Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Aus zwei mach eins:
SDR + SWF = SWR

Mitte April 1997 unterschrieben die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den Vertrag zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Süden. Nach über 50 Jahren soll nun ein Kuriosum beendet werden, welches durch die Demakationslinie der Autobahn Karlsruhe-Ulm Baden-Württemberg in zwei Sendegebiete zerschnitt. Südlich dieser magischen Grenze sendete der Südwestfunk seine Programme auch für Rheinland-Pfalz, blieb aber mehr oder weniger der "Provinzfunk", während der Süddeutsche Rundfunk aus dem Großraum Stuttgart über die große weite Landespolitik aus der Metropole berichtete. So wird Stuttgart auch der Intendantensitz der zukünftig mit 14 Millionen Einwohnern zweitgrößten ARD-Anstalt nach dem WDR.

Die Hörfunk - und Fernsehdirektoren sollen künftig in Baden-Baden beheimatet sein, während Mainz im Gegenzug den größten Gewinn einstreicht: mehr Programm, mehr Kompetenz und deutlich mehr Mitarbeiter. Eigentlicher Verlierer ist Stuttgart, welches die meisten Kompetenzen und Programme abgeben muss, da hilft der Intendantensitz nur wenig. Baden-Baden bleibt etwa gleichgewichtig, von hieraus senden dann die Gemeinschaftsprogramme für Klassik/Kultur (jetzt S2 Kultur) sowie für Pop/Jugend (nach dem Vorbild von SWF3). In Mainz und Stuttgart werden je zwei eigenständige Landesprogramme für Information (nach SDR 1 und SWF 1-Vorbild) und volkstümlicher Unterhaltung (S4 BW und SWF 4) produziert.

Im gemeinsamen Südwest 3-Fernsehen wird Rheinland-Pfalz zukünftig 30 Prozent Eigenanteil statt bisher 15 Prozent zugestanden. In Baden-Baden werden dann die TV-Redaktionen Kirche, Kultur, Wissenschaft, Bildung/Fernsehspiel angesiedelt; Wirtschaft und Sport gehen nach Stuttgart. Dort liegt auch noch ein schmerzliches Problem begraben, nämlich die gemeinsamen beiden geplanten Hörfunkprogramme für Kultur und Pop. Allerdings geht es den Stuttgartern nicht darum, dass S2 Kultur bald vollständig aus Baden-Baden funkt,  sondern das die letzte Bastion intelligenter öffentlich-rechtlicher Pop-Programme, mit dem Radio für den wilden Süden, SDR 3, fallen wird. Schon jetzt steht fest, dass SWF3, weil durch konsequente kommerzielle Orientierung auf seichte Unterhaltung, um einiges erfolgreicher als die Stuttgarter, ab 1. Oktober 1998 (dem Sendebeginn der neuen Südwestrundfunk-Anstalt) südwestweit funken wird. Die einst so stolzen Radiomacher aus Stuttgart, die tief mit ihren SWF3 Kollegen verfeindet sind, dürfen dann nur noch ein täglich mehrstündiges Landesfenster für den Regierungsbezirk Stuttgart gestalten, und nicht einmal mehr für das gesamte ehemalige SDR-Sendegebiet.

Im Staatsvertrag wurde die Finanzierung dieses Fensters durch Werbeausstrahlungen untersagt, ebenso wie andere Regionalfenster im zweiten und dritten Radioprogramm verboten wurden. Die jetzigen SWF- und SDR-Intendanten kündigten daraufhin eine Verfassungsklage wegen Einschränkung der Rundfunkfreiheit an, so dass die Ministerpräsidenten schließlich nachgaben, und diese Passagen strichen.

Umstritten sind weiterhin die Festlegung der terrestrisch ausgestrahlten Radioprogramme auf vier, sowie die Bestimmung der Programminhalte dieser. Schon jetzt befürchten viele Mitarbeiter, dass sich die Landesregierungen mehr Einfluss in den Aufsichtsgremien sichern wollten, indem sie nun mehr Leute entsenden dürfen. Der SDR war bisher die einzige Landesrundfunkanstalt, die sich erfolgreich gegen Mitglieder aus der Politik in ihren Aufsichtsgremien wehrte.

Betriebsbedingte Kündigungen bei den zirka 4.300 Mitarbeitenden die ein Gebührenvolumen von 1,6 Mrd. DM aufbrauchen dürfen, wird es nicht geben. Da bei SDR und SWF der Großteil der Mitarbeiter jetzt zwischen 50 und 60 Jahre alt ist, hofft man diese durch Vorruhestandsregelungen abzubauen. Überhaupt darf man von der Fusion keine Einsparungen erwarten, bleiben doch beispielsweise beide Sinfonieorchester bestehen. Vielmehr sollte die Reformfähigkeit der ARD unter Beweis gestellt, und das Teilungsrelikt Baden-Württemberg, welches Franzosen und Amerikaner als Besatzer herstellten, beseitigt werden.

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 8/1997