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Hautnahe Erlebnisse aus dem koreanischen Alltag - oder die Jagd nach den Schnürsenkeln

Seoul: Eine Stadt mit über zehn Millionen Einwohnern. Damit lebt ein Viertel der südkoreanischen Bevölkerung in der Metropole, so dass die Ausmaße der Stadt dementsprechend riesig sind. Da sollte man meinen, dass Einkaufen kein Problem darstellt und alles leicht erhältlich ist. Doch gerade ganz simple Dinge können sich in Südkoreas Hauptstadt als schwierig erweisen. Das stellte kürzlich auch der aus Deutschland stammende Bernd Esch fest. Denn für Seoul ist charakteristisch, dass es kein allumfassendes Einkaufszentrum in der Stadtmitte gibt. Ganz im Gegenteil: Jede Branche hat ein eigenes Zentrum, in dem dann beispielsweise nur Haushaltsartikel, nur Kleidung oder nur technische Geräte und Computer verkauft werden. So kann die Suche nach ganz profanen Dingen erheblich dauern, wenn man nicht genau weiß, wo man suchen soll...

Einmal wöchentlich vernahm man im Programm von Radio Korea International (RKI) das Knipsen einer mechanischen Kamera, das Zeichen, dass es wieder Zeit für den Korea-Erlebnisbericht von Bernd Esch war. Dann war Moderatorin Kang Kyung-a mit der eingespielten Frage zu hören: „Nun kommen wir zu Bernds Koreabericht. Was hast du denn heute zu berichten? Ich bin wieder ganz gespannt, schieß mal los!“

Platziert in der Freitagssendung »Kreuz und quer durch Korea«, berichtete der Ko-Moderator des Magazins, wie ihm der koreanische Alltag begegnet und welche Besonderheiten dieser für einen Europäer immer wieder bereit hält. Ganz offen ging Bernd Esch auf die Erlebnisse ein, die ihm widerfuhren. Da erwies sich etwa der Kauf von Schnürsenkeln als eine wahre Herausforderung, denn der Tante-Emma-Laden an der Ecke führt zwar alle möglichen Gegenstände, aber keine Schnürsenkel. Auch in Kaufhäusern und Schuhläden wird der Suchende nicht fündig, so dass er sich auf den Weg zu den Märkten begibt. Diese sind so riesig, dass sie ganze Stadtteile einnehmen, wie Bernd bemerkte, und so ging die Jagd nach den Schnürsenkeln mit mancherlei Hindernissen weiter...

Wachen Auges nahm Bernd Esch den koreanischen Alltag wahr und berichtete von besonderen Accessoires wie kleinen Schmuckanhängern für das Handy in Form von populären Comicfiguren; Geräuschen in der Großstadt, zu denen klatschende Händler ebenso gehören wie lautstark zirpende Heuschrecken; und Hunden, deren Styling manchmal anmutet, als wären sie im Windkanal frisiert worden. Grundlegend haben die Koreaner natürlich die gleichen Bedürfnisse und eine ähnliche Organisation ihres Alltags, doch die kleinen Dinge des Lebens und auch typische Gewohnheiten können für Europäer gelegentlich etwas ungewöhnlich erscheinen. Diese Besonderheiten schilderte der Radiomacher immer vor dem Hintergrund seiner deutschen Herkunft. Im Gespräch stand ihm die Koreanerin Kang Kyung-a zur Seite, die seine Erlebnisse kommentierte, nach den deutschen Gewohnheiten frug und gelegentlich die Geschehnisse einordnete oder erklärte.

Den Weg nach Seoul und zum Auslandsradio hatte der gebürtige Trierer eher zufällig gefunden. Zunächst studierte er die Hauptfächer Englisch und Deutsch. Um mal ein wenig andere Luft zu schnuppern, ging es dann nach dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien nach Bayern zum Referendariat. Im Visier lag weniger die Schule, sondern vielmehr die Universität. So konnte er sein Interesse an fremden Kulturen, die Neugier auf Neues und das Berufsziel perfekt miteinander verbinden, als er auf ein Stellenangebot der Hankuk Universität für Fremdsprachen in Seoul stieß. Denn lediglich in einem Urlaub sah er nicht die Möglichkeit gegeben, die Kultur eines ostasiatischen Landes wirklich hautnah kennen zu lernen.

„Das ist schon ganz anders, denn so muss man sich selber auch der anderen Kultur öffnen, eigene Wertvorstellungen infragestellen, modifizieren oder über Bord werfen, vielleicht kann man die Ausrichtung auf eine Kultur erkennen und diese überwinden. Ich empfand die Möglichkeit nach Korea zu gehen als eine Chance genau das zu tun. Und fand es lustig und auch ein wenig befremdend, wie seltsam viele Menschen darauf reagierten: ‚Nach Südkorea? Das ist doch so gefährlich wegen des Nordkoreakonflikts’ und ‚Asiaten sind doch so verschlossen, da weiß man nie, woran man ist...’ Und so weiter war zu hören.“

Trotzdem stellen sich natürlich noch zwei Fragen: Wie kam Bernd Esch nun eigentlich zum Radio? Und wurde er auf der Suche nach den Schnürsenkeln fündig? Der umtriebige Uni-Dozent hatte zwar schon immer Interesse am Auslandsradio, da der Empfang über Kurzwelle ihm die Chance gibt, sich über verschiedene Länder aus erster Hand zu informieren. Allerdings war er in dieser Richtung bisher nicht selbst tätig gewesen. Dann wurde er aber von einer Kollegin an der Universität angesprochen, der seine Stimme sympathisch war und die ihn einlud, sich beim Radio selbst zu versuchen. So kam der Trierer zu RKI, wo er nicht nur in der Freitagssendung zu hören war, sondern auch dienstags »Das Kulturforum« moderierte. Dort wird über verschiedene kulturelle und gesellschaftliche Trends berichtet und die Entwicklungen der koreanischen Gesellschaft beleuchtet. Beide Sendungen können nicht nur auf RKI gehört werden, sondern sind seit August 2003, dem 50-jährigen Jubiläum des Senders, auch weltweit auf WRN Deutsch empfangbar. Dort wird täglich eine 30-minütige Version des einstündigen deutschen Kurzwellenprogramms ausgestrahlt.

Die „Schnappschüsse“ als Teil von »Kreuz und Quer durch Korea« waren es wert gehört zu werden, denn in jeder Folge gelang es Bernd Esch bildreich und eindrucksvoll von seinen Erlebnissen zu erzählen. Koreafans und alle mit einem Interesse an Ostasien konnten an seinen Eindrücken und Erfahrungen teilhaben, die man zusammen mit den Einschätzungen von Kang Kyung-a in keinem Reiseführer finden würde. So lebhaft wie Bernd seine Streifzüge durch Korea schilderte, kann man seine Erleichterung mitfühlen, wenn er zu guter Letzt erfolgreich Schnürsenkel entdeckte. Diesem Erfolg ging zunächst noch der Frustbesuch in einem Restaurant voraus, bei dem ihm die Absurdität der Situation bewusst und sogar in Zukunft schon der Kauf von ausschließlich Slippern in Erwägung gezogen wurde. Fündig wurde er letztendlich, als er sich schon resignierend auf den Heimweg zur U-Bahnstation begab, die er bereits drei Stunden vor Beginn der Suche passiert hatte. Und siehe da, dort stand ein Händler, der das Objekt seiner Begierde in allen Längen und Farben verkaufte, so dass Bernd die Jagd nach den Schnürsenkeln erfolgreich abschließen konnte.

Stefanie Abel
Fotos: © Bernd Esch
http://world.kbs.co.kr/german 

Aus RADIOJournal 11/2004

• Bernd Eschs kleine Kolumne ist nicht mehr in der halbstündigen Programmfassung von KBS für World Radio Network (WRN Deutsch) enthalten, und er selbst nicht mehr beim koreanischen Auslandsdienst. Sendezeit und Frequenzen: www.wrn.org  
Die Sendung »Kreuz und quer durch Korea« wird von KBS Worldradio Montag bis Freitag von 20.15 bis 20.45 Uhr Weltzeit (=21.15 MEZ) auf Kurzwelle ausgestrahlt. Auf der Webseite ist ein Download möglich.