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Radio Luxemburg
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Ulf D. Posé gehörte als „Pascal Posé“ zur Diskjockey-Crew des gescheiterten Seesender-Projekts „Radio Nordsee“, das Ende 1968 vom ehemaligen Radio-London-Sendeschiff Galaxy in der Deutschen Bucht starten sollte. 1970 arbeitete er dann unter dem Namen „Hannibal“ tatsächlich bei der Offshore-Station RNI auf der Mebo II in internationalen Gewässern vor der niederländischen und englischen Küste. Bis 1980 war er anschließend als „Ullrich“ dreieinhalb Jahre bei Radio Luxemburg und dann unter seinem eigenen Namen sieben Jahre beim WDR beschäftigt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeitet der Mönchengladbacher nun als Management- und Verkaufstrainer.
»Okay, Sie haben ein neues Schiff!«
Zu überlegen ist ja: Wie war damals die Rundfunkwelt? Sie war geprägt durch staatliche, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Die Sender in der Bundesrepublik haben für junge Leute kaum etwas geboten. Der erste, der bereit war, sich um junge Leute zu kümmern, war der Südwestfunk Anfang der siebziger Jahre. Ende der sechziger Jahre tat das in Deutschland keiner. Ein bisschen moderner, aber durchaus hausbacken, war Radio Luxemburg. Das war der populärste Sender schlechthin, und dann kamen die Piratensender und versuchten modern zu sein, auch in deutscher Sprache - das gab es vorher nicht. Heute sieht die Welt ganz anders aus. Da hat fast jede kleine Stadt ihr Lokalradio und die Musik ist sehr populär, sehr aktuell, sehr international. Aber 1969 oder 1970 war daran noch nicht zu denken.
Das Gesetz gegen die Piratensender war 1970 in Deutschland schon ratifiziert. Ich war ja nun Deutscher, und wir hatten uns nach der Ratifizierung überlegt: Ja, wie heiß ich denn dann. Mein Diskjockey-Name war Pascal Posé, und dann haben wir gesagt: In Deutschland kannte man mich durchaus, ich war in vier Diskotheken tätig, also besser ein bisschen vorsichtig sein. Nach langem Überlegen kamen wir dann auf die Idee zu sagen: „Hannibal The Cannibal from Radio NorthSea International,“ das war dann so ein Sprachfluss. Mein richtiger Name war aber bekannt durch das Hamburger Radio Nordsee-Projekt. Und so hab ich mir überlegt: Was machst du jetzt?
Im Studio auf dem RNI-Sendeschiff MEBO II (von links): Duncan,
Roger, Andy und Hannibal.
Ich wusste sehr genau, dass das Gesetz eine Strafe von bis zu zwei Jahren Gefängnis vorsah, wenn man einen solchen Sender unterstützt. Unterstützen heißt eben auch, dort zu arbeiten. Ich hatte ein bisschen Schiss. Also habe ich Edwin Bollier (Eigentümer der MEBO II, Sendeschiff Radio Nordsee) gesagt: „Ich würde gern aufhören, es ist mir zu risikoreich.“ Er sagte: „Okay...“ Ich habe ihn dann gefragt, ob ich noch mal aufs Schiff dürfte, um meine Schallplatten abzuholen. Da sagte er: „Da musst du dir schon ein eigenes Schiff mieten, um sie dort abzuholen.“ Dabei war das ein ganz schön großer Koffer mit den Tophits, der war somit weg.
Anschließend war ich noch vier Wochen in der Diskothek „Alabama“ in Dörpen, das liegt in der Nähe von Papenburg im Emsland, verdiente dort ein Menge Geld als „Hannibal from RNI“.
In der Zeit habe ich mich bei Radio Luxemburg beworben. Wurde dann eingeladen zum Vorsprechen. Der Programmdirektor Helmut Stoldt, der Chefsprecher Frank Elstner und Jochen Pützenbacher (der spätere Chefsprecher) nahmen mich dort zu dritt in Empfang und ließen mich moderieren. Ich musste mit dem Frank ein Interview führen, und Jochen sollte einen Künstler mimen, mit dem ich sprechen musste. Nach einer Stunde sagte der Stoldt: „Okay, Sie haben ein neues Schiff.“ Und dann hatte ich ab dem 1. August 1970 einen neuen Job bei Radio Luxemburg für zunächst vier Wochen Probezeit. Am letzten Tag wurde immer dem neuen Sprecher gesagt, ob er bleiben kann oder gehen muss, das ist ziemlich hart. Aber ich konnte bleiben - für dreieinhalb Jahre als „Ullrich“.
Als ich beim WDR 1974
anfing, gab es da eine neue Jugendsendung, die »Radiothek«. Ich war
einer der sechs Moderatoren. Der WDR hat in der Radiothek ähnlich
wie RNI gearbeitet, also wir haben dort auch die verschiedenen
Musiktitel angesagt und ein bisschen was über die Künstler erzählt.
Radio Luxemburg machte das etwas anders, da wurden nicht nur Platten
angesagt, mit dem Titel, dem Künstler, wo kommt er her usw. Wir
mussten uns vielmehr irgendwelche Themen überlegen, vornehmlich in
den Nacht- und UKW-Sendungen, in denen wir dann über die Platten
nichts sagen durften und die Hörer mit der Attraktivität des Themas
bei der Stange halten sollten. Die Kollegen beim WDR haben nur
Bauklötze gestaunt und dicke Augen gemacht, wie man Sendungen fährt.
Ich hab da alles ausgekramt. Radio Nordsee hatte zum Beispiel ein
„Format-Play“ - das hatte ich niemals vorher gehört und dann von
Roger ‚Twiggy’ Day gelernt. Er hatte die „Format-Playliste“ schon
von Radio Caroline mitgebracht und sagte: „So kriegst du Hörer, so
bleiben die am Rohr.“
Roger ‚Twiggy’ Day' ein ‚Skinny’, ein
ganz dünner, ständig beschäftigt, immer quirlig, saß auf dem Tisch,
wenn er redete. Der konnte nicht still sitzen während seiner
Sendungen. Da brauchtest du nur zuzuhören, da wusstest du: Die sind
hoch professionell, die haben irre Erfahrungen. Mit 22 bist du
neugierig, also was machst du: du guckst ab. Das hat mir später sehr
geholfen bei Radio Luxemburg und beim WDR. Da kriegst du dann selbst
eine Professionalität.
In den zwölf Jahren, in denen ich Rundfunk und Fernsehen gemacht
habe, hatte ich immer Zugriff auf die Auswahl der Musik. Bei Radio
Nordsee war das ganz einfach: Ich brachte meine eigenen
Schallplatten mit. Damals sind wir mit zwei Diskjockeys durch die
deutschen Lande gezogen und haben bei den Firmen um Musterexemplare
gebettelt, damit wir überhaupt Schallplatten an Bord hatten. Bei
Radio Luxemburg war das anders: Der Sender wurde überschüttet mit
Schallplatten der Musikindustrie, und auch hier konnte jeder
Sprecher die Musik selbst auszusuchen, wobei der Sender sich
vorbehielt Eingriff zu nehmen in das Programm. Wir hatten dort die
Vorschrift, dass wir im Tagesprogramm nicht mehr als 20 Prozent
englische Titel spielen durften. Das war bei Radio Nordsee völlig
freigestellt. Der WDR war da wieder einfacher. Da konnte man trennen
zwischen Sprecher und Musik, da gab es zwei Verantwortlichkeiten.
Aber meist wurde das in eine Hand gelegt, und ich hatte im WDR immer
die Verantwortung für die Musikauswahl und die Sprachinhalte
zugleich.
Die schönste Story habe ich bei Radio
Luxemburg erlebt: Paul McCartney startete seine Tournee mit den
Wings, die Beatles waren aufgelöst, und ich arbeitete bei RTL und
wollte ihn interviewen. Ich fuhr also nach Offenburg, dort fand das
Konzert statt. Es dauerte lange, und der Veranstalter Fritz Rau ließ
nicht jeden herein. Aber ich habe gekämpft, um mit dem Mann ein
Interview zu machen. Paul McCartney! Da hab ich als 14-Jähriger doch
so gezittert, das war ja meine Zeit, und endlich ließ er sich von
Fritz Rau breitschlagen, mit dem „Ullrich“ von Radio Luxemburg (das
war mein Sprechername dort) ein Interview zu machen.
Ich gehe also in die Garderobe, und da saß er, zusammen mit seiner
inzwischen verstorbenen Frau Linda. Die Jungs von Wings tranken was,
waren sehr locker. Meine Hand hat so gezittert, dass ich sie mit der
anderen Hand festhalten musste, damit das Mikrofon nicht so wackelte
vor lauter Aufregung. Paul McCartney, etwas Größeres konnte man sich
gar nicht vorstellen. Und als wir da so saßen, fragte er mich: „Wer
bist du denn?“ Ich erzählte ihm: „I am Ullrich from Radio Luxembourg,
and before that I have worked for a pirate radio station...“ „Which
pirate station?“ „Radio NorthSea International.” Da guckt er mich an
und sagt: „Hey, are you Hannibal The Cannibal?“ Eine Riesengenugtung
für mich. Ab dem Moment hat nichts mehr gezittert.
Zum Ende meiner Zeit bei Radio Luxemburg hat Frank Elstner sehr bedauert, dass ich wegging. Er hat mir damals gesagt: „Ich fand dich toll, du kannst jederzeit wiederkommen, wenn du einen Job brauchst.“ Ich bin aber nie mehr zurückgekehrt, fand dann die wunderschöne Aufgabe beim WDR, konnte dort ab Ende 1973 die »Radiothek« gemeinsam mit anderen Moderatoren betreuen. Und so war ich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, arbeitete für WDR, NDR, Radio Bremen, SWF (da wäre ich am liebsten geblieben, das war der beste Sender), hr, Südfunk Stuttgart, Deutschlandfunk und Deutsche Welle - insgesamt sieben Jahre.
Fotos: © RJ Archiv / Archiv Dr. Martin van der Ven
Aus RADIOJournal 11/2003
Ausschnitt
aus: "Sie hatten einen irren Spaß
daran!",
Dr. Martin van der Ven im Gespräch mit Ulf D. Posé
über seine Radiokarriere.
www.offshoreradio.de