Geschichte des Senders Europe 1
Europe 1 wurde während der französischen Verwaltung des Saarlandes ins Leben gerufen, um das Verbot kommerzieller Rundfunksendungen in Frankreich zu umgehen. Die Sendungen waren zunächst fernmelderechtlich nicht legitimiert, konnten unter unklar bleibenden Umständen aber auch nach dem Wirksamwerden der bundesdeutschen Funkhoheit im Saarland im Jahre 1957 fortgesetzt werden. Hingegen wurde der am 16. Januar 1958 auf der Langwellenstation Felsberg in Betrieb genommene Fernsehsender des Europe 1-Ablegers Telesaar nach nur neun Tagen von Polizeikräften durch Abtrennung und Versiegelung des Antennenkabels stillgelegt und in der Folge durch das Bundespostministerium die endgültige Schließung von Telesaar zum 15. Juni 1958 verfügt. Ab 1959 beteiligte sich auch der französische Staat über die Gesellschaft Sofirad an Europe 1. Veranstaltet wird das Programm heute von der Lagardère-Gruppe.
Die
Sendestation in Felsberg wurde von 1952 bis 1954 errichtet. Ihr
Wahrzeichen ist das verglaste, in freitragender Spannbetonbauweise
ausgeführte Sendergebäude, das als weltweit erste Anwendung dieser
Bauform gilt und seit 1999 unter Denkmalschutz steht. Von Anbeginn
wurden die Programme in Paris produziert und über eine Postleitung
nach Felsberg überspielt, wo mit Stand 1975 für Störungsfälle aber
auch ein Notstudio mit je zwei Plattenspielern (EMT 930) und
Bandmaschinen (Studer C37) eingerichtet war.
Aufgenommen wurde der Sendebetrieb zunächst mit zwei 200 Kilowatt-Sendern. 1976 wurden in Felsberg zwei 1000 Kilowatt-Sender installiert, die - als Paar mit einer Gesamtleistung von 2000 Kilowatt betrieben - auch heute noch im Einsatz sein dürften, sofern nicht zwischenzeitlich in neue Sendetechnik investiert wurde.
Die
Sendestation verfügt über eine aufwendige Richtantenne aus vier
Masten mit Höhen um 280 Meter, zusätzlich steht auch noch eine aus
zwei Masten bestehende Notantenne zur Verfügung. Die
Hauptsendeantenne weist in Richtung Südwesten einen Gewinn von 5 dB
und in östliche Richtungen Ausblenddämpfungen von bis zu 35 dB auf,
womit die Stärke des in Richtung Ostdeutschland abgestrahlten
Signals dem eines Senders mit nur wenigen Kilowatt Leistung
entspricht. Dabei wirkt diese ungewöhnlich tiefe Ausblendung nur auf
den Träger, während die Seitenbänder in deutlich geringerem Ausmaß
bedämpft werden. Dies führt in den Regionen östlich des Senders zu
starken Verzerrungen, während in noch größerer Entfernung durch
diesen Effekt der Sender Felsberg überhaupt noch gehört werden kann,
vor allem wenn ein entsprechend ausgestattetes Radio auf
Einseitenbandempfang geschaltet wird.
Nach Aufnahme des Sendebetriebs am 1. Januar 1955 wurden ohne Erfolg verschiedene Frequenzen erprobt. Wegen der verursachten Störung anderer Stationen wurden diese Versuche am 23. Januar 1955 zunächst wieder abgebrochen; der endgültige Wirkbereich begann erst am 1. April 1955 auf der dann gewählten Frequenz 182 kHz.
Anfang 1970 änderte Europe 1 seine Frequenz auf 180 kHz, um dem seinerzeit auf 185 kHz betriebenen Sender Zehlendorf bei Oranienburg auszuweichen. Im Zuge des Genfer Wellenplanes mussten beide Stationen dann ab 1978 auf 182 kHz arbeiten. Diese wegen massiver gegenseitiger Störungen auf Dauer untragbare Situation wurde schließlich am 15. Dezember 1980 mit der bis heute gültigen Regelung gelöst: Beide Sender arbeiten mit einem Frequenzoffset von jeweils 3 kHz gegenüber dem nominellen Kanal. Damit ergaben sich zunächst die Sendefrequenzen 179 und 185 kHz, die mit der Anpassung des Kanalrasters im Jahre 1986 dann nochmals um 2 kHz nach unten auf die bis heute gültigen Frequenzen 177 und 183 kHz verschoben wurden.
In
den 90er Jahren standen zeitweise Bestrebungen der niederländischen
Fernmeldeverwaltung im Raum, ihre Zustimmung zu dieser Lösung
zugunsten der seinerzeit in den Niederlanden für die Frequenz 171
kHz geplanten kommerziellen Station aufzukündigen. In diesem Fall
hätten die Sender Zehlendorf und Felsberg erneut zusammen auf der
Nominalfrequenz (jetzt 180 kHz) arbeiten müssen. Nach dem Scheitern
des niederländischen Langwellenprojektes sind inzwischen aber keine
Forderungen nach einer Räumung der jetzigen Betriebsfrequenzen mehr
bekannt.
Kai Ludwig
Fotos: ©
Jérome Pellot
(Sendeanlage 2002)
www.europe1.fr
Aus RADIOJournal 7/2004