Rundfunk in Südtirol
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Fotos: © Archiv Reiner Palma

Geschichte des Rundfunks in Südtirol:
Radio Tirol

Sendestart: 20. November 1977
Sitz: Studio Dorf Tirol, Aichweg 4, I-39019 Dorf Tirol
Eigentümer: Dr. Gerald Fleischmann (Direktor)
Wolfram Hilbring (Inhaber)

Nach dem Bekanntheitsgrad einzelner Südtiroler Rundfunkstationen befragt, war das ursprünglich eigenständige Radio Tirol mit Sitz in Dorf Tirol ohne Zweifel eine der populärsten Stationen - wenn nicht sogar die populärste Station in Südtirol.

Bemerkenswert war vor allen Dingen, dass sich Radio Tirol seinen Bekanntheitsgrad nicht wie andere Radios durch Negativschlagzeilen oder spektakuläre Aktionen erwarb, sondern durch seriöse Arbeit.

Im Oktober 1977 wurde Radio Tirol gegründet. Mit den Sendungen startete man dann am 20. November 1977. Ein paar Freunde hatten sich zusammengefunden und den Entschluss gefasst, einen Radiosender zu gründen. Der Kern der Mannschaft, der Radio Tirol gründete, arbeitete zuvor bei der Freien Südtiroler Welle. Da ein Teil der Mitarbeiter der Freien Südtiroler Welle andere Ansichten vertrat als deren Inhaber, Chindamo von Witkenberg, entschloss man sich, unter anderem auch unter federführender Beteiligung von Dr. Gerald Fleischmann, der als Journalist bei der FSW in der Nachrichtenredaktion gearbeitet hatte, ein eigenes Privatradio zu gründen.

Die Eintragung beim Landesgericht in Bozen erfolgte am 3. Oktober 1977. Hierbei wurde Wolfram Hilbring als Inhaber angegeben, als Direktor Gerald Fleischmann. Wolfram Hilbring hatte sich zu dieser Zeit bereits von der Zeitung Dolomiten getrennt und konnte als Inhaber auftreten.

Zusätzlich wurde die angestrebte Sendetätigkeit noch bei der Handelskammer in Bozen angemeldet, wobei mit einigen Gesellschaftern zuvor eine Gesellschaft gegründet worden war. Zu den Teilhabern gehörten unter anderem der damalige Direktor der Raiffeisenkasse Dorf Tirol und auch der Wirtschaftsberater Dr. Fritz Kuppelwieser.

Die ersten Studios richtete man auf der Brunnenburg, unweit von Dorf Tirol ein. Die Brunnenburg ist im Besitz von Siegfried de Rachewitz, der Räumlichkeiten in seiner Burg Radio Tirol zur Verfügung stellte. Er selbst gestaltete sogar einige kulturelle Sendungen für Radio Tirol. Insgesamt konnte man vier Räume auf der Brunnenburg für das Radio nutzen. Zwei Räume dienten für die Studios, zwei weitere als Büro, Aufenthaltsraum und als Plattenarchiv.

Gestartet wurde mit einem Gesellschaftskapital von einer Million Lire und einem Bankkredit. Danach wurde mit Versuchssendungen begonnen.

Die Sendegeräte kaufte man bei Rohde & Schwarz in München. Damit die wichtigsten Geräte eingekauft werden konnten, investierten die Gründungsmitglieder zusätzlich noch ihre Sparguthaben, so dass weitere fünf Millionen Lire zusammen kamen. Das Geld reichte aus, um zwei Plattenspieler, ein Revox-Bandgerät, den Sender, einen 100 Watt Verstärker und eine Antenne anzuschaffen. So begann man mit ersten Programmen, die auch überraschend viel Anklang bei der südtiroler Bevölkerung fanden.

Zu Beginn wurde nur ein Umsetzer auf dem Meraner Hausberg, der Hochmuth, installiert. Zunächst konnte mit diesem Umsetzer hauptsächlich das Burggrafenamt vom Etschtal bis Terlan versorgt werden. In der Ebene konnte der Sender bis in das Überetsch bei St.Oauls gehört werden, zum Teil auch im Vinschgau, Passeier- und Ultental.

Die erste Euphorie bei Radio Tirol verflog jedoch recht bald wieder, denn obwohl die Einschaltpreise für Werbung minimal waren, war es äußerst schwierig, Werbekunden zu finden. Diese Schwierigkeiten ließen sich nur deshalb überwinden, weil es eine ganze Reihe junger begeisterter Leute gab, die für einen winzigen Spesenbetrag bereit waren, Plattenspieler und Tonbandgeräte bei Radio Tirol zu bedienen.

Radio Tirol hatte sehr früh den Ehrgeiz, qualifizierte Nachrichtensendungen auszustrahlen. Es wurde schon frühzeitig ein Vertrag mit der deutschen Presseagentur (dpa) abgeschlossen, um regelmäßig mit den aktuellen Weltnachrichten versorgt zu werden. Die technischen Mittel, um die Nachrichten der dpa zu empfangen, waren jedoch äußerst abenteuerlich und beispielhaft für die Improvisationskunst der frühen südtiroler Radiostationen. Die Geräte zum Empfang der dpa-Meldungen bestanden nämlich aus ausrangierten Maschinen der österreichischen Nachrichtenagentur apa, die damals gerade ihre Gerätschaften modernisierte und darum ihre alten Maschinen billig verkaufte, darunter einen Funkempfänger von einem amerikanischen Kriegsschiff, den man auf dem Schwarzmarkt in Livorno kaufte, einem normalen Antennenkabel, das vom Keller eines Wohnhauses zum Dach führte und einer ganz einfachen, keinesfalls für den dpa-Empfang geeigneten Antenne. Trotzdem funktionierte alles - zwar mehr schlecht als recht - aber man kam über die Runden. Schwieriger war es da schon, an die lokalen Nachrichten selbst zu gelangen. Für Radio Tirol gab es in der Anfangszeit keine anderen Quellen, die man “anzapfen” konnte. Also musste man sich zuerst anderer Medien der Konkurrenz bedienen. Nach und nach erschloss man sich dann aber auch eigene Quellen.

Der technische Ausbau ging zunächst recht zögernd von statten. Als Radio Tirol dann aber das ehrgeizige Ziel anpeilte, rundfunkmäßig die drei Teile Tirols, Süd-, Nord,- und Osttirol zu verbinden, fand man mit Kommerzialrat Josef Moser, Herausgeber der Tiroler Tageszeitung, einen Verbündeten. Josef Moser wurde bei Radio Tirol Mitgesellschafter und sorgte dafür, dass der gesamte technische Ausbau flott weitergehen konnte. Zunächst wurde 1981 eine Sendeanlage auf der Zirogalm im Bereich des Brenners in Betrieb genommen, mit der die Abstrahlung des Programmes nach Innsbruck und in den südbayerischen Raum ermöglicht wurde. Mit seinem Umsetzer nahe der 1.800 Meter hoch gelegenen Zirog-Alm bei Sterzing am Brenner strahlte Radio Tirol auf 101.45 MHz sein 24 Stunden Programm mit 18 Kilowatt Leistung in Stereo über eine acht-Felder Kathrein Antenne in der Abstrahlrichtung Innsbruck / Augsburg / München und erreichte damit Teile Nordtirols und des schwäbisch-bayerischen Raumes.

Mit dem Wachsen des Sendegebietes wurden auch die Räumlichkeiten auf der Brunnenburg zu klein. Die Redaktion übersiedelte deshalb 1981 ins Dorfzentrum. 1983 wurden auch die Studios in das Dorfzentrum verlegt.

Radio Tirol entwickelte sich mit der Zeit zu einer der größten Radiostationen Südtirols. Über 16 Umsetzeranlagen auf rund 20 Frequenzen wurde das Programm in Südtirol, im Großraum Lienz, in weiten Teilen Nordtirols, einigen Teilen Bayerns und sogar in kleinen Gebieten des Schweizer Kantons Graubünden ausgestrahlt.

Besonderen Wert legt man bei Radio Tirol immer auf einen großen und gut recherchierten Informationsblock mit Schwerpunkt auf lokaler Information. Vier Redakteure waren bei Radio Tirol täglich zwischen 12 und 16 Stunden im Einsatz. Ein Techniker betreute das Aufnahmestudio, drei Techniker machten im Live-Studio abwechselnd Dienst, ein weiterer Techniker war für die Betreuung der Umsetzeranlagen, deren Aufstellung, Wartung und für Gerätereparaturen zuständig. Rund zehn bis fünfzehn freie Mitarbeiter kamen zur Moderation in die Studios von Radio Tirol oder übermittelten fertige Programmbänder. Das Live-Studio bei Radio Tirol war von 6.30 bis 24.00 Uhr besetzt.

Im Jahr 1994 wurde Radio Tirol durch einen schweren Schicksalsschlag getroffen. Im Alter von 53 Jahren verstarb am 16. Mai 1994 Dr. Gerald Fleischmann, verantwortlicher Direktor und “Motor” von Radio Tirol an einem Krebsleiden. Von Beginn an galt sein gesamter Einsatz in beispielsloser Weise dem Auf- und Ausbau von Radio Tirol. Anfang der 90iger Jahre gründete Gerald Fleischmann darüber hinaus die Arbeitsgemeinschaft Rund-funk/TV (ART), deren Präsident er bis zuletzt war.

Im Juni 2004 kaufte dann die Radio Media International GmbH (RMI) Radio Tirol von der Ladurner Group, bis dahin Mehrheitseigentümer bei Radio Tirol. Auch die weiteren Anteilseigner bzw. Gesellschafter, Thomas Amonn und Sabrina Fleischmann, verkauften ihre Anteile. Die Ladurner Group wiederum wollte sich auf ihr Kerngeschäft, den Bereichen Baustoffhandel und Umwelttechnik, konzentrieren.

Die RMI, Produzent des “Südtirol Journal”, wiederum hatte bereits zuvor die Sarner Welle aufgekauft und war damit vom Drittanbieter zum Akteur im Südtiroler Radiogeschäft geworden, in dem man die Sarner Welle umbenannte und als Radio Südtirol 1 weiter betrieb. Durch den Aufkauf von Radio Tirol gelangte man an ein großes Umsetzernetz und konnte damit durch Umstrukturierungen Radio Südtirol 1 landesweit besser positionieren.

Radio Tirol blieb als Marke bestehen, jedoch nur mit sehr begrenztem Sendegebiet und wird in Bozen durch Radio Media International (RMI) produziert.

Reiner Palma
Aus RADIOJournal 12/2016

www.radiotirol.it
www.rmi.it