Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Die Burger Mittelwelle schweigt

Seit dem 1. April 1998 wird MDR INFO, das Nachrichtenradio des Mitteldeutschen Rundfunks, nicht mehr auf der Burger Mittelwellenfrequenz 531 kHz ausgestrahlt. Damit hat neben Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nun auch Sachsen-Anhalt keinen aktiven Mittelwellensender mehr - Grund genug für einen Rückblick.

Anfang der 50er Jahre beschloss die DDR, zur grundlegenden Verbesserung der Rundfunkversorgung neue Mittelwellenstationen mit 250 Kilowatt starken Sendern zu errichten. Als Standorte wurden Wöbbelin nördlich von Ludwigslust, Berlin-Uhlenhorst, Wilsdruff bei Dresden, Wachenbrunn bei Themar und eben Burg bei Magdeburg ausgewählt. Wie Berlin-Uhlenhorst erhielt auch Burg gleich zwei der vom Funkwerk Köpenick entwickelten und in offener Bauweise ausgeführten Anlagen. Ausgestrahlt wurde das Programm des Deutschlandsenders (später in „Stimme der DDR” umbenannt) auf 782 kHz. Der zweite Sender war offiziell als Reserve deklariert, jedoch stand er in der Praxis keineswegs still: Er übertrug auf 904 bzw. 935 kHz den „Deutschen Freiheitssender 904” und den „Deutschen Soldatensender 935”. Fabriziert wurden diese „Sonderprogramme” in dem vom Rundfunk der DDR nach dem Auszug aus der Westberliner Masurenallee bis zur Betriebsbereitschaft der Nalepastraße genutzten provisorischen Funkhaus in Berlin-Grünau; das aus Burg abgestrahlt wurde, galt unter Kennern schon damals als ausgemachte Sache. Der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag hat diesem absurden Treiben dann ein Ende bereitet.

1978 erhielt Burg ein ganz besonderes Kraftpaket: Ein 1.000 Kilowatt starker Sender wurde zusammen mit einer 324 Meter hohen Antenne aus der UdSSR importiert. Dieses Powerhaus übernahm die weitreichende Verbreitung der „Stimme der DDR” auf 783 kHz. Die Antenne galt als effektivste aller MW-Sendeantennen in Deutschland, ihre intensive Strahlung führte oft zum „Luxemburg-Effekt”: Das Signal mischte sich in der Ionosphäre mit der Modulation anderer Sender.

Im „Genfer Wellenplan” wurden der DDR (im Gegenzug für die Abschaltung der gegen den RIAS gerichteten Störsender) verschiedene MW-Frequenzen zusätzlich zugewiesen: Für „Radio DDR” hatte man ganz große Pläne: Vom Standort Neubrandenburg sollte dieses Programm tagsüber auf 657 kHz mit 2.000 Kilowatt (!) und nachts auf 1575 kHz mit 1.000 Kilowatt abgestrahlt werden. Diese gigantische Sendeanlage blieb ein Wunschtraum, die Frequenzen wurden mit den ohnehin vorhandenen 250-Kilowatt-Sendern in Burg betrieben: Auf 657 kHz wurde von 5.00 bis 19.00  Uhr der „Berliner Rundfunk”, später dann „Jugendradio DT64” verbreitet. 

Auch der Gedanke, die gesamte DDR mit dem Nachtprogramm von „Radio DDR 1” auf 1575 kHz zu versorgen, um nachts alle anderen MW-Sender dieses Programms abschalten zu können, wurde in Burg realisiert. Hierzu errichtete man eine aus drei Dipolen bestehende Antenne, welche die Sendeenergie sehr steil nach oben abstrahlt und so eine hervorragende Raumwelle ohne die berüchtigten Nahschwundeffekte erzielt. Dies funktionierte dann auch gut - so gut, dass der Auslandsdienst „Radio Berlin International” aufmerksam wurde. Mit Sonder-QSL-Karten lassen sich bekanntlich die „DXer” vortrefflich anfüttern, und so erhielt man bald zahlreiche Empfangsberichte aus ganz Europa, die der neuen Antenne eine gute Wirksamkeit bescheinigten und eine entscheidende Waffe im hausinternen Gezerre um 1575 wurden - „Radio DDR” zog den Kürzeren. Nach dem Ende der abendlichen RBI-Programme wurde dann das Nachtprogramm von „Stimme der DDR” abgestrahlt, für „Radio DDR” mussten zwangsläufig die eigenen Stammfrequenzen auf 24-Stundenbetrieb gehen - mancher wird sich vielleicht noch an die Wartungspausen am Montagvormittag von 8.00 bis 11.55 Uhr (zwischen den beiden Durchsagen der „Wasserstände und Tauchtiefen”) erinnern.

Ganz leer ging „Radio DDR” in Burg dann aber doch nicht aus: Ein mobiler 20-Kilowatt-Sender wurde aufgestellt (eben jener, der jetzt verstummte) und im Gleichwellenbetrieb mit Wilsdruff und Wachenbrunn auf 1044 kHz betrieben. Da eine absolut exakte Synchronisierung nicht möglich war, kam es zu sehr großen „Verwirrungszonen”, weshalb 1987 Burg und Wachenbrunn (hier ebenfalls ein 20 Kilowatt starker Sender) auf 1089 kHz wechselten. Und um nun auch noch den durch „DT64” verdrängten „Berliner Rundfunk” zu befriedigen, wurde für ihn noch ein Kleinsender eingeschaltet.

Doch mit der Pracht von fünf Mittelwellenfrequenzen war es noch nicht genug: Anfang der 60er Jahre wurde in Burg für den sowjetischen Soldatensender „Radio Wolga” ein 200 Kilowatt starker Langwellensender der tschechischen Firma Tesla installiert, der bislang hierfür in Königs Wusterhausen eingesetzte Sender diente seitdem als Reserve.

Mit den politischen Umbrüchen kam zwangsläufig Bewegung in die Burger Frequenzen. 1990 wurde die Verbreitung des nun wieder so genannten „Deutschlandsender” auf Mittelwelle eingestellt, auf 783 kHz kam nunmehr „Radio Aktuell” (das bisherige „Radio DDR 1”) zur Übertragung. Die Frequenz 657 kHz wurde vom neuen „Radio Sachsen-Anhalt” übernommen. Da nachts nur die Anwendung einer Leistung von 20 Kilowatt zulässig ist, wurde in dieser Zeit statt aus Burg über den nicht mehr vom „Berliner Rundfunk” genutzten Mittelwellensender in Bernburg abgestrahlt. Am 2. Oktober 1990 hatte Radio Berlin International seinen letzten Sendetag, die Frequenz 1575 kHz wurde gemäß dem Einigungsvertrag vom Kölner Deutschlandfunk übernommen. 

Im Frühjahr 1991 begann der Stern von Burg zu verblassen: Auf Geheiß des „Rundfunkbeauftragten” Mühlfenzl wurde die Verbreitung von „Radio Aktuell” auf Mittelwelle eingestellt, der Großsender auf 783 kHz verstummte. Am 1. Januar 1992 nahm der „Mitteldeutsche Rundfunk” in Leipzig seine Tätigkeit auf und entschied zunächst, sein Nachrichtenradio MDR INFO tagsüber mit 250 Kilowatt und abends/nachts mit 20 Kilowatt auf 783 kHz verbreiten zu lassen; die Frequenz 657 kHz wurde dem NDR zur Nutzung in Neubrandenburg überlassen. 1993 gab der Deutschlandfunk seine Frequenzen 1359 (Berlin-Uhlenhorst) und eben auch 1575 kHz auf, kurz darauf entschied der MDR, seine 783 kHz ganztägig nur noch mit 20 Kilowatt betreiben zu lassen. Damit waren nach dem sowjetischen Megawatt auch die Köpenicker Sender arbeitslos geworden und sind inzwischen den Weg allen Schrotts gegangen.

Der zentral im MDR-Sendegebiet liegende Sender Wiederau bei Leipzig litt auf seiner Frequenz 531 kHz unter starken Störungen durch den Schweizer Sender Beromünster. Nach der Zurechtstutzung von Burg entschied sich der MDR deshalb für einen Frequenztausch: Die Exklusivfrequenz 783 kHz sollte fortan mit 100 Kilowatt aus Wiederau betrieben werden, der Burger „Steckdosensender” (O-Ton eines langjährigen Mitarbeiters der Station) wechselte auf 531 kHz. Nach Abschluss des internationalen Koordinierungsverfahrens konnten die Anlagen in den frühen Morgenstunden des 1. August 1995 umgestimmt werden. Damals dürfte noch niemand geahnt haben, dass auf 531 kHz 32 Monate später Funkstille eintreten sollte.

Noch weniger vorhersehbar gestaltete sich das Schicksal der Burger Langwellenfrequenz 261 kHz. „Radio Wolga” begann 1993 mit der Weitervermietung der Frequenz an das damalige „RadioRopa-Info” aus Daun, 1994 sah man sich allerdings veranlasst, diese Übernahmen wieder einzustellen. Am 31. Juli 1994 hatte Radio Wolga seinen letzten Sendetag (das russische Militär sah keine Notwendigkeit, für seine Handvoll im August noch in Deutschland weilender Angehöriger nochmals 80.000 DM Sendermiete auszugeben), am folgenden Morgen erlebte der Autor beim Einschalten des noch vom Vorabend auf 261 kHz abgestimmten Radios eine gehörige Überraschung: Der Langwellensender in Burg war in Betrieb! Es handelte sich offiziell um einen Versuchsbetrieb. Nachdem die Verhandlungen über eine reguläre Nutzung des Senders auf der Stelle traten, wurde er nach einigen Wochen an einem Vormittag plötzlich wieder abgeschaltet. Letztlich kam aber doch eine dauerhafte Vereinbarung zwischen der Dauner Firmengruppe und der Deutschen Telekom zustande, und so wurde der Sendebetrieb bald wieder aufgenommen; aus Kostengründen wurde die Leistung auf 85 Kilowatt beschränkt. Seit 1997 arbeitete auf 261 kHz nun ein neuer Halbleitersender, für den auch der höchste Burger Mast zur Langwellenantenne umgebaut wurde. Burg ist also weiterhin als aktiver Sendestandort zu verzeichnen. Zerschlagen haben sich einstweilen Pläne zur Ausstrahlung eines „Mega-Radios” auf 1575 kHz. Trotzdem: Burg muss nicht für alle Zeiten von der Mittelwellen-Skala verschwunden sein.

Kai Ludwig
Aus RADIOJournal 5/1998

Sendeanlage Burg-Brehm
Sender am Brehm 
Besuch beim Sender Burg

Der Burger Mittelwellensender 531 kHz, der mit 20 Kilowatt bis zum letzten April das Programm von MDR info abgestrahlt hat, musste wegen seiner maroden Röhrentechnik für immer abgeschaltet werden. Die Ausstrahlung über die alten Sender sei nicht mehr möglich gewesen, deswegen wollte die Telekom bei Bedarf moderne Halbleitersender installieren (wie sie nun auch bei den anderen vier Standorten Leipzig-Wiederau, Dresden-Wilsdruff, Reichenbach und Wachenbrunn) eingesetzt werden, die in Betrieb bleiben. Dafür wurde aber ein Vertrag mit langer Laufzeit gefordert, den der MDR  wegen der enormen Kosten nicht mehr eingehen wollte. Durch die fast flächendeckende UKW-Versorgung im Lande mit dem Programm MDR info gab es auch praktisch keine Mittelwellenhörer mehr, da diese längst umgeschaltet hatten. Hinzu kommt noch, dass der Leipziger Sender 783 kHz in weiten Teilen des Landes Sachsen-Anhalt wesentlich besser zu empfangen war (so zum Beispiel im Harz) als die vor allem abends durch die Musigwälle 531 aus Beromünster in der Schweiz gestörte Burger Frequenz 531 kHz. (RADIOJournal 3/1999)

• Am 4. Mai 2009 wurde die Mittelwelle Burg bei Magdeburg 1575 kHz abgeschaltet. Auf dieser Frequenz liefen seit August 2006 Programme der Stimme Russlands im Wechsel mit digitalen Versuchssendungen von Oldiestar (jetzt: Radio B2), das seit April 2005 eine Sendelizenz für die Burger Mittelwelle besitzt. Damit gibt es keine Rundfunksendungen aus Burg-Brehm mehr, nachdem die Übertragung von Truckradio auf 531 kHz am 16. Mai 2008 endete und der Sendebetrieb von Radioropa auf der Langwelle 261 kHz bereits am Neujahrstag 2001 eingestellt wurde. (Kai Ludwig, Radioeins Medienmagazin 4.5.2009)