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Rundfunk Meisner - domradio mit himmlichem Programm

Zum Sendestart am Pfingstsonntag 2000 sorgte der Kölner Kardinal und Erzbischof Joachim Meisner dafür, dass er bibelgemäß „wie mit Feuerzungen” daherkam. Damals schwenkte der Oberhirte des Kölner Bistums begeistert seinen Weihrauchkessel, unterstützt von zahlreichen Ministranten, die dem Ereignis beiwohnten. Allerdings waren die Rauchmelder im Studio nicht auf Gottes Frequenz programmiert - und lösten flugs einen Großalarm bei der örtlichen Feuerwehr aus. Das neue dormradio war also spektakulär gestartet und Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen findet noch etwas anderes ganz amüsant: „Wir hatten dem Erzbischof vorsorglich das Weihwasser ausgeredet, damit es unsere empfindliche Sendetechnik nicht zerstört. Nun hätte es fast zum Löschen gefehlt...”

„Gott sei Dank - wir sind auf Sendung!“ Mit diesen Worten von Kardinal Meisner war der Startschuss für das erste kirchliche Programm Deutschlands gefallen. Denn: Christliche Sender gibt es einige, aber domradio aus Köln ist das erste offizielle Programm einer Amtskirche. Getragen wird es vom Bildungswerk der Erzdiözese Köln e.V. An der Spitze stehen der Vorsitzende Peter Roos und Programmleiter Joachim Zöller. Mit ihnen arbeiten sechs Redakteure, ein Techniker, zwei Sachbearbeiter sowie zirka zwanzig freie Mitarbeiter am himmlischen Vergnügen, das sie den Hörern mit ihrem Programm bereiten wollen. 

Anders als die meisten Verkündigungssender macht die kirchliche Welle ein Programm, das wie ein modernes Privatradio klingt, dabei aber gleichzeitig die Inhalte nicht vernachlässigt. Wichtigster Bestandteil ist allerdings auch hier die beruhigende und angenehm zu hörende Musik, die eine Mischung aus „Soft AC“ und „Kuschel Rock“, gepaart mit einigen kölschen Titeln und Spezialsendungen zu geistlicher und klassischer „Musica“ am Sonntag ausmacht. 

Bereits vor drei Jahren ­ zum 750-jährigen Jubiläum des Kölner Doms ­ wurde ein 14-tägiges Veranstaltungsradio im Stadtgebiet durchgeführt. Aus diesem erfolgreichen Projekt entstand die Fortführung der Idee zu einem kirchlichen Spartenradio. Dieses ist nun bei zirka zwei Millionen Wohneinheiten im Kölner Kabel und darüber hinaus digital sowie analog auf Astra und per Livestream im Internet zu hören. Wohltuend am 24 Stunden-Programm bei domradio ist auch dessen völlige Werbefreiheit und der dosierte Einsatz der sonst oftmals zu penetranten Jingles. So wird zum Beispiel das Wetter nicht mit Musik unterlegt, sondern stattdessen ein simpler, aber akustisch interessant komponierter, Einspieler „domradio - der Blick nach oben. Das Wetter“ geboten. 

Die Welt- und Kirchennachrichten laufen bei domradio immer zur halben Stunde. Zur vollen gibt es erbauliche literarische und biblische Texte von bis zu zwei Minuten Länge in der Rubrik „Das Wort“. In der Zeit von 6 bis 22 Uhr wird über Themen wie Kirche, Gesellschaft, Ereignisse und Menschen berichtet. Dazu gehören: Information, Bildung, Lebenshilfe und Beratung, Service, Unterhaltung, Kulturelles, Spirituelles und religiöses Brauchtum sowie Liturgie. 

domradio 1998 zum Domjubiläum - Interview mit Weihbischof
Dr. Friedhelm Hofmann, Erzbistum Köln.

Eins will domradio jedoch auf keinen Fall sein - ein Verkündigungssender. Trotzdem sind im Programm natürlich Gottesdienstübertragungen aus dem Kölner Dom und anderen Kirchen des Bistums zu hören. „Laudes“ und „Komplet“ an jedem Morgen und Abend und der „himmlische Hit“ vor jeder vollen Stunde runden das interessante Programmprofil ab. Zwischen 7 und 9 Uhr steht „Der Morgen“ auf dem Programm. Hier sind aktuelle Berichte, eine Presseschau und Veranstaltungshinweise zu erwarten. Nachricht des Tages ist zum Beispiel der tägliche Verbrauch von 2000 Litern Messwein bei italienischen Priestern – zusammen, versteht sich. In „Der Mittag“ von 12 bis 13 Uhr sitzt Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen zuweilen selbst am Mikro, um sich Themen wie dem Tarifstreit im öffentlichen Dienst zu widmen oder ein Interview mit Militärseelsorgern zu führen. „Der Tag“ von 16 bis 18 Uhr bereitet „Guten Abend“ um 20 Uhr vor. Im Nachtportal ab 22.30 Uhr sind regelmäßig Nachrichten, dazu viel Musik und Wiederholungen der Tagesbeiträge zu hören. 

Aus seinem Bürofenster blickt Ingo Brüggenjürgen direkt auf den Kölner Dom, sieht tief unten die Domplatte. „Ein Traumarbeitsplatz“, findet er. Doch musste er sich vor allem in den ersten Wochen vor und nach dem Sendestart so manch kritische Frage gefallen lassen. „Muss die Kirche denn nun auch noch Radio machen? Wo ohnehin auch in der rheinischen Metropole Köln immer mehr Menschen der Amtskirche den Rücken kehren und die Kirchensteuereinnahmen auch nicht mehr werden“ fasst Brüggenjürgen die Reaktionen zusammen. „Denen habe ich dann erstmal erklärt, dass der liebe Gott alles hört - auch Radio - und unsere Erzdiözese außerdem bereits seit über zehn Jahren mit ihren Kirchensendungen erfolgreich im Privatradio vertreten ist. Wir müssen endlich in einer zeitgemäßen Form an die Leute herantreten, um unsere kirchlichen Anliegen zu kommunizieren!“ Dabei hat der Chefredakteur auch drei Zielgruppen im Blick: „Die kirchlich hoch Sozialisierten, die locker verbundenen kölschen Katholiken und die Distanzierten, die die Kirche trotzdem als ernst zu nehmende Stimme bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung ansehen.“ Und sein Sozius Joachim Zöller ergänzt: „Wir wollen eine Alternative sein. Wir bereiten Themen anders auf, senden zuverlässige Informationen aus der Kirche und der Welt. Wir spielen gute Musik - von Reinhard Mey über Elton John bis zu Madonna - die es in dieser Form im Radio gar nicht mehr zu hören gibt! Wir senden selbstverständlich die authentische Stimme der Kirche, aber eben nicht nur Verlautbarungen des Kardinals. Bei uns soll das kirchliche Leben zu Wort kommen - in seiner ganzen Breite.“

domradio zum 750-Jahre-Jubiläum des Kölner Doms - Zu den Festwochen kamen tausende Pilger aus der ganzen Welt nach Köln: Umfrage auf der Domplatte.

Wenn das Experiment domradio gelingt, kann sich das Kölner Team mit Recht die Trendsetterfunktion zuschreiben. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst der deutsche Medienbischof, der Trierer Hermann Josef Spital, ist bekannt für seine Nähe zu den öffentlich-rechtlichen Programmen. Allerdings bietet domradio als - rein rechtlich - Privatsender noch mehr die Möglichkeit, mit einem populären Programm abseits von schwerer Orgelmusik und stundenlangen Rosenkränzen auch eine Brücke zu den nicht (mehr) kirchlich gebundenen Menschen zu schaffen. Brüggenjürgen pocht dabei auf seine Unabhängigkeit: „In der einen oder anderen Sache - wie bei der Abtreibungsdiskussion - wird unser programmlicher Standpunkt sicherlich eine Gratwanderung sein. Aber die überwiegende Mehrzahl von Themen ist wirklich unberührt von Konflikten.“ 

Zum Schluss erzählt der umtriebige Chefredakteur noch etwas über das Anforderungsprofil der jungen freien Mitarbeiter: „Man muss sich schon mit den Grundzügen der katholischen Kirche identifizieren können. Es macht ja auch wenig Sinn, wenn ich Pressesprecher bei den Grünen werden will und für Atomkraftwerke bin. Allein durch die Honorarsätze, die wir zahlen, sind wir ein bisschen gefeit davor, dass da Leute nur eine schnelle Mark machen wollen. Wir zahlen 80 Mark für einen Beitrag - das ist nicht sehr hoch. Dafür bringt der eine oder andere Idealismus mit - und man kann Erfahrungen sammeln. Ich lasse mir aber nicht das Taufbuch zeigen und frage, ob sie alle Messdiener waren.“ 

Bild ganz oben: Kardinal Joachim Meisner zum Sendestart und zur Studiosegnung.

Stefan Förster
Fotos: © domradio
www.domradio.de

Aus RADIOJournal 3/2001