Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

75 Jahre und noch
immer heiß begehrt: 
Der Volksempfänger

Als Josef Goebbels 1933 im Radio den Satz ausrief: „Der Rundfunk gehört uns, und niemand wird uns daran hindern“, wusste noch niemand was ihn erwartete. Die Nationalsozialisten hatten frühzeitig erkannt, dass man mittels Rundfunk schnellstens Nachrichten an die Bevölkerung bringen konnte. Es gab zu diesem Zeitpunkt kein anderes Mittel welches so schnell und so beeinflussend die Leute erreichen konnte.

Bereits 1932 hatte Josef Goebbels erklärt: „Der Rundfunk hat der Reichsregierung als Sprachrohr an das Volk zu dienen“. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 4,2 Millionen Radiohörer in Deutschland. Nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 wurde der Ausspruch: „Der Rundfunk in jedes deutsche Haus“ ­ sehr schnell von der Partei umgesetzt. Unter Prof. Leithäuser vom Heinrich Hertz-Institut wurde eine Kommission gebildet, die alle Radiohersteller im Reich zwingend zu einem Einheitsgerät verpflichten sollte. 28 Radiohersteller wurden dann unter der Leitung von Dipl. Oberingenieur Otto Griessing ­ ein Münchener, der bei der Firma Seibt in Berlin für Hochfrequenz tätig war ­ aufgefordert, unter den Vorgaben seitens der Reichsrundfunkkommission einen Entwurf „eines politischen Gerätes“ einzureichen.

Vorgabe war ­ die gleichen Bauteile und die gleichen Gehäuse sowie die gleichen Empfangseigenschaften. Die Empfangseigenschaften (Geradeaus- oder Überlagerungsempfang) wurden durch Testversuche in Bremen, Bayern, Freiburg und Schlesien zu Gunsten des Geradeausprinzips entschieden. Der Freischwingerlautsprecher ermöglichte eine sehr gute und verzerrungsfreie Wiedergabe. 

VE steht für Volksempfänger und 301 war das Datum der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933, und das W steht für Wechselstrom. Alle Geräte, die zur Serienproduktion geplant waren, mussten von Prof. Leithäuser am Heinrich-Hertz-Institut eine Qualitätsprüfung bestehen. Das erste Gerät im Bakelitgehäuse wurde am 18. August 1933 auf der Berliner Funkausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Einen solchen Verkaufserfolg hatte keiner einkalkuliert. Am ersten Tag wurden 100.000 Geräte verkauft, obwohl sie noch gar nicht produziert waren.

Dieser Verkaufserfolg sollte lange anhalten und wurde deshalb so enorm, weil der Verkaufspreis ganze 76 Reichsmark betrug, und die konnte man auch noch in Teilbeträgen abzahlen. Der Staat legte fest, dass dieses Radio bei Zahlungsunfähigkeit nach § 811 Ziffer 1 nicht pfändbar war, da es zur staatsbürgerlichen Belehrung diente. Ein normales Radio kostete immerhin noch zwischen 300 bis 500 Reichsmark je nach Fabrikat. 1933 wurden insgesamt 650.000 Volksempfänger produziert. Eine Steigerung brachte schon das Jahr 1934, in dem bereits 840.000 Volksempfänger gebaut wurden. Der zweite Erfolg beruhte auch darauf, dass in Deutschland noch zwischen 30 und 40 Prozent der Haushalte keinen elektrischen Stromanschluss hatten. Also baute man ein Gerät mit Batterieanschluss. 

Gleich nach dem Start wurde mit weiteren Serien begonnen, sodass der VE 301B an die zweite Stelle der Produktionszahlen rückte. Es wurden dann vom gleichen Typ auch transportable Geräte entwickelt, also der Vorgänger der späteren Koffergeräte. Der Volksempfänger wurde auch das beliebteste Radio für den Autofahrer, der am Wochenende zum Picknick fuhr. Für den VE 301G für Gleichstrom wurde noch eine Allstromausführung gebaut, den VE 301G/A. Insgesamt gab es neun verschiedene Ausführungen.

In den Anfangsjahren konnte man jede Menge Zubehör kaufen, so ein Kurzwellenempfangsteil, Lautsprecherumschalter, Antennenschalter, Klangfärber „Intonator“, Gerät für Schallplatten und Tonbandüberspielung und vieles mehr. Aber der NSDAP reichte das noch nicht, und so wurden die Geräte auf der Funkausstellung Berlin 1937 im Preis auf 59 Reichsmark gesenkt, um noch mehr Hörer zu erreichen.

Im Jahr 1934 wurde vom 1. Februar bis zum 31. Juli ein Verbot erlassen, das keine Firma neue Geräte bzw. Neukonstruktionen anbieten durfte, damit der Absatz von VE 301 nicht gefährdet war. Immerhin gab es bereits acht Millionen Rundfunkhörer in Deutschland, von denen 2,5 Millionen einen Volksempfänger besaßen.

Am 1. April 1934 wurden die Selbständigen Sendeanstalten in Deutschland durch die Reichs-Rundfunkgesellschaft aufgelöst und deren Sendebetrieb als Reichssender in den Besitz des Deutschen Reiches - Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda übernommen. 

Aber dann kam das Drama. Kurz vor Erreichen des zehnmillionsten Rundfunkhörers, wurde das Abhören von ausländischen Hörfunksendern am 1. September 1939 verboten, da der Krieg ausbrach. Jetzt regierte die Gestapo und verfolgte jeden, der einen ausländischen Sender hörte. Am 17. September 1941 wurden die ersten Todesurteile wegen Abhören feindlicher Sender vollstreckt.

Auch heute noch, nach 75 Jahren hat dieses Radiogerät nichts von seiner geheimnisvillen Aura verloren. Wird es doch von Sammlern eifrig gesucht, obwohl auch heute noch eine Menge auf dem Markt sind, denn immerhin ist es das einzige Radio weltweit, das in solch einer Stückzahl und mit solch einem Nimbus entstanden ist. Man schätzt, dass alleine über fünf Millionen Geräte des VE 301 gebaut wurden. Genaue Zahlen sind durch die Kriegseinwirkung nicht mehr feststellbar.

Heribert Wüstenberg
Foto: © Heribert Wüstenberg / Radiomuseum Köln
www.radiomuseum-koeln.de

Aus RADIOJournal 10/2003