es ging um Leute, die nicht verantwortungsvoll mit den Hunden umgehen.“

Interaktiv sind auch die verschiedenen Formen gewünschter Hörerbeteiligung. „Ich mag die etwas zopfige Form der Umfrage nicht, daher verbinden wir das immer mit einem humorvollen Aspekt. So muss Horst dann zum Beispiel testen, wie viele Körbe er bekommt, wenn er eine Frau auf der Straße anspricht und zum Kaffee trinken einladen will. Das wollen die Hörer auch haben. Wir fragen bei jeder Konferenz, wo war das große ‚E’ für Emotionen“, sagt John.

Eine wertvolle Unterstützung sind ihm die beiden Producer Matthias Hohn und Markus Steen, die durch einen Volontär für’s Line-Producing und eine Praktikantin komplettiert werden. Nach der Nachbereitung der aktuellen schließt sich schon die Vorbereitung der nächsten Sendung an. Oft sitzt John Ment abends zu Hause und denkt sich neue Ideen für den nächsten Tag aus.

Die besten Nachrichten der Stadt

Während die öffentlich-rechtlichen Mitbewerber ihre Nachrichten deutlich reduziert haben, gibt es bei Hamburgs erfolgreichstem Radiosender noch immer etwa fünf Minuten Information zur vollen Stunde. Während der Radio Hamburg Morningshow von 5.00 bis 10.00 Uhr gibt es die News aus Hamburg, Deutschland und der Welt auch halbstündig. Verlässliche und bekannte Stimmen sorgen auch hier für eine enge und glaubwürdige Bindung an die Hörer. Morgens und am Vormittag ist Nachrichtenanchor Rainer Hirsch zu hören. Insbesondere bei John Ment ist er direkt an die Sendung angebunden. „Das entspricht dem Wunsch, am Morgen ein familiäres Gefühl Programm anzubieten. John macht mit großer Vorliebe Telex-Ankündigungen, greift mit einer pointierten Bemerkung das erste Thema der Schlagzeilen auf. Einmal musste ich sogar abbrechen, weil ich vor Lachen nicht mehr den roten Faden gefunden habe“, erinnert sich Rainer Hirsch schmunzelnd. Am Ende der Nachrichten findet bei passenden Themen ebenfalls eine Übergabe an den König des Radiohumors statt. John Ment macht dann aus der letzten Meldung ein Wortspiel, wo er Spaß gekonnt mit der Tagesaktualität verbindet.

Auch zur Vermittlung von Hintergründen ist Rainer Hirsch in Talks bei John im Studio. Die News bei Radio Hamburg sind dank guter Kontakte der Rathaus-Insiderin Ines Bott und des Nachrichtenteams des Senders immer topaktuell. „Wir hatten vor allen anderen Medien die Meldung im Programm, dass bei der pannenreichen Abstimmung über den Spitzenkandidaten der SPD zur Bürgerschaftswahl trotz verloren gegangener Stimmzettel der Landesvorsitzende uneinholbar vorn lag.“ Rainer Hirsch legt wie die gesamte Aktuell-Redaktion großen Wert darauf, auch Hintergründe zu den Meldungen zu bringen und diese einzuordnen. „So stellte sich bei uns in der AIRBUS-Krise, die auch mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen in Finkenwerder verbunden ist, die Frage, ob der hart erkämpfte Ausbau der Startbahn überhaupt noch notwendig ist. Wir fragen dann natürlich bei früheren Gesprächspartnern nach und bitten sie um ihre Einschätzung.“ Hier kommt Rainer Hirsch auch seine langjährige Tätigkeit beim Sender zu Gute. Nur wer die Entwicklung bestimmter Themen über die Jahre kennt, kann auch aktuell auf sie reagieren. „Informationsübermittlung lebt von dem, was Menschen wissen. Man hat oft noch etwas im Hinterkopf, das verwendet werden kann.“ Ein gut gepflegtes Langzeit-O-Ton-Archiv tut sein Übriges, um auf vergangene Ereignisse und ihre Protagonisten zeitnah zurückgreifen zu können.

Überrascht ist Rainer Hirsch, wenn er in Bus und U-Bahn beobachtet, welche Meldungen die Leute in der Zeitung so lesen. „Da ist ganz viel Politik dabei. Es kommt also darauf an, wie interessant man die Themen aufbereitet“, ist er sich sicher. Wortgleich werden Meldungen oder Beiträge bei Radio Hamburg nur zweimal gesendet, danach wird variiert. „Beim Abwägen des Weltgeschehens und dem Herstellen des Hamburg-Bezugs ist auch viel Bauchgefühl dabei“, bekennt Rainer Hirsch, der pro Nachrichtensendung zwei bis drei große Themen und bis zu fünf Kurzmeldungen präsentieren kann. Wichtig ist den „Aktuellern“ auch der Servicebezug. „Vor einiger Zeit haben wir mal über Abzocke im Internet berichtet und damit sehr große Resonanz gehabt. Beschwerde- und Widerspruchsbriefe gegen ungerechtfertigte oder überteuerte Rechnungen konnten ergänzend direkt von unserer Internetseite herunter geladen werden.“ Diese vernetzte Arbeit hat sich bewährt.

In Konferenzen um kurz nach halb Sechs in der Früh, um 10.00 und 10.30 Uhr kann Rainer Hirsch Themen vorschlagen, die weiter bearbeitet werden sollten. Umgekehrt bekommt er auch Tipps und Hinweise von Moderatoren oder aus der Redaktion. Bei einem Güterzugunglück auf der Strecke zwischen Hamburg und Kiel, von der auch der Personennahverkehr betroffen war, entstand so die Idee, drei Busse zu mieten und nachmittags in der Rush-Hour sowie am nächsten Morgen diesen Sonderservice als Entlastung für die Bahn fahrenden Hörer anzubieten.

Besonders freut Rainer Hirsch, wenn er persönliche Resonanz auf seine Arbeit erfährt. „Ich war neulich auf einer Party, wo eine mir bislang unbekannte Frau auf mich zukam und schilderte, wie wir vor dem anstehenden Trainerwechsel beim HSV geflasht haben, dass Felix Magath am Flughafen gesehen wurde. Das ist für mich das typische Radio Hamburg-Gefühl, dass ich es bei Euch zuerst höre, sagte sie dann zu mir.“

Für dieses Gefühl sorgen die Mitarbeiter des Senders auch außerhalb ihrer Arbeit. „Die Mitarbeiter haben alle Bock auf ihren Job. Wir identifizieren uns mit dem Gesamtprodukt Radio Hamburg und geben den Kollegen natürlich auch Bescheid, wenn wir selbst zum Beispiel Pannen oder Verpätungen im Nahverkehr erleben. Zum einen können diese Informationen direkt an die Hörer weiter gegeben werden, zum anderen ist das eine gute Möglichkeit, den oftmals nicht sehr auskunftsfreudigen Verkehrsbetrieben zur Ursache der Störung auf den Zahn zu fühlen.“

Im Laufe der Jahre hat Rainer Hirsch mit seinen Nachrichten viele Ereignisse begleitet, die ihm im Gedächtnis haften geblieben sind - ob nun die Anschläge am 11. September oder die Bundestagswahlen 2002 und 2005, wo es bis zum Schluss spannend blieb. Daher ist sein aktueller auch immer noch Rainer Hirschs Traumjob: „Ich schreibe, lese und höre gern. Das ist eine ideale Kombination bei meiner Arbeit.“

Besser arbeiten mit Birgit Hahn

Eine feste Größe am Vormittag bei Radio Hamburg ist Birgit Hahn mittlerweile schon seit fast neun Jahren. Sie ist damit die weibliche Moderationsstimme mit der längsten Verweildauer in der zwanzigjährigen Geschichte des Senders. Begonnen hat Birgit mit dem zweistündigen Promi-Magazin »VipMäc«, dessen Gestaltung allerdings mit einigen logistischen Problemen verbunden war. „Ich hatte damals vier Breaks pro Stunde zu füllen. Da hat es einfach an Masse und hochkarätigen Promis gemangelt, um das auch zeitlich realisieren zu können.“ Später war Birgit Hahn in »Job ’n’ Fun« zu hören, ehe sie ein Jahr gemeinsam mit dem heutigen Nachmittagsanchor Jan Bastick moderierte. Seit 2002 ist ihr Name Programm und seitdem läuft zwischen 10.00 und 14.00 Uhr »Besser arbeiten mit Birgit Hahn«.

Als feste Rubriken gibt es die Veranstaltungstipps in „Whatz up“ um 11.20 Uhr, zehn Minuten später, um halb Zwölf, sind immer die „VIP-News“ zu hören, die Birgit mit ihren pointierten und treffenden Kommentaren versieht und so zum Hin-Hörer macht. Die „Job-Börse“ gibt es als 30-Sekunden-Trailer zeitlich flexibel während der Sendung. Immer nach 10.00 Uhr sind die „Pizza-Mega-Hits“ auf dem Sender, wo eine Firma Frei-Pizzen für die gesamte Mannschaft gewinnen kann.

Viel Spaß macht Birgit Hahn auch die aktuelle Major Promotion „Money-Ment“, wo die Hörer Rechnungen einschicken können, die von Morgenmoderator John Ment bezahlt werden sollen. Jede Stunde erhält ein Einsender die Gelegenheit, binnen 20 Minuten nachdem die Rechnung on air gezogen wurde, bei Radio Hamburg anzurufen. Sollte es klappen, können sich die Hörer einen Verrechnungsscheck über den Rechnungswert - montags sogar mit der verdoppelten Summe - direkt beim Hörerservice am Speersort abholen. „Wenn die Gesuchten von Arbeitskollegen informiert oder aus Meetings geholt werden, ist das immer sehr schön. Vor kurzem hatte ich die überhöhte Handy-Rechnung eines Schülers gezogen. Es war kurz nach 13.00 Uhr und noch Schulzeit. Die Mutter des Schülers hatte aber zugehört, rief bei der Schulleitung an und ihr Sohn durfte tatsächlich aus dem Unterricht raus, damit er zurückrufen konnte.“

Das sind emotionale Geschichten, wie sie Birgit Hahn mag. Oft sind es schon kleinere Beträge, die für die Gewinner viel Geld sind. Das merkt die Moderatorin mit Herz auch oft in der Vorweihnachtszeit, wenn bei „Hörer helfen Kindern“ Familien mit wenig Geld ein schöner Wunsch erfüllt wird, der sonst nicht möglich gewesen wäre. Überhaupt ist die Hörerbeteiligung das Größte für Birgit Hahn. „Wenn ein Gewinner ankündigt, mir einen Kuchen mitzubringen oder Leute einfach anrufen, weil sie eine Rechnung verpasst haben und wissen wollen, ob es ihre war, freut mich das sehr.“

Etliche Themen für ihre Sendung nimmt Birgit Hahn von den Menschen mit, denen sie täglich zwischen Elbe und Alster begegnet. Viele Geschichten sind auch ein „Best of Metrobus 5“, der sie morgens im Minutentakt von ihrer Wohnung direkt zum Sender bringt. Der Kontakt zur Stadt ist Birgit wichtig. „Ich gehe raus, lebe das fröhliche Singleleben und bin viel unterwegs. Wenn ich in einem neuen Laden war oder weiß, wo es was zu erleben gibt, ist das natürlich dann auch authentisch Thema in meiner Show“.

Birgit Hahn liebt ihre Arbeit noch wie am ersten Tag und gibt alles für die Hörer. „Der Sender ist super, der Job macht immer noch irre Spaß. Es ist ein kreativer Beruf, wo es jeden Tag tolle neue Ideen gibt.“ Besondere Freude machen ihr auch die Promi-Interviews, zum Beispiel mit The Beautiful South oder Lionel Richie. „Der könnte jeden Tag wiederkommen“, scherzt Birgit, die sich auch noch gut an ein Erlebnis mit Seal erinnern kann. „Ich wusste, dass er seine Interviews immer auf dem Hotelbett gibt. Nach einer sehr netten Stunde auf demselben gab er mir einen Kuss auf die Wange und ich bin prompt rot geworden.“

Als Nena ihr „Liebe ist“ Album vorstellte, pflanzte sie gleich einen Baum vorm Studio, blickt Birgit zurück. „Wenn Gäste kommen ist das bei uns nicht nur Interview sondern es muss auch Action sein. Nena wollte einen Baum für die Ewigkeit pflanzen, der den Namen ‚Gabriele’ erhielt. Nach einigen Monaten stellte sich jedoch heraus, dass die kleine Eiche recht verkümmert war. Da hat Nena sie dann wieder ausgegraben und in ihren heimischen Garten verpflanzt.“

Jetzt freut sich Birgit Hahn darauf, wieder gemeinsam mit der Radio Hamburg Morningcrew und Dennis Dabelstein die TOP 800 - den berühmten Ostermarathon - moderieren zu können. „Das ist immer ein persönliches Highlight. Einmal forderte die Übermüdung ihren Tribut von mir. Ich war nachts mit Jan Bastick im Studio und musste anderthalb Stunden über einen Witz lachen, der überhaupt nicht lustig war. Das sind Sachen, die Erinnerung bleiben“, lacht Birgit.

Stefan Förster
Fotos: © Radio Hamburg
www.radiohamburg.de

Aus RADIOJournal 3/2007

• Nach 21 Jahren hieß es am 27. August „bye-bye Speersort 10“. Am Nachmittag sendete Radio Hamburg das erste Mal aus dem neuen Studio in der Spitalerstraße 10 / Semperhaus A. Moderator Jan Bastick feierte mit seiner Nachmittags-Show die Premiere in den neuen Räumlichkeiten. Programmgeschäftsführer Marzel Becker: „Mit dem Umzug machen wir den Schritt in ein neues Zeitalter des Radios. Wir sind künftig noch näher dran an unseren Hörern, unter anderem durch mobile Sendetechnik im Aktenkoffer-Format, durch noch mehr Videos auf unserer Webseite und nicht zuletzt durch neue verbesserte Studiokamera-Installation.“ Radio Hamburg hat für rund drei Millionen Euro auf zwei Büroetagen in der Innenstadt neu gebaut. Auch Vermarktungspartner Oldie 95 ist mit umgezogen. Das neue Domizil der beiden Privatsender hat eine Gesamtfläche von rund 1.800 Quadratmetern und verfügt über 100 Büro-Arbeitsplätze. Den Radiomachern und Moderatoren stehen zwei Sendestudios, fünf sendefähige Sprecherstudios sowie jeweils drei ebenfalls sendefähige Produktionsstudios zur Verfügung. Foto: © Radio Hamburg (RADIOJournal 9/2008)