Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Eine feste Größe in Baden -
Erinnerungen von
Heinz Siebeneicher

Zwar ist Heinz Siebeneicher seit bald vier Jahren im Ruhestand, doch dürfte seine Popularität unter dieser Abstinenz nicht wesentlich gelitten haben - zumindest nicht in seiner angestammten Region, dem Badischen. Siebeneicher war seit Ende der 60er Jahre Nachrichtensprecher und Ansager am SWF-Hauptsitz in Baden-Baden, gestaltete seit 1971 mit großem Erfolg die Wunschkonzert-Sendung »Vom Telefon zum Mikrofon«, wechselte in den 80ern zu RTL Radio Luxemburg, für die er aus seinem Privathaus im Odenwald arbeitete, und ging über den privaten Lokalsender Radio Merkur zurück zum SWF (später SWR), dieses Mal als Moderator des Formats »Fröhlicher Alltag«. Hinzu kamen einige Ausflüge zum Fernsehen sowie zahlreiche Live-Auftritte als Conferencier. Dass das Leben - im Gegensatz zum Motto seiner Hörfunkprogramme - kein Wunschkonzert ist, erläutert der im Südwesten immer noch beliebte Radiomann in seinem jüngst erschienenen Erinnerungsband.

Das Buch besteht zu etwa gleichen Teilen aus Betrachtungen seiner Kindheit und Jugendjahre und vielen Erzählungen aus seiner Zeit beim Hörfunk. Aufgewachsen ist Siebeneicher während der Kriegsjahre am Stadtrand von Berlin in einer - so würden wir heute vielleicht sagen - latent disfunktionalen Familie: Ein cholerischer Vater, ein wegen Ehebruchs faktisch verstoßener Großvater, ständiger Streit zwischen den beiden Generationen, das Verschwinden seines Vaters nach dem Zweiten Weltkrieg - von all dem berichtet der Autor in einem offenen Ton und ohne verschämte Zurückhaltung. Kein Wunder, dass er auch seine eigenen „Irrungen und Wirrungen“, etwa die zweifache Ehelichung derselben Gattin oder eine hoffnungslose Liebe zu einer Partnerin in Ost-Berlin, souverän notiert.

Unkonventionell ist auch Siebeneichers beruflicher Werdegang. Angetrieben von seinem Vater, für den Rundfunk und Showbusiness nur brotlose Kunst darstellten, wurde er Beamter bei der Bundespost und behielt seine Stelle sogar noch, während er mit großem Erfolg Woche für Woche im Radio zu hören war. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können, wie die beschriebene Episode vom ersten Vorsprechen beim NWDR im Jahre 1952 zeigte: Da attestierte der Chefsprecher dem jungen, hoffnungsfrohen Nachwuchstalent, dass er zwar den vorgetragenen Text inhaltlich erfasst hätte - dass jedoch bei einer solchen „Verbrecherstimme“ nichts zu machen sei. Dieses Urteil dürfte in späteren Jahrzehnten kaum ein Siebeneicher-Fan (und der Radiomann hatte einen ganzen Fanclub!) unterschrieben haben.

Der Erinnerungsband ist nicht immer linear, also in klarer zeitlicher Abfolge, strukturiert. Bisweilen springt Heinz Siebeneicher auch zurück, greift einen scheinbar fallengelassenen Faden wieder auf oder schiebt Betrachtungen über Politik, Religion, Zeitgeschichtliches und vieles mehr ein. Was manchmal allzu sprunghaft erscheint, wird durch den aufrichtigen Grundton des Autors, der, ähnlich einem wörtlichen Bericht, innehält, kurz auf Nebensächliches zu sprechen kommt und dann im Text fortfährt. Ein sympathischer Kniff sind auch die eingestreuten Kommentare von Siebeneichers bestem Freund, dem Hörfunktechniker Fritze Schukat. Es sind kleine Korrektive, in denen der Haupttext unterstrichen, teils bewertet und bisweilen ein wenig abgeschwächt wird.

Thomas Völkner

Aus RADIOJournal 11-12/2009

• Heinz Siebeneicher: Leben ist kein Wunschkonzert. Erinnerungen eines Radio-Urgesteins. 297 Seiten. 14,80 Euro. Baden-Baden 2009: Aquensis Verlag. ISBN 978-3-937978-37-6.

• Verdienstmedaille für Heinz Siebeneicher: Der Hörfunk- und Fernsehmoderator Heinz Siebeneicher wurde am 9. April 2005 mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Seit mehr als vier Jahrzehnte präsentiert Heinz Siebeneicher, der im Januar seinen 70. Geburtstag feierte, in den Programmen des Südwestrundfunks (SWR) und des Vorgängersenders Südwestfunk (SWF) Unterhaltungs- und Musiksendungen. Zu seinen bekanntesten Sendungen gehören »Fröhlicher Alltag«, »Leichte Brise aus Südwest«, »Vom Telefon zum Mikrofon« oder die »SWR4-Wunschmelodie«. SWR-Intendant Peter Voß gratulierte Heinz Siebeneicher zu seiner Auszeichnung: „Gerade in Zeiten der Globalisierung sehnen sich die Menschen nach Ankerpunkten, die ihnen ein Stück Heimat und Geborgenheit vermitteln. Heinz Siebeneicher hat die von ihm moderierten Radio- und Fernsehsendungen zu solchen Ankerpunkten gemacht.“ Durch seinen Moderationsstil, seine unverwechselbare sonore Stimme und seinen Charme seien diese Sendungen zu Markenzeichen des SWR geworden, sagte Voß. 1964 gab Heinz Siebeneicher die sichere Post-Karriere auf und wechselte als Nachrichtensprecher zum SWF. Schon bald wurde er als Moderator für Unterhaltungssendungen entdeckt und präsentierte ab 1971 zehn Jahre lang »Vom Telefon zum Mikrofon«. Die Sendung erlangte dank seiner durchdachten, einfallsreichen Moderation Kultstatus im Südwesten und erreichte Einschaltquoten bis zu 50 Prozent. Nach einigen Jahren bei verschiedenen Privatsendern kehrte Heinz Siebeneicher 1989 zum damaligen SWF zurück und moderiert seitdem den »Fröhlichen Alltag« im Hörfunk und im SÜDWEST Fernsehen. Als Stimme der täglichen »SWR4-Wunschmelodie aus Freiburg« ist Heinz Siebeneicher den Hörerinnen und Hörern vor allem in Südbaden täglicher Begleiter. www.siebeneicher.de
(RADIOJournal 5/2005) Foto: © SWR