Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

„Wir biegen die Banane nicht gerade...“
Neustart mit dem Radiofeuilleton - 100 Tage Deutschlandradio Kultur

Mit einem neuen Namen und einer veränderten Programmstruktur startete DeutschlandRadio Berlin am 7. März 2005 als Deutschlandradio Kultur neu durch. „Wir wollen moderner, nicht modischer sein“, definierte Programmdirektor Günter Müchler das Credo der reformierten Welle. 

Mit einem veränderten Kulturbegriff will Deutschlandradio Kultur ein Radiofeuilleton in allen Facetten anbieten. „Wir intensivieren das Wort in neuer Tradition, wollen Qualität und Quote miteinander verbinden. Unser moderner Kulturbegriff ist auch bei der Musik zu erkennen“, ist sich Programmchef Müchler sicher. So können sich die Beatles oder die Stones mit Mozart oder Bach abwechseln. 

Mit dem neuen Namen steht nun auf dem Programm drauf, was auch drin ist: Kultur in all ihren Facetten. Diese klare Inhaltsbestimmung ist zugleich auch eine Abstandsmarkierung zum Kölner Deutschlandfunk, dem zweiten Programm mit Schwerpunkt Information. Deutschlandradio Kultur wendet sich dabei an das Publikum, das ein klassisch geprägtes Interesse an Kultur hat, ebenso an die sogenannten „neuen Kulturinteressierten“, an junge wie ältere Menschen. Es basiert auf einem weit gespannten Kulturbegriff und unterstellt, dass ein Publikum, das dem Schönen zugetan ist, der Alltagswirklichkeit nicht ausweichen will. Deutschlandradio Kultur bietet daher auch Informationen über das Zeitgeschehen.

Das Radio-Feuilleton

Gestalt und Anspruch des modernen Zeitungs-Feuilletons werden auf das Radioprogramm übertragen. Zum Radio-Feuilleton gehören Information und Kontemplation, Streit und Entspannung. Es kennzeichnet das gesamte Programm von Deutschlandradio Kultur, in herausgehobener Weise prägt es die Strecken des Vor- und des Nachmittags. Hier beschäftigt es sich mit allen Genres der Kultur. Außerdem gewinnt es die großen Themen der „Seite eins“ für das Radio und sucht nach Antworten jenseits des politischen Vordergrundes.

Eine Radio-Innovation stellen die Kulturnachrichten jeweils zur halben Stunde dar. Neu ist der journalistische Umgang mit der Tagesmusik. Kein Computer bestimmt die Musikauswahl im Radiofeuilleton, es dominiert keine bestimmte Musikfarbe. Vielmehr bestimmen Musikredakteure die Musikauswahl nach Aktualität: So findet sich jede neue Tournee, jedes aktuelle Musikereignis im Radiofeuilleton. 

Die neue Stundengliederung ist ein Ordnungsprinzip, das leicht verständlich ist und der Hörerschaft die Nutzung des Programms erleichtert. Sie schafft Verlässlichkeit und tritt an die Stelle der Zufälligkeit, die das alte Programm am Vor- und Nachmittag prägte. Bei Deutschlandradio Kultur stehen ausführliche Gespräche und Berichte stets am Anfang jeder Stunde, Ergötzliches und Hintergründiges in der zweiten Hälfte. Dazwischen gibt es – einzigartig im Radio – dreiminütige Kulturnachrichten. Sprachlich und thematisch können diese schon einmal den klassischen Nachrichtenstil verlassen: Sie setzen Pointen, erzählen Geschichten und nehmen Boulevardeskes auf. 

Programmdirektor Dr. Günter Müchler (links) mit leitenden Mitarbeitern.

Einmal pro Stunde werden mit der »Wurfsendung« auch Mini-Hörspiele im Programm platziert. Für all diejenigen Hörer, die bereits um 19.07 Uhr einen Überblick über die wichtigsten Kulturereignisse des Tages erwarten, wurde »Fazit am Abend« ins Programm genommen. Geblieben ist »Fazit«, die kulturelle Tagessummary um 23.05 Uhr, jetzt aber durchgehend von montags bis freitags. Der neue Sendeplatz »Lesung« am Freitag von 19.30 bis 20.00 Uhr stellt nicht nur neue Hörbücher vor, sondern auch Mitschnitte von Lesungen. 

Die veränderten Inhalte spiegeln sich auch im Design wider: Deutschlandradio Kultur zeigt sich nun im frischen Rot-Orange, während der Deutschlandfunk das traditionelle Blau behält. Dem entspricht auch ein reformiertes Internetangebot.

Um das neue Programm von Deutschlandradio Kultur optimal gestalten zu können, zog die Kern-Redaktion in einem langen Flur im Berliner Funkhaus zusammen. Fachredakteure beliefern nun nicht mehr ihren festen Sendeplatz, sondern stehen im Wettbewerb um die besten Sendeplätze im gesamten Tagesprogramm.

Bild oben: Stephan Detjen, Leiter Aktuelle Kultur (links unten), und Mitarbeiter des »Radiofeuilletons« und der »Fazit«­Sendungen.

Fotos: © Deutschlandradio
www.dradio.de

Aus RADIOJournal 6/2005