Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Ein-Mann-Programm für die Insel: Radio Nordkapp

Nach 4.450 Kilometern waren wir endlich am nördlichsten Punkt Europas, am Nordkap. Wer denkt, das wäre radiotechnische Diaspora, der täuscht sich. Für die norwegische Insel Mageröya, auf der das Nordkap liegt, gibt es einen eigenen Radiosender: Radio Nordkapp. Der Sender ist mitten in der größten Stadt der Insel, Honningsvag. 3.100 Einwohner hat die Hafenstadt, in der bei sommerlichen Temperaturen von 12 Grad einem die Einheimischen kurzärmelig und die Männer teilweise mit nacktem Oberkörper auf den Straßen begegnen. Honningsvag, das ist die Stadt auf Mageröya, die alles bietet, was das Herz begehrt. Bar, Kneipe, Supermärkte, Plattengeschäft, Videothek, Drogeriemarkt, Autowerkstatt, und es sind dort alle Schultypen vertreten. Der normale Sommer ist bewölkt mit Regen und bringt nur ab und zu einen Tag Sonnenschein bei 10 bis 15 Grad. 

Radio Nordkapp ist in einem Wohnhaus untergebracht. Nur ein kleines Schild, auf dem RN (Radio Nordkapp) steht, weist überhaupt darauf hin, dass sich dort ein Radiosender verbirgt. Auf den fünf Frequenzen wird 24 Stunden gesendet, allerdings hat man sich, um den Sendebetrieb mit nur einem Programmmitarbeiter zu ermöglichen, dafür entschieden, als Mantelprogramm den nationalen kommerziellen Sender P4, zu übernehmen. Täglich um 16.03 Uhr geht’s los mit einer Stunde Radio Nordkapp. Interviews mit Lokalpolitikern und Hörern, die sich zu regional relevanten Themen äußern, Verkehrsfunk, lokale Werbung und natürlich Musik. Raymond Elde bereitet ab dem späten Vormittag die Sendung vor und fährt sie dann auch selbst. Obwohl Radio Nordkapp nur eine Stunde täglich sendet, wird zur Aufzeichnung von Interviews und für die Werbung auf ein Computersystem zurückgegriffen. 

Das werbefinanzierte Programm ist in der Region beliebt, bis zu 35 Prozent der Inselbewohner schalten täglich das nördlichste Radio Norwegens ein. Insgesamt arbeiten bei Radio Nordkapp nur drei Leute: Der Journalist Raymond Elde, der sich von A bis Z um die Sendung kümmert, der Marketingchef Björn Magne Solvik, der die Werbekunden betreut, und die Sekretärin, die alle administrativen Aufgaben erledigt. 

Auch über englischsprachige Sendungen hat man nachgedacht, allerdings ist dabei die Versorgung des Sendegebietes ein entscheidendes Hindernis. Ein Tourist nämlich sucht nicht gezielt nach einem Programm, sondern scannt einfach durch das UKW-Band, und dann muss die Empfangsstärke stark genug sein, damit das Autoradio bei Radio Nordkapp hängenbleibt. Mit dem Hauptsender von 100 Watt, den 20-Watt- und 1-Watt-Umsetzern ist das nicht zu bewerkstelligen. RDS wäre dafür auch sehr praktisch, allerdings reichen damit die Sender nicht soweit, und deshalb wird derzeit darauf verzichtet. Elde meinte, mit 500 Watt beim Hauptsender könnte man, wenn eine werbemäßige Finanzierung gewährleistet wäre, nochmal darüber nachdenken.

Radio Nordkapp ist auf dem Weg nach Mageröya ab Indre Svartvik zu empfangen, allerdings nur mit zahlreichen Störungen und Ausfällen. Und auch auf der Insel selbst ist das Ein-Mann-Programm nicht überall zu hören.

Chris Baumann
Fotos: © Chris Baumann
www.radionordkapp.no

Aus RADIOJournal 11/1999