Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Nachruf auf
European Klassik Rock

Anfang Januar stellte der Radiosender European Klassik Rock (EKR) seine Sendungen ein. EKR-Chef Peter Leutner informierte seine Discjockeys, dass der Musiksender trotz aller Anstrengungen keinen finanziellen Erfolg erzielen konnte. 

European Klassik Rock war im Oktober 1997 auf der Astra-Satellitenposition gestartet. Gleichzeitig hatte der Sender eine „Restricted Service License” in der Grafschaft Kent und war im Londoner DAB-Angebot vertreten. Man strahlte gelungene Programme aus, ein Mix aus zeitgenössischer Rockmusik und all das moderiert von Discjockeys, was dem Sender eine persönliche Note gab. Man konnte problemlos am Samstagnachmittag dort anrufen und sicher sein, dass sein Musikwunsch keine 20 Minuten später auf Sendung war. 

Am Beginn schien es gut zu laufen: EKR konnte eine wachsende Anzahl von Werbekunden vorweisen. Dieser Anfangserfolg hing teilweise mit dem unterhaltsamen Pop-Nachtprogramm »Night Traks« zusammen. Die »Night Traks« wurden von einigen lokalen UKW-Sendern und Kabelbetreibern in Europa übernommen, so dass die Hörerschaft von EKR über Nacht beträchtlich anwuchs und der Sender auf diese Weise für Werbung attraktiver wurde. Die Nachtschiene wurde den Lokalsendern zuerst kostenlos zur Verfügung gestellt. Als EKR jedoch nach der (erfolgreichen) Probezeit den Dienst in Rechnung stellen wollte, sprangen viele Sender wieder ab. Dies sorgte für den größten Rückschlag in der Geschichte des Senders, der nun nur noch über Satellit zu empfangen war.

Die Werbekunden verlangten natürlich Auskunft über die Reichweitenzahlen von EKR. Es hätte aber eines unverhältnismäßig hohen finanziellen Einsatzes bedurft, die Reichweite zu ermitteln, so dass sich einige namhafte Kunden zurückzogen.

Bob Mower, der die Station einige Zeit geleitet und selbst Programme moderiert hatte, verließ EKR im Sommer 1998. Seinen Posten übernahm Peter Leutner. Er schaffte es mit großem persönlichen Einsatz und privatem Vermögen, European Klassik Rock weitere fünf Monate am Leben zu erhalten. Man erhielt sogar noch einmal Ersatz für die »Night Trak«-Schiene: Das Radioprojekt „Solar FM” füllte mit eigenen Programmen die Sendezeit nach 22.00 Uhr und bezahlte für diese Übertragungsmöglichkeit. Außerdem übernahm European Klassik Rock Sendungen von Radio Caroline an jedem Sonntag zwischen 10.00 und 18.00 Uhr. Die Programme des berühmten Piratensenders passten gut in das sonstige Format, und bereits zuvor hatten viele Hörer gesagt, EKR klänge sehr nach Caroline. EKR und Radio Caroline standen sich sehr nahe, und einige Moderatoren waren bei beiden Anbietern on air.

Am 31. Dezember 1998 lief die Londoner DAB-Lizenz aus, und man hätte Geld investieren müssen, um sie zu erneuern. Zusammen mit den unzuverlässigen Hörerzahlen und niedrigeren Werbeerlösen bedeutete dies das Ende von EKR. Peter Leutner setzte sein Team am Nachmittag des 2. Januar 1999 über die Entwicklung in Kenntnis und beendete die Ausstrahlungen am folgenden Tag gegen zehn Uhr abends. 

Die britische Lizensierungsbehörde „Radio Authority” kündigte an, dass EKR künftig nur noch eine lokal und zeitlich begrenzte „RSL-Lizenz” erhalten könne und somit allenfalls kurzzeitig in der Gegend um Maidstone auf UKW aktiv werden würde. 

European Klassik Rock war an Hindernissen gescheitert, die allen Radioanbietern das Überleben schwer machen, wenn sie kein zweites Standbein in Form einer terrestrischen Frequenz besitzen. Eine Episode, deren Grundzüge in den Geschichtsbüchern des Privatfunks schon des öfteren verzeichnet sind. 

Simon Decker
Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Völkner

Aus RADIOJournal 3/1999