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 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

WDR 2 »Westzeit«: Boulevard-Radio
mit Niveau

Fast zwei Jahre lang ist die Sendung »Westzeit« im zweiten Hörfunkprogramm des Westdeutschen Rundfunks jetzt on air. Im Januar 1994 setzte der Kölner Sender zwischen Morgen- und Mittagsmagazin die Boulevard-Show auf den Sendeplan. Was hausintern anfangs ein bisschen belächelt wurde, hat sich - neuesten Zahlen nach - zu einer "Quoten-Bank" gemausert.

Maria Sand-Kubow, Redaktionsleiterin der Sendung, ist stolz darauf: "Wir haben die Negativ-Quoten der Vorgänger-Sendung [»Daheim und unterwegs«] in absolut positive Zahlen umgewandelt." So schalten jeden Morgen zwischen neun und zwölf Uhr rund eine Million Hörer zur bunten Mischung zwischen Information und Unterhaltung ein. Da wird mit Prominenten gefrühstückt, Hörern Rätselaufgaben gestellt, Koch- und Gesundheitsthemen behandelt, und mit Wetterfrosch Jörg Kachelmann über das mehr oder weniger schlechte Wetter geschwatzt. Täglicher Bestandteil der »Westzeit« sind zudem Comedy-Elemente.

Das Ganze allerdings, und so betont Maria Sand-Kubow ausdrücklich, "mit Niveau". Das sechsköpfige Redaktionsteam will sogenannte "Standard-Themen" aus anderen Blickwinkeln betrachten als die private Konkurrenz. So gibt es in der »Westzeit« keine Schmuddelreportagen über das Privatleben von Promis. Menschliche Schicksale, so Sand-Kubow, "werden mit der nötigen Distanz und Rücksichtnahme behandelt". Zum Erfolg trägt auch die akustische "Verpackung" bei: Die Musikfarbe von WDR 2 wurde deutlich verändert. Wurden früher auch unbekannte Titel von bekannten Interpreten gespielt, so sind heute wesentlich mehr Hits zu hören. Doch "der Sender" (so der WDR 2-Werbeslogan) grenzt sich auch in der Programmpräsentation deutlich vom Privatfunk ab: Es gibt zwar ein durchgestyltes Jingle-Paket, aber der Einsatz ist verhältnismäßig sparsam. Sand Kubow: "Es gibt sogenannte Sende-Uhren, aber wir sind kein Jingle- und Formatradio".

Wichtig für den Erfolg der Sendung sind die Moderatoren. Auch hier ein deutlicher Unterschied zum Privatradio in Nordrhein-Westfalen: Man setzt auf Mikrofon-Persönlichkeiten. Am »Westzeit«-Mikrofon melden sich [1996] Katrin Brand und Ruhrpott-Original Manfred Breuckmann. Nur in Ausnahmefällen (Urlaub oder Krankheit) moderiert Maria Sand-Kubow die 180 Minuten-Show. "Die Leute sollen das Gefühl haben, da sitzt ein guter Bekannter!" Der Erfolg gibt den Radiomachern Recht. Manfred Breuckmann wird von Hörern schon am Telefon liebevoll mit "Manni" begrüßt. Im Bild: Moderatorin Katrin Brand; oben: Steffi Neu moderiert seit 2000 die »Westzeit«.

Groß geschrieben wird im WDR-Studio Dortmund, wo die Sendung produziert wird, auch der Begriff "Comedy". Zu den Highlights zählt unter anderem die Serie "Die Straße der Gebeutelten", in der jeden Montag um 11.45 Uhr Originaltöne der Fernsehserie "Lindenstraße" zu einer bizarren neuen Story zusammengesetzt werden. Radiogeschichte schrieb man auch mit "Vom Winde verwirrt", einer Persiflage auf den Filmklassiker "Vom Winde verweht". Augenblicke, die zwar gesendet wurden, aber die die Westzeitmacher nicht so toll fanden, gibt es auch: In der Rubrik "Prominentenfrühstück" war einst Inge Meysel zu Gast. Die "Mutter der Nation" nervte das Team und vor allem die Moderatorin mit ihrer - unter Journalisten-Kollegen berühmt-berüchtigten Kratzbürstigkeit.

Alles andere als genervt ist das Team über die Zahlreichen Zuschriften und Anrufe. Die Redaktion verschickt pro Woche rund 500 Infobriefe über die in der »Westzeit« behandelten Themen. Inzwischen können die Hörer diese Informationen auch über das Internet abrufen.

So wichtig Unterhaltung in der Sendung ist, die Information kommt montags bis freitags zwischen neun und zwölf Uhr nicht zu kurz: "WDR 2 bleibt der Infosender. Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, sitzen unsere Hörer weiterhin in der ersten Reihe", so Maria Sand-Kubow. Es kann also gut passieren, dass nach einem Frühstück mit Komiker Otto Waalkes ein aktueller Bericht zur Lage in Russland gesendet wird. Täglich um 11.30 Uhr werden die Frequenzen von WDR 2 für sieben Minuten auseinandergeschaltet zur Ausstrahlung regionaler Nachrichten aus den einzelnen Landesstudios.

Hans Schmalbach
Fotos: © WDR (Peter Brenneken / Herby Sachs
www.wdr2.de

Aus RADIOJournal 12/1996

• »Westzeit«-Moderatorin Katrin Brand wurde 2000 von Steffi Neu abgelöst, weil sie für den Hörfunk als Hauptstadt-Korrespondentin nach Berlin wechselte. Im Herbst 2005 kam sie zurück und gehört seitdem zum Moderatorenteam des WDR 2-»Morgenmagazins«. Steffi Neu moderiert die »Westzeit« im Wechsel mit Gudrun Höpker, Heike Knispel und Stefan Quoos, alle vier kamen von Eins Live. Matthias Bongard, ebenfalls Moderator der »Westzeit« präsentiert auch die traditionsreiche Nachmittagssendung »Zwischen Rhein und Weser«. Manfred Breuckmann moderierte die »Westzeit« von Januar 1995 bis Dezember 1999, wechselte ab Januar 2000 zum »Mittagsmagazin« und ist seit März 2005 in der Sendung »Zwischen Rhein und Weser« zu hören. Comedy gibt es immer freitags um 10.50 Uhr im »Westzeit«-Kabarett. Dann nehmen Didi Jünemann und Jürgen Becker den Mund voll - nicht nur mit Brötchen - und erklären die rheinische Sicht auf die Dinge.

• Gute Noten für WDR 2-»Westzeit«: Die neue Radioshow »Westzeit« auf WDR 2 (Montag bis Freitag 9.05 bis 12.00 Uhr) hat den Geschmack des Publikums getroffen. Das bestätigt eine Studie der WDR-Medienforschung. Die Hörer erteilten den beiden Moderatoren Sabine Brandt und Manfred Breuckmann exzellente Noten. Damit ging das Konzept des WDR 2-Teams auf, den Hörerinnen und Hörern zwei ständige Begleiter durch den Vormittag zu bieten, die schon fast zur Familie gehören. Unter den regelmäßigen Rubriken sind das regionale Nachrichtenmagazin um 11.30 Uhr und die Wetterplauderei mit Jörg Kachelmann am beliebtesten. (RADIOJournal 1/1996)