Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

„Hett Clinton Grabbelvisiten afhollen?“
30 Jahre Plattdeutsche Nachrichten
bei Radio Bremen

Nachrichten aus aller Welt ins Plattdeutsche zu übersetzen, ist seit 30 Jahren Aufgabe bei Radio Bremen. Und eine schwierige dazu, denn über Dinge, die sich zum Beispiel zwischen den Geschlechtern ereignen, sprechen die Plattdeutschen meist hinter vorgehaltener Hand - und dann auch nur in Bildern. So wie ungewiss war, was sich zwischen Bill Clinton und Monica Lewinski ereignet hat, so vorsichtig mussten sich die Nachrichtensprecher um das Thema herumwinden. Sie taten es mit der Feststellung „of Clinton Grabbelvisiten mit Monica Lewinski afhollen hett, dat is nich wiss.“

Das war EIN Themenfeld bei den plattdeutschen Nachrichten, die nunmehr seit 30 Jahren bei Radio Bremen gesendet werden. Am 19. Juli 1977 war folgender Satz zum ersten Mal zu hören: „De Klock is halbig ölben. Tiet för de Nachrichten.“ In diesen 30 Jahren haben die plattdeutschen Nachrichtenmacher alle Probleme und Vorfälle der Welt ins Niederdeutsche umgesetzt. Ob es die dramatischen Ereignisse im sogenannten Deutschen Herbst im Jahr 1977 waren, mit denen die Übersetzer der ersten Stunde sich auseinandersetzen mussten, oder die Erfolge und Niederlagen der Kanzler Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder oder neuerdings „de Kanzlersche“ Merkel.

Zunächst wurden die plattdeutschen Nachrichten an zwei Tagen in der Woche gesendet, seit 1995 sind sie von Montag bis Freitag um  halb elf auf bremen eins zu hören. Die Übersetzer und „Snacker“ sind Dr. Reinhard Goltz und Dr. Ulf Thomas Lesle vom Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen, Falko Weerts, langjähriger Moderator in der Fernsehsendung »Talk up Platt«, Heidi Jürgens, Nachrichtensprecherin und Schauspielerin, Marianne Kozlowski, ehemalige Mitarbeiterin der Nachrichtenredaktion, und Gesine Reichstein, Redakteurin bei Radio Bremen.

Sie alle arbeiten daran, die Übersetzungen einerseits zutreffend und wahrheitsgemäß zu formulieren, andererseits sollen sich die Sätze nicht zu weit von einer plattdeutschen Alltagssprache unterscheiden. „Wirtschaftsprofessor Hickel sagte, die finanzielle Situation Bremens bleibe ernst.“ Das sagte er vor zehn Jahren, im Juni 1997, und die plattdeutsche Übersetzung ist auch heute noch wahr: „De Perfesser för Wertschupp, Hickel, det hett seggt, dat Jan Mangel un Peter Knapp wieder dat Regiment in Bremen hebbt.“

Eine eher tragische Geschichte sind 30 Jahre Berichterstattung über den Nahen Osten. Die „Nahrichtenmakers“ mussten von Anfang an für Selbstmordattentate, die Milizen oder radikalislamischen Bewegungen eine plattdeutsche Entsprechung finden. Einfacher sind Meldungen zu Themen, die auch auf der Straße zwischen Nachbarn besprochen werden könnten, wie Wohnungsbrände, Verkehrsunfälle oder Siege von Werder Bremen.

Seit mehr als zehn Jahren werden die plattdeutschen Nachrichten als Text und als Audio auch ins Internet gestellt. Mittlerweile sind sie sogar als Podcast zu beziehen.

Im Bild: Gesine Reichstein, verantwortliche Redakteurin für Plattdeutsche Sendungen auf bremen eins.

Foto: © Radio Bremen
Bremeneins Plattdeutsche Nachrichten

Aus RADIOJournal 8/2007