Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Funkhistorischer Rückblick:
Aus den Anfängen des Frankfurter Rundfunks

25 Jahre Rundfunk, das ist etwa wie die Entwicklung vom Mittelalter zum Heute. Ein Detektorapparat von damals mit seinem schweren Kopfhörer, wenn wir ihn heute sähen, dass wüssten wir: das ist Mittelalter.

Ebenso stürmisch wie sich die Empfangsgeräte von Jahr zu Jahr vervollkommneten und bereits beinah während der Fabrikation veralteten, ebenso stürmisch war die Entwicklung der Sender und Senderäume.

Frankfurts erster Sender stand in der Stephanstraße. Jeder bestaunte das Stahlmastenpaar auf dem Dach des Postscheckamtes. Oben unter dem Dach war Frankfurts erster Senderaum, etwa vier mal sechs Meter groß, nach dem Muster der Aufnahmeräume für Grammophonplatten dick mit Holzwolle gepolstert, darüber schwere, rauhe filzartige Stoffe, um jeden „Schall" zu dämpfen. Ein Flügel, ein Harmonium, eine Uhr, eine hoher, vierbeiniger Ständer mit dem Mikrophon, vier Stühle und Notenpulte, das war alles. Ein Fenster führte zum Nebenraum, in dem an der Wand ein kleines schwarzes Kästchen mit einer langen glühenden Röhre hing: der Verstärker. Auf dem Tisch ein schwerer sechspoliger Schiebeschalter zum Einschalten des Mikrophonverstärkers. Der Sprecher schob ihn zur Seite, musste dann eine halbe Minute warten, bis die Röhren richtig warm waren, ging über den Flur in den Senderaum und sagte an. Und das „Orchester" - vier Mann - begann sein Konzert. Nach dem Stück: Absage, raus aus dem Senderaum, über den Flur, in den Verstärkerraum, Schalter rum, und dann war Pause, viel Pause, ja oft mehr Pause als Musik.

Die Nachrichten bezog man frisch aus der Presse als Bürstenabzug von der Frankfurter Zeitung und der DAZ. Der Sprecher holte sie sich selbst ab, „redigierte" sie auf dem Wege zum Funk und brachte davon, was er für richtig hielt. Es ging auch so. Und das am Anfang nur spärliche Programm ging munter in den Äther, soweit man es damals eben hören konnte, und falls die primitiven Empfangsgeräte auch funktionierten, denn meist streikten sie. Unvergessen Frankfurts erste öffentliche Radiovorführung im räumlich benachbarten „Groß-Frankfurt" (100 Meter vom Funk entfernt), und der Stolz, dass man trotz der weiten Entfernung doch einen Teil des Programms im Trichterlautsprecher hören konnte.

Wenige Jahre später: Umzug im Postscheckamt selbst, in neue Räume. Dort gab es den „großen" Saal für das Orchester von inzwischen knapp hundert Mann, in dem dann später die erste Funkorgel aufgestellt wurde, zu deren Einweihung Paul Hindemith ein Orgelkonzert komponierte, den kleinen Raum für Vorträge und Hörspiele, sowie die „Werbekonzerte der Reichspostreklame". Der Sender selbst war damals schon zum Heiligenstock umgezogen. Seine beiden über 100 Meter hohen Masten waren ein neues Wahrzeichen des alten Frankfurts geworden. Ende der 20er Jahre entstand dann nach langer und eingehender Planung das eigene Funkhaus in der Eschersheimer Landstraße, großzügig angelegt, und wie man damals meinte, geräumig genug für alle Ansprüche.

Nun, der Funk war noch nicht eingezogen, da stellte sich heraus, dass die technische Entwicklung doch weitaus schneller war als das fieberhafte Wachsen des Baues. Als Folge davon ist dann im Grunde unentwegt am Funkhaus gebaut worden, und stets war es mehr oder minder der Versuch, die Quadratur des Zirkels zu finden: Mehr Raum bot die Grundfläche nun einmal nicht, und die Nachbarschaft wachte mit Argusaugen und gespitzten Ohren darüber, dass die Baupolizei auch ja ihr Veto gegen mehrstöckige Erweiterungsbauten einlegte und es scheint, dieser Kampf ist heute noch nicht abgeschlossen.

Die nächsten Jahre werden auch dem Funkhaus viel Neues bringen, und der Tag wird kommen, da auch der Frankfurter Rundfunk die schwersten Raumsorgen hinter sich hat und mit ungehemmter Energie seine Aufgabe erfüllen kann, das geistige Gesicht des heutigen Deutschlands zu sein.

O.W. Studtmann in Radio Almanach vom 18. April 1948

Aus Radio-Skala 2/1992