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... und nachts arbeitet nur »Onkel Henk« ...
Radio in Gambia

Gambia ist ein kleines Land entlang des Gambia-Flusses in Westafrika. Die atlantische Küste ist nur 48 Kilometer lang, und das Staatsgebiet wird auf drei Seiten vom Senegal umschlossen. Gambia erlangte im Jahre 1965 seine staatliche Unabhängigkeit. Zuvor gehörte das Gebiet zum Britischen Empire ­ heute fährt man auf der rechten Straßenseite. Die 1,6 Millionen Einwohner leben hauptsächlich von der Landwirtschaft; Erdnüsse sind das wichtigste Erntegut. Gambia liegt am südlichen Ende der Sahelzone, was bedeutet, dass im Winter Sandstürme aus Richtung der Sahara fegen. Tourismus gibt es in dem Land seit Ende der 60er Jahre, jedoch sorgt er nur für etwa zehn Prozent des Bruttosozialprodukts. Die meisten Besucher kommen aus England und Skandinavien. Es ist recht einfach, einen eigenen Reiseführer zu finden, der Schwedisch spricht! Die offizielle Sprache ist Englisch ­ die Nation nennt sich „The Gambia”, aber die Einwohner sprechen Wolof, Mandinka und andere afrikanische Sprachen. Es gibt sehr viele Arten von Vögeln, und Vogelbeobachter gehen dort gerne auf Safari. Gambia ist ein ruhiges Land ohne Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Volksstämmen. Jedoch gab es in der Vergangenheit ein paar Putsche.

Wichtig bei GRTS: Die Tonqualität

Bei staatlichen Rundfunkanstalten gibt es häufig eine umfassende Bürokratie. Ich hatte im voraus an GRTS geschrieben und konnte nur deshalb den bewaffneten Kontrollposten am Eingang des Gebäudes passieren, weil ich einen Brief von einem Verantwortlichen vorzuweisen hatte. Der Sender GRTS war früher unter der Bezeichnung Radio Gambia bekannt. Ursprünglich war er täglich nur vier Stunden lang auf 4820 kHz über die Anlage der damaligen Gesellschaft „Cable & Wireless” aktiv. Anfang der 70er Jahre wechselte man auf die Mittelwellenfrequenz 648 kHz und war fortan noch einige Jahre ab und zu in unseren Breitengraden hörbar, solange die BBC auf der gleichen Frequenz eine Stunde früher als Radio Gambia Sendeschluss hatte. Jetzt gibt es diese Möglichkeit nicht mehr, da die BBC rund um die Uhr für Kontinentaleuropa sendet.

Gambias staatlicher Rundfunk nennt sich heute „The Gambia Radio and Television Services (GRTS)” die Umbenennung wurde mit der Einführung von Fernsehsendungen im Dezember 1995 notwendig. Das Funkhaus von GRTS ist ein zweistöckiges Gebäude aus den frühen 60er Jahren, das eine zentrale Halle mit der Telefonzentrale in einer Ecke besitzt. An einer Stirnseite der Halle findet man die Forschungsabteilung, auf der anderen Seite liegen die Studioanlagen und die Technik. Im Funkhaus befinden sich die Radioabteilung und die gemeinsame Verwaltung für Radio und Fernsehen. GRTS beschäftigt etwa 100 Angestellte, davon 35 bei den Radioprogrammen, 35 in der Technik und der Rest sind „Bürokraten”. In Gambia gibt es keine Rundfunkgebühr. Die Sendungen enthalten ein wenig Werbung, aber der Großteil der Kosten wird von der Fernmeldegesellschaft „The Gambia Telecommunications Corp. (Gamtel)” gedeckt. Es ist schwierig Werbung zu akquirieren, weil der Sender größtenteils gesprochene Sendungen und Nachrichtenprogramme ausstrahlen muss. 90 Prozent der Werbung, die dennoch enthalten ist, wird vom Sender selbst produziert. Nur multinationale Markenprodukte wie Maggi oder Jumbo liefern eigene Werbespots an.

Lange Nachrichtensendungen

Besonders auffällig sind die Nachrichten, die in mehreren Sprachen ausgestrahlt werden. Eine News-Sendung kann deshalb über eine Stunde dauern! Das Gesamtprogramm ist zu knapp 60 Prozent in lokalen Sprachen gehalten. Religiöse Sendungen gibt es am Sonntag für die Christen und am Freitag für die Muslime, die rund 90 Prozent der Bevölkerung darstellen. 

Natürlich gibt es auch Sportsendungen. Fußball ist häufig im Programm, und zwar mit Übertragungen der „National League” und Länderspielen. Auch internationale Wettbewerbe, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele und Fußballweltmeisterschaften, werden durch Berichte in den Nachrichtensendungen und Sportprogrammen abgedeckt. Die meistgehörten Sendungen sind die Nachrichten um 6.00, 13.00, 18.00 und 22.00 Uhr sowie die Frühstückssendung zwischen 6.00 und 8.00 Uhr. GRTS strahlt auch Überspielungen (sogenannte „Transkriptionsprogramme”) von der BBC und der Deutschen Welle aus.

Technik wird sorgfältig überwacht

Im Schaltraum gibt es ein Schaltpanel aus dem Jahre 1990. Die Distributionsverstärker sind teils PYE aus den 70er Jahren, teils Drake PD7222. Zwei Empfänger kontrollieren die Ausstrahlungen auf UKW 91,4 MHz und MW 648 kHz. Hier stehen auch zwei Empfänger für Übertragungen. Sendungen von BBC, Radio France Internationale und Voice of America werden auch auf einem Eddystone 1615 empfangen. Im Schaltraum gibt es drei Steuersender (Exciters), mit denen die 10 Kilowatt Eddystone-UKW-Sender betrieben werden. An einer Ecke des Funkhauses steht ein Mast, über den das Programm auf 91,4 MHz ausgestrahlt wird. Dieser Sender wird auch für die Zuspielungen an den 20 Kilometer entfernten 50 Kilowatt starken MW-Sender in Bonto benutzt. Zusätzlich gibt es einen MW-Sender in der Stadt Bantu im Osten des Landes. Laut „World Radio TV Handbook” soll dieser ein Kilowatt starke Sender auf 747 kHz arbeiten. Tatsächlich arbeitet er aus der Stadt Basse Santa Su mit zukünftig 20 Kilowatt auf 909 kHz. Dies ist dieselbe Frequenz, die auch Radio Syd benutzt, weshalb Syd bereits dagegen protestiert hat. Der Sender in Basse wird über ein optisches Kabel gespeist.

Da Gambia im Sahelgebiet liegt, ist es notwendig, täglich alle Kontakte zu reinigen, weil Sand in die Anlagen eindringt. Weiterhin ist die Stromversorgung nicht besonders zuverlässig, so dass GRTS eigene Generatoren und Batterien besitzt. 

Im Livestudio arbeitet der Sender mit einem Soundcraft SAC 200 Mischpult. Die Station hat auch Plattenspieler von Technics und LAD. Die Tonabnehmer wurden in einen Schrank gelegt! Um Geräusche zu verhindern, ist das Studio im Stil eines „abgefederten Kastens” gebaut. Normalerweise benutzt GRTS eine zentrale Klimaanlage. In diesem Studio hat man eine eigene Reserveanlage. Wenn nötig, kühlt man das Studio während einiger Stunden und schaltet die Anlage danach während der Sendung wieder ab. 

General Purpose Studio

Das größte Studio wird als „General Purpose Studio” bezeichnet. Hier werden Hörspiele und Musiksendungen aufgezeichnet. Für diese Zwecke hat GRTS eine digitale Anlage mit 24 Kanälen. Im Studio stehen einige Tische, so dass die Nachrichtensprecher der verschiedenen Sprachversionen gleichzeitig anwesend sein können. Sie sitzen daran in der Reihenfolge, in der sie die Nachrichten verlesen, damit der Techniker einen Überblick behält. 

Ergänzend sei angemerkt, dass sich die Fernsehstudios von GRTS in Serrekunda in der Nähe der Anlage von Gamtel befinden.

Radio 1FM - die Stimme von Serrekunda

Serrekunda ist die Stadt mit der größten Wachstumsrate Gambias. Etwa 60.000 Menschen leben dort. Die Hauptstraße heißt „Kairaba Avenue”. Hier findet man auch das private Radio 1 FM, das mit einer Leistung von 500 Watt auf 102,1 MHz sendet. Der Sendemast ist etwa 40 Meter hoch. Das Unternehmen, das nur acht Angestellte beschäftigt, wird von Frau Jannaba Bal geleitet. Die Sendungen werden rund um die Uhr ausgestrahlt. Laut dem Lizenzvertrag muss Radio 1 FM die Nachrichtensendungen von GRTS übertragen. Daneben hat man mit der Eigenproduktion „Sunday News Hour” am Sonntag zwischen 12.00 und 13.00 Uhr ein weiteres Informationsprogramm im Angebot. Es behandelt einheimische und internationale Ereignisse. Die Redaktion wertet alle Zeitungen des Landes aus. 

Musikalisch bietet man eine bunte Palette aus Reggae, afrikanischer Musik, Rap und Disco. Die Moderatoren sind angewiesen, jede Sorte Musik in jeder halben Stunde zu spielen. Die Musik kommt von Kompaktkassetten, aber es gibt auch CDs und Langspielplatten. Unter anderem hat man eine LP des Schriftstellers Alex Hailey, der das Buch „Roots” geschrieben hat. Darin geht es um einen US-amerikanischen Sklaven, der sich auf die Suche nach seinen „Wurzeln” im westafrikanischen Gambia begibt. In den 80er Jahren wurde der Roman für das Fernsehen verfilmt. 

Radio 1 FM hat nicht besonders viel Werbung im Programm; früher gab es mehr davon. Einige Werbemitteilungen wurden live von einem Zettel abgelesen. Die Station wurde Anfang der 90er Jahre gegründet. Sie ist in einem kleinen Haus untergebracht, wo man Studios ohne irgendeine Schallisolierung hat. Der Sender wird mit Hilfe eines kleinen Ventilators gekühlt. So etwas habe ich in früheren Jahren oft bei Piratensendern in Irland gesehen.

West Coast Radio wird von Niederländern betrieben

West Coast Radio ist einer der meistgehörten Sender des Landes. Er strahlt sein Programm aus der Stadt Serrakunda auf 95,3 MHz aus. Seine Gründer sind Jaap Schaap und Hans van’t Zelfde. In den 70er Jahren waren sie die Initiatoren des Piratensenders Radio Rijnburg in Katwijk in den westlichen Niederlanden. Anfang der 80er Jahre wurde es für Schaap und van’t Zelfde langsam zu schwierig, da die Behörden in den Niederlanden ihre Aktivitäten verstärkten. Später arbeiteten beide beim Lokalsender Radio Mebora (106,4 MHz). 

Bereits im Jahre 1994 wurde ein Lizenzantrag gestellt, doch konnte erst am 7. Juli 1997 mit den Sendungen begonnen werden. Man ist landesweit die einzige Privatstation, die nicht die Nachrichtenprogramme von GRTS übertragen muss. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass alle Programmbestandteile (Musikauswahl, Jingles und Werbespots) von einem Computer abgewickelt werden. Die Musiktitel kommen von einem CD-Spieler, während die Werbung auf Minidisks abgelegt ist. Der Computer spielt automatisch jede halbe Stunde die Spots ab und hat eine höhere Priorität als der Moderator. Der könnte somit auch pflichtvergessen sein ­ die Werbung wird trotzdem ausgestrahlt. Bei West Coast Radio ist der niederländische Einfluss zu spüren: Vor und nach der Reklame ist eine Jinglevignette zu hören, die auch in den Niederlanden im Programm von STER zu hören ist. Und auch die Organisation: Auf der Bildschirmoberfläche sind die Programmbestandteile mit Farbcodes gekennzeichnet ­ grün für Jingles, rot für die Werbevignette und weiß für die Spots.

„West Coast Radio” ist übrigens ein Stationsname, den wir auch von der Kurzwelle kennen. Dort handelt es sich jedoch um einen irischen Sender, der die Anlagen der Telekom in Jülich nutzte. Und auch in den USA gibt es ein „West Coast Radio”.

In Gambia bringt West Coast Radio tagsüber eigene Nachrichten zur vollen Stunde. Quellen sind der BBC World Service, CNN und verschiedene Nachrichtenagenturen im Internet. Lokale Berichte bilden jedoch den Schwerpunkt, und auch Nachrichten aus Afrika sind sehr wichtig; sie machen etwa 40 Prozent der Berichterstattung aus. Der Sender bringt eine bunte Palette von Musik. Die niederländischen Betreiber nennen es „Middle of the Road” gemischt mit afrikanischer Musik. Es gibt 28 Angestellte, davon sind drei Flüchtlinge aus anderen Ländern Westafrikas. Jaap Schaap und Hans van’t Zelfde hatten sich nach eineinhalb Jahren ehrenamtlicher Arbeit bei UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, unzufrieden von der Organisation abgewandt. Die Beschäftigung der drei Flüchtlinge ist auf diese frühere Zusammenarbeit zurückzuführen.

Nachts arbeitet nur »Onkel Henk«

Nachts befinden sich nur zwei Wachleute und ein Hund in dem Gebäude, das von einer Mauer mit Stacheldraht umgeben ist. Die Sendungen zwischen Mitternacht und sieben Uhr morgens sowie samstags zwischen zwei und sieben Uhr werden vollautomatisch gefahren. Und der Computer, den man hierfür verwendet, wird liebevoll „Onkel Henk” genannt. 

In einen Badezimmer steht ein niederländischer Sender der Firma CBT Electronics aus Temuizen. Der Sender leistet ein Kilowatt in der Hochleistungsschaltung und 400 Watt in der Niedrigleistungsschaltung. West Coast Radio verwendet einen Behringer Multiband Limiter / Compressor. Im Garten steht ein 40 Meter hoher Mast, an dessen Spitze sich acht Sendeantennen befinden, die das Signal mit einem Antennengewinn von 12 dB ausstrahlen. Tagsüber sendet die Station mit voller Leistung, nachts mit niedriger Leistung ­ teilweise um Geld zu sparen, teilweise um Risiken zu reduzieren. 

Karl-Erik Stridh
Fotos: © Karl-Erik Stridh
www.grts.gm

Aus RADIO JOURNAL 8/1999