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Das Ende eines Relikts 
Abbruch des AFN-Sendemastes in Berlin

1945 war AFN die erste freie und demokratische Radiostation im ausgebomten und demoralisierten Berlin. Mit seinem Jazz-, Blues-, Swing-, und Rockprogramm eroberte der eigentlich nur zur Versorgung der GI's gedachte Sender, wie kein anderer, die Herzen der Berliner im Sturm. Bis weit in die achtziger Jahre hinein war das American Forces Radio die Adresse für englischsprachige Musik in einer ansonsten mit Schlagern und Volksmusik beschallten, geteilten Stadt. Besonders stolz war man bei AFN Berlin immer darauf, alle US-Präsidenten, die von 1945 bis 1994 das damalige West-Berlin besuchten, interviewt zu haben. 

Das Berliner Lokalprogramm wurde in der Saargemünder Straße 28 produziert. Hier wurden am 15. Juli 1994 auch letztmals die Regler zugezogen. Dann ging alles ganz schnell. Die amerikanischen Soldaten zogen noch im selben Jahr samt Radiotechnik und Studioinventar ab, so dass seitdem in der Stadt nicht mehr viel an AFN erinnert. Die Sprengung des Sendemastes, der fast 30 Jahre die Rundfunk- und Fernsehprogramme der US-Army abstrahlte, setzte im Dezember 1996 einen weiteren Schlussstrich unter das AFN-Kapitel. Mit dem vollendeten Abriss der ehemaligen Sendebaracken auf dem Zehlendorfer Hauptquartier ist nun auch der letzte greifbare Anhaltspunkt amerikanischer Radiotradition verschwunden. Auf dem Gelände werden jetzt 100 Wohnungen für Bundesbedienstete errichtet.

Es war verdammt kalt an diesem 14. Dezember 1996. Einige hundert Schaulustige kamen dennoch um Abschied zu nehmen von einem Sendemast, der wie kein anderer die Rundfunkgeschichte Berlins geprägt hat. AFN Berlin war »on the great 88« (genau genommen 87,9 MHz) seit 1946 in der Stadt mit seinem swingenden Programm vertreten. Damals befand sich die Sendeantenne noch auf der Ladefläche eines LKWs, welcher am U-Bahnhof Podbielskiallee postiert wurde und so wenigstens ein Teil der im Südwesten Berlins stationierten GI's erreichte. Doch bald erkannte man die Notwendigkeit eines richtigen Stahlsendemastes, der nicht nur ganz West-Berlin, sondern möglichst auch weite Teile der damaligen sowjetischen Besatzungszone erreichen sollte. Dieser Mast hatte 1967 schon wieder ausgedient, denn in diesem Jahr ging die jetzige Antenne auf dem Freigelände der Domäne Dahlem "on air". Von diesem 125 Meter hohen rot-weißen Gittermast wurde AFN Berlin auf UKW 87,9 mit ein Kilowatt und auf Mittelwelle 1107 kHz mit 10 Kilowatt abgestrahlt. Auch das TV-Programm auf Kanal 29 kam aus Dahlem.

Mit dem Fall der Mauer war das Ende der Legende AFN abzusehen und so wurde der Mittelwellensendebetrieb schon bald eingestellt. Bis zum 15. Juli 1994 war AFN Berlin noch auf Sendung, anschließend wurde noch bis zum Jahresende das Rahmenprogramm AFN Frankfurt ausgestrahlt. Der Mast hatte nun seine Aufgabe verloren und wurde stillgelegt. Für andere Berliner Radiosender kam er als Abstrahlmöglichkeit nicht in Betracht, da er am Stadtrand lag und aufgrund seines ungünstigen Standortes nicht einmal ganz Berlin in Mono versorgen konnte. 

Ein ehemaliger Mitarbeiter von AFN hatte Interesse bekundet den Antennenmast für den symbolischen Preis von einer Mark zu erwerben, hier zu zerlegen und in den USA wieder aufzubauen. Das war leider nicht realisierbar, da der Mast schon so marode war, das ein Wiederaufbau gar nicht mehr möglich gewesen wäre. So wurde es höchste Zeit möglichst noch vor den großen Herbststürmen die legendäre Antenne abzureißen. Da sie auf einem zirka zwei Quadratkilometer großen landwirtschaftlichen Freigelände stand, war es kein Problem sie zu sprengen. Um 12.23 Uhr kappten die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks via Fernzündung die sechs Halteseile und lösten die Detonation am Fußpunkt des Mastes aus, so dass er wie ein Strohhalm auf das Freigelände der Domäne Dahlem fiel. 

Eine Woche später hatten die Berliner noch einmal die Möglichkeit ein Stück ihres Antennenmastes zum symbolischen Preis zu kaufen, bevor er den Weg zum Schmelzofen antrat. Die Legende AFN ist damit besiegelt, doch die Erinnerung bleibt.

Stefan Förster
Fotos: © Stefan Förster

Aus RADIOJournal 11/1997