Best of Story
Das Beste aus 20 Jahren RADIOJournal

BBC London:
Mit 60 fängt es erst an... Rück- und Vorausblick

„Hauptprinzip war die Wahrheit”. Mit dieser prägnanten Formulierung brachte Hugh Carleton Greene, der erste Chef des Deutschen Programms der BBC, auf den Punkt, worum es damals ging. Und auch heute noch ist das „Hauptprinzip Wahrheit” für den Deutschen Dienst der BBC, wie für den BBC World Service insgesamt, das Fundament seiner Arbeit.

Als der Deutsche Dienst vor zehn Jahren sein 50-jähriges Bestehen feierte, wurde ausführlich in der Vergangenheit „gekramt”. Tatsächlich sind die Details von Geburtsstunde und Anfangsjahren des Deutschen Dienstes von solcher Faszination, dass sie beim geschichtlichen Rückblick leicht den Löwenanteil ausmachen. Auch jetzt bin ich wieder versucht, ausführlich zu schreiben über die improvisierte und amateurhafte erste Sendung am 27. September 1938 und die darauffolgende Zeit, als BBC in Deutschland „Feindsender” Nummer Eins war. Was das für die Hörer im damaligen Deutschland bedeutete und welch zwingende Motivation das den Mitarbeitern - darunter deutsche und österreichische Exilanten - in der Londoner Redaktion gab, können wir zwar nachlesen, aber in seiner eigentlichen, hautnahen Konsequenz nur erahnen. Die es aus eigener Erfahrung bezeugen können, werden immer weniger, doch glücklicherweise bleiben uns Tondokumente aus jener Zeit. Zwar nicht so viele, wie man sich wünschen könnte - wer dachte schon mitten im Krieg daran, Nachrichtensendungen für die Nachwelt aufzuheben, wenn über dem Morgen ein Fragezeichen schwebte. Aber immerhin sind es genug, um einen Eindruck zu vermitteln. 

1995 feierte der Deutsche Dienst noch einmal: 50 Jahre BBC-Präsenz in Berlin. 1945 setzte BBC-Korrespondent Richard Dimbleby vor dem Brandenburger Tor seinen ersten Bericht ab. Auf den „Krieg der Worte” folgte der „Kalte Krieg”. Zu Zeiten des geteilten Deutschland war das Berliner BBC-Büro von immenser Bedeutung, sowohl für die journalistische Arbeit als auch als Anlaufstelle und Quelle der Information für Hörer in Ost und West. Seit 1963 wird auf der jetzt noch gültigen Frequenz 90,2 MHz gesendet, und seit 1965 ist der Savignyplatz für die BBC-Hörergemeinde gleichbedeutend mit dem dortigen BBC-Büro. Berlin - alte und neue Hauptstadt - und die BBC sind historisch ganz eng verbunden: Grund genug, im Jubiläumsjahr dort einen »Open Day« mit einem historischen Rückblick zu veranstalten.

Der Fall der Mauer 1989 brachte eine Briefflut für den Deutschen Dienst der BBC: „Diesen Brief wollte ich eigentlich schon vor vielen Jahren schreiben...” begannen viele. Euphorie: Jetzt gab es Reisefreiheit und Informationsvielfalt nicht mehr nur im Westen. Bange Frage: Verlor der internationale Rundfunk mit dem Ende der bipolaren Welt seine Relevanz? Der Deutsche Dienst, schon seit den 50er Jahren als Programmzulieferer für deutsche Rundfunksender aktiv und seit der Wende auch Kontakte zu Kollegen im Osten knüpfend, reflektierte die neuen Gegebenheiten im geeinten Deutschland. Ab 1992 boten wir per Abonnement den SAT-INFO-STREAM an, einen für Programm-Macher maßgeschneiderten Audio-Service, rund um die Uhr über Satellit. 

Dann, im April 1995, grundlegende Umstrukturierung beim BBC World Service, Kürzungen, der Deutsche Dienst mit neuem Format: kurze, kompakte Zeitfunk- und Nachrichtenmagazine quasi im Zwei-Stunden-Takt. Ich fragte oben nach der Relevanz, also Sinn und Zweck des Deutschen Dienstes im heutigen Europa. Gewiss, die Welt war anders, aber nicht weniger komplex und konfliktarm geworden. Von der Informationsflut überrollt, sucht der Mensch nach einer zuverlässigen Quelle, nach Orientierungshilfe, nach einer globalen Perspektive, einem weiten Horizont, nach fundierter und ausgewogener Analyse. Genau das ist der journalistische Auftrag des World Service.

Traditionelle redaktionelle Werte veralten nicht, scheint es. Wohl aber Technik und Technologie. Und da setzen wir beim Deutschen Dienst auf den Fortschritt. Wir sind schon bei DAB-Pilotprojekten dabei und sehnen den Tag herbei, wenn jeder uns zum Beispiel im Autoradio in Stereoqualität hören kann. Wir sind schon in RealAudio im Internet, aber die Möglichkeiten dieses Mediums sind noch längst nicht ausgeschöpft. Unser Wunsch zum Geburtstag: dass uns jeder, der uns hören möchte, auch hören kann - in bester Qualität und überall auf der Welt. Unbescheiden? Nein, Vertrauen in die Zukunft unseres Metiers.

Guntram Kremer
[damals] Leiter des Deutschen Dienstes
Foto: © BBC

Aus RADIOJournal 1/1998

• Der Deutscher Dienst der BBC wurde - trotz massiver Hörerproteste - Ende März 1999 eingestellt.