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Erneut keine Hörernachweise für Radio Energy Sachsen - Die Karten werden neu gemischt

Radio Energy, ein französischer Medienkonzern betreibt seit 1981 ein jugendorientiertes Zielgruppenprogramm, das derzeit in sieben europäischen Staaten präsent ist. Von neun Radio Energy-Programmen in Deutschland sind allein davon vier Sender in Sachsen zu finden. Seit vier Jahren produziert ENERGY Leipzig ein Mantelprogramm, das in Dresden, Chemnitz und seit 1995 auch in Zwickau mit lokaler Berichterstattung und Musik zu vier separaten Radiostationen regionalisiert wird. Mit einem europaweiten Rockformat konnte ENERGY stetig Hörerzuwächse der konsumfreudigen "Zielgruppe Jugend" verbuchen und darf sich in nahezu allen vertretenen Regionen Europas der Marktführerschaft in seiner Zielgruppe rühmen.

Ernüchterung dagegen beim ENERGY Netzwerk in Sachsen, als 1995 die durch Umfragen ermittelten Hörerzahlen durch die MediaAnalyse (MA) veröffentlicht wurden. Was in Paris und München seit Jahren funktioniert, kam in Sachsen bisher auf keinen grünen Zweig. Dem Programm mit seinen vier Lokalstationen konnten keine Hörer nachgewiesen werden und fiel damit durch die alles entscheidende MediaAnalyse, nach der die Werbepreise im Hörfunk berechnet werden. Ein Jahr später das gleiche Dilemma: Null Hörer für ENERGY Sachsen, so die Auswertung.

Als Konsequenz rollten erste Köpfe. Programm- und Musikchef Arno Köster musste im August letzten Jahres in Leipzig seinen Hut nehmen. Auch in der kleinsten Energy-Station in Zwickau verließ Chefredakteur Karsten Zinsik das angeschlagene Unternehmen. Gleiches Schicksal erlitten auch andere Energy-Mitarbeiter. Das Programm wurde vollständig umstrukturiert, sämtliche Szene-Sendungen wie »Blue Monday« und »TanzBar«, die das Format des sächsischen "Kultradios" formen sollten, wurden ersatzlos gestrichen. Überlegungen, wonach die Lokalstationen in Chemnitz und Zwickau aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden sollten, wurden seither immer lauter diskutiert. Der Druck auf die beiden Radiostationen in Zwickau und Chemnitz wuchs.

Nicht mehr allein die sächsischen Großstädte sollten nun mehr im Visier der Radiomacher liegen, sondern alle potentiellen Hörer im Umland. Dies brachte kleine Namenskorrekturen mit sich, um den sogenannten "Städterivalitäten" aus dem Weg zu gehen. Damit nun auch die Jugend in Plauen gezielt den Sender findet, ist nicht mehr von ENERGY Zwickau die Rede, sondern schlichtweg von ENERGY 98,2.

Die Hoffnung in die neue Struktur und die Wandlung vom Rockformat zum "European Hitradio", in dem die sich am schnellsten verkauften Hits abgespielt werden, war groß. Ebenso die Spannung, mit der die Auswertung der Marktforschung MA'97 erwartet wurde. Der aufwändigen Wandlungskur zum Trotz waren in der offiziellen Auswertung Ende Juni zum dritten Mal kein Hörer für die Energy-Programme ausfindig zu machen.

"Da wir in Sachsen nicht flächendeckend senden, sind wir mit dem derzeitigen MA-Verfahren sehr stark benachteiligt", rechtfertigt ENERGY Sachsen-Geschäftsführer Gerhard Pötzsch das vernichtende Ergebnis. Parallel zur MediaAnalyse beauftragte der Sender das Forschungsinstitut EMNID mit einer Repräsentativumfrage, die dem Jugendprogramm sachsenweit durchschnittlich 52.300 Hörer pro Stunde bescheinigt. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der MA regen sich nun auch in der Werbewirtschaft, die bisher auf die finsteren Zahlen recht gelassen reagierte, so Pötzsch weiter. Tatsächlich wird seit langer Zeit schon die Erforschung der Hörerzahlen durch persönliche Interviews immer wieder von verschiedenen Seiten in Frage gestellt.

Radio ENERGY Sachsen setzt nun verstärkt auf Werbe- und PR-Aktionen. Vom einstigen Jugendradio, das in seinen Spezialsendungen die kulturelle Jugendszene sächsischer Großstädte zum Thema machen wollte, ist nicht mehr viel geblieben. Zuviel hat ENERGY seither an Format verloren. Selbst die Rückkehr der beliebten Sendung »That's music«, die derzeit Sommerpause hat, ist nach den Worten des Zwickauer Chefredakteurs Steven Simmon fraglich. "Die Sendung war ein Überbleibsel des alten Formats. Jetzt müssen wir die breite Masse ansprechen. Damit sind wir in der nächsten MA-Auswertung auf jeden Fall dabei", gibt sich Simmon optimistisch. Die Frage, in wieweit sich Radio ENERGY noch von anderen "Massenprogrammen" unterscheidet, wird nun von denen gestellt, die dem Energy-Programm bisher die Treue hielten. Sie reagieren verärgert über den Verlust des jugendspezifischen Profils.

Danilo Höpfner
www.energy.de

Aus RADIOJournal 9/1997