RTL Radio Luxemburg Chronik

1957 bis heute

1957

15. Juli: "Meine Damen und Herren, liebe Zuhörer! Sie hören nun ein Versuchsprogramm von Radio Luxemburg in deutscher Sprache. Wir senden ab heute jeden Tag von 14.00 bis 16.00 Uhr ein leichtes Musikprogramm. Schreiben Sie uns doch, wenn Sie uns hören sollten." Diese "Einladung" spricht der Radiojournalist Pierre Nilles (alias Peter Perleberg) - Die Geburtsstunde von Radio Luxemburg. Bereits im November wird die Sendezeit auf vier Stunden erhöht.

28. Juli: Elisabeth Merkels (»Die Stunde mit Elisabeth«) war die erste Dame im RTL-Team. Sie wohnte seinerzeit in Luxemburg und bewarb sich beim damaligen Generaldirektor Mathias Felten um eine Stelle im Sender. Erst jobbte sie im Sekretariat der englischen Abteilung, dann durfte sie eine Soldatensendung moderieren: »The Date with Marlene«. Als Pierre Nilles damit begann ein deutsches Programm aufzubauen, avancierte Elisabeth zur ersten deutschen Sprecherin von Radio Luxemburg. Bestückt mit drei Schallplatten aus dem privaten Plattenschrank setze sie sich ans Mikrofon und erzählte den Hörern, sie solle nun eine deutsche Sendung moderieren, habe aber nur drei Schallplatten. Das hörte der Produzent Fred Weyrich, fuhr nach Luxemburg und versorgte Elisabeth mit Musik. Vier Stunden täglich saß die junge Sprecherin fortan am Mikrofon - für eine Monatsgage von 400 Mark. Ihr Konzept: "Herzlichkeit zum Hörer" kam an. Das, was Elisabeth als "die schönste Zeit meines Lebens" bezeichnete, nahm ein Ende, als der Schallplattenproduzent Hans Bertram ihren Weg kreuzte. Im März 1959 heirateten sie; im April 1960 kam Tochter Elisabeth zur Welt, die bald herzerfrischend und satt im Babysitter-Boogie von Ralph Bendix von der Platte quiekte. Elisabeth blieb Radio Luxemburg auch weiterhin treu, nachdem sie den Sender im April 1960 bereits verlassen hatte. In der Musikbranche textete sie unter dem Namen "Lilibert" Schlager wie "Schön ist es auf der Welt zu sein" (Roy Black und Anita) oder die deutsche Version der "Schiwago Melodie".

1958

1. März: Ende des Versuchsprogramms.

April: Radio Luxemburg holt Camillo Felgen (beim Werbefunk Saar unter Vertrag, Nachrichtensprecher des französischen RTL-Programms; Sänger und Entertainer) aus dem Urlaub und beruft ihn zum Leiter der neuen Sendung in deutscher Sprache. Seine Name ist Programm. "The Voice" lässt mit seiner dunklen sexy-Stimme nicht nur Frauenherzen höher schlagen, sondern ganz Europa hört ihm zu. Mit einem kleinen Team, Improvisationskunst, unkomplizierter Höreransprache und bescheidenen Mitteln gelingt es ein Millionenpublikum zu gewinnen. Die ersten Sprecherinnen sind Elisabeth und Annemarie, eigentlich Sekretärinnen ohne Mikrofonerfahrung. Ihr lockerer Umgang mit der Notsituation kommt bei den Hörern so gut an, dass sie auch nach dem "Live-Training" im Programm bleiben.

Der erste aus Deutschland stammende Sprecher, der für längere Zeit und für eine Monatsgabe von 2.000 Mark in Luxemburg bleibt (bis 1963) ist Enno Spielhagen, der sich Franz nennt und die Popularitätskurven des Senders gewaltig nach oben treibt.

Annelie von Mohrenschild (früher Schauspielerin) bewirbt sich auf Drängen ihrer Söhne ("Muttchen hör mal die schöne Elisabeth von Radio Luxemburg, kannst du das nicht auch?") beim Programmdirektor und wird sofort engagiert. Ihre erste Sendung ist ein Duett mit Franz und heißt »Die blaue Stunde«. Annelies Seefahrersendung »Klabautermann« ist über Kurzwelle weltweit zu hören und wird zum unlösbaren Bestandteil im Programm von Radio Luxemburg, ebenso wie ihre »Kindergeschichten«. Weitere Sendungen sind »Hafenmelodie«, »Interview mit einem Geist« und »Annelie ist für Sie da«. Annelie bleibt bis zum April 1970 und verabschiedet sich von den Hörern mit einem spektakulären "Mikrofon-Kuss". 1969 ist in der PERL SERIE von Metronome Records die Langspielplatte für Kinder "Annelie von Radio Luxemburg erzählt Gute Nacht Geschichten" (Die Prinzession und der Laubfrosch; Die sieben Waldarbeiter und Trixie reißt aus) erschienen.

6. April: Am Ostersonntag geht Camillo um 17.00 Uhr mit einer revolutionären "First-Edition" auf Sendung: die Hitparade! Es ist die erste deutschsprachige Hitparade überhaupt. Nach der Premiere kommen 4.000 Zuschriften, bald sind es 60.000 und mehr. Die "Hitmaker" entwickeln sich in Sachen Musik zum Trendsetter. Sechs Monate später hebt Camillo das Wunschkonzert aus der Taufe, und im Sommer 1963 startet die erste Autofahrersendung. Gleich darauf erfindet er die "fröhlichen Wellen" von Radio Luxemburg. Seine Sendungen macht er allesamt zu Hörfunk-Favoriten und verhilft damit seinem Sender zu enormer Beliebtheit. Camillo und seine Moderatoren-Truppe haben das "Wir-Miteinander-Gefühl" zwischen RTL und seinen Hörern gepflegt und weiterentwickelt. Camillo: "Dieses ständige Miteinander vom Mikrofon zum Hörer ist es, was Radio Luxemburg ausmacht!" Bis Februar 1968 ist er mit verschiedenen Programmen auf Radio Luxemburg on air, dann konzentriert er sich auf die Fernsehshow »Spiel ohne Grenzen«. Später moderiert er wieder das »Wunschkonzert« am Sonntagnachmittag. Der ehemalige Volksschullehrer wurde 1920 in Luxemburg geboren. Dann schwenkte er auf Musik um und brachte ein abgeschlossenes Opernstudium hinter sich. Er drehte auch einige Filme, bevor er sich als Star-Discjockey bei Radio Luxemburg einen Namen machte. Auch als Schlagersänger war er erfolgreich mit Liedern wie "Sag warum", "Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren" und "Heut' abend kommt die Liebe". Von seinem Hit "Sag warum" sind 800.000 Platten verkauft worden. Camillo hat unter dem Pseudonym Jean Nicolas Schlagertexte für Connie Francis ("Schöner fremder Mann") und Peter Alexander ("Ich zähle täglich meine Sorgen") geschrieben. Auch "Komm, gib mir deine Hand" und "Ich liebe dich", die beiden einzigen Platten von den Beatles mit deutschem Text, stammen aus seiner Feder. 1951 sang der Bariton Camillo die Erkennungsmelodie für das französische Programm von Radio Luxemburg. Auf der hier abgebildeten Langspielplatte von Polydor, die 1966 erschien, singt Camillo für seine zahlreichen Fans zwölf bekannte Melodien, die er in seinem »Wunschkonzert« auf Radio Luxemburg immer wieder spielen musste.

>Eurovision 1960 London: So laang we's du do bast

1959

Ferdy (Waldemar Müller) beginnt seinen Sprecherdienst bei Radio Luxemburg. Er moderiert unter anderem »Die blaue Stunde« am Spätnachmittag. 1962 wechselt er zum Süddeutschen Rundfunk (SDR). Dort arbeitet er als Sprecher und Programmgestalter. Ein Millionenpublikum bekommt Ferdy mit der Sendung »Musik bis zum frühen Morgen«, die er auch selbst zusammenstellt. Unvergessen ist unter anderem auch seine Präsentation des Telefonwunschkonzertes »Sie wünschen - wir spielen«. Außerdem wurde er als Sprecher von Schallplattenproduktionen bekannt. Seine einzige solistische Aufnahme erschien 1965 als "Ferdy" und wurde zum heimlichen Kulthit. Alle LPs auf denen Waldemar Müller als Sprecher mitwirkte, sind heute Raritäten. (»Sein Leben gehörte dem Rundfunk, der Liebe zum Mikrofon und zu seinen Hörerinnen und Hörern« - Hans-Jürgen Finger). Waldemar Müller ist 2001 verstorben.

Der Luxemburger Maler und Bildhauer Auguste Tremon entwirft eine fünf Pfund schwere und 26 Zentimeter hohe Trophäe ins einem Pariser Atelier und gießt sie in Gold, Silber und Bronze - die Löwen sind los. Initiator des RTL Wappentiers ist Camillo Felgen. Verwirklicht wird die großartige Idee von Claude Fischer (Direktor des deutschen Programms), Helmut Stoldt (Chef der IPA und 1964 Nachfolger von Claude Fischer) und dem ehemaligen PR-Chef der IPA, Gerd von Hassler. Die ersten drei Löwen (nur Bronze) werden am 17. März in Frankfurt am Main vergeben.

30. April: Die Löwen von Radio Luxemburg werden zum ersten Mal im großem Rahmen in der Essener Grugahalle verliehen. Die Gewinner sind Conny Froboess ("I Love You Baby"), Peter Kraus ("Sugar Baby") und Fred Bertelmann ("Der lachende Vagabund"). Die stets ausverkauften Galas entwickeln sich in den kommenden Jahren zum erfolgreichsten Radio-Spektakel der Welt. Der Gradmesser für die Vergabe der Löwen sind die Verkaufszahlen und die Hitparaden. Wer dort besonders häufig gewünscht wird und an den obersten Plätzen liegt, hat Chancen auf die Auszeichnung von Radio Luxemburg. Deutsche Songs bleiben bis zu Beginn der 70er Jahre die Nummer eins auf dem Wunschzettel der Hörer. Erst später nimmt der Trend zu englischsprachigen Titeln zu. Ab 1971 findet die Löwenverleihung jedes Jahr in der Dortmunder Westfalenhalle statt. Im Bild: Die Löwengewinner Peter Kraus, Conny Froboess und Fred Bertelmann. Foto: © RTL RADIO

Das Schlagerfestival - nach einer Idee von Camillo Felgen - wird geboren. Neben den bronzenen, silbernen und goldenen Löwen wird nun auch eine "goldene, silberne und bronzene Plakette" von Radio Luxemburg an den Interpreten überreicht, der bei einer Hörer- und Zuschauerabstimmung (auf Festivals usw.) den meisten Applaus und die meiste Zustimmung bekommt (dafür wurde in Tanzsälen und Veranstaltungshallen ein Applausometer aufgebaut). Die ersten Gewinner waren unter anderem das Duo Gizefeld, Conny Froboess und Peter Kraus. Ausgezeichnet wurden auch Künstler von Melodien, die beliebt waren. Der Bundespräsident stiftete 1961 sogar einen Preis für die beliebteste Marschliedkomposition. 1961 fand das letzte Schlagerfestival von Radio Luxemburg statt, ab dann kümmerten sich die anderen deutschsprachigen Rundfunksender um die Förderung des deutschen Schlagergutes.

Der junge Edy Hildebrandt besucht den Sender regelmäßig. Aus seiner Konditorei bringt er Torten und Kuchen für's Deutsche Programm mit. Frank gibt ihm Sprechunterricht.

1960

1. Januar: Der Mittelwellensender 1440 kHz (208 Meter) wird auf 600 Kilowatt verstärkt. Passend zur Erhöhung der Reichweite komponierte das Orchester Werner Müller die erste Hitparaden-Erkennungsmelodie.

April: Radio Luxemburg arbeitet eng mit dem deutschen Film zusammen. Musikfilme sind zu der Zeit das A und O, unter anderem mit Conny Froboess und Peter Kraus. An der Produktion mit dem Titel "Schlagerraketen - ein musikalisches Feuerwerk von Radio Luxemburg" war Camillo Felgen maßgeblich beteiligt und wirkte auch selbst mit.

1962

1. Mai: Henry (Hans Karl Schmidt), zuvor beim RIAS Berlin tätig, kommt zu Radio Luxemburg. Für seine Show »Atze & Co" (ein frühes Stück radiokultiger Gag-Moderation) reist er freitagsnachmittags extra aus Frankfurt an. Henry als Hauptstimme (hochdeutsch) führt Blödeldialoge mit seinem berlinernden "Sidekick" Atze. Beide werden gesprochen von Henry Schmidt selbst. Der Trick dabei: Wenn Atze spricht, dreht Henry sein Studiomikrofon von sich weg und erzielt so den distanzierenden "Raumklang-Effekt" für seinen Atze. Atze albert sich durch bis April 1968. Im Bild: Hans Karl Schmidt mit Unterschrift auf der Autogrammkarte: "Lass Dir umarmen, Atze". Hans Karl ist im hohen Alter noch radioaktiv und betreibt mit seinem Freund Johannes Hesse einen eigenen Internet-Radiosender - Das Dampfradio aus dem Landecker Land: www.radio-landeck.de

Franz (Enno Spielhagen) trifft sich mit sieben Rätselfreunden in einer Gaststätte in Euskirchen zu seiner Sendung »7 Fragen stellt der Franz«, die auf Band produziert wird. Einer der Fragesteller an diesem Abend ist ein junger Mann namens Jürgen Ebner. Jürgen ist einer der ersten Discjockeys, sein größter Wunsch: Sprecher bei Radio Luxemburg werden. 21 Monate später hat er sein Ziel erreicht, als Jörg moderiert er seine erste Sendung im Juli 1963.

Norbert Pirsch wird Sprecher in Luxemburg. Mit Monika "berlinert" er unter anderem 1964 in einem Rundfunkkabarett, das ein Mal wöchentlich im Nachmittagsprogramm ausgestrahlt wird.

Im Herbst führt Camillo das internationale Nachtprogramm von Radio Luxemburg ein. Drei Sprecher, vom französischen, englischen und deutschen Programm, sitzen nach Mitternacht um einen Mikrofontisch und senden in drei Sprachen auf UKW, Mittel- und Kurzwelle.

Im Winter 1962 übernimmt Radio Luxemburg den UKW-Kanal 33 (97,0 MHz). Zu hören ist das Programm aus dem Großherzogtum von 6.00 bis 21.00 Uhr; ab Sommer 1964 bis 22.00 Uhr; ab Dezember 1964 bis Mitternacht und ab Januar 1965 bis 1.00 Uhr nachts. Ab September 1965 schaltet sich die Mittelwelle um 6.15 Uhr zu; 1967 wird auf 1440 kHz und Kurzwelle 6090 kHz von 6.15 bis 9.00 Uhr und von 12.00 bis 19.30 Uhr gesendet.

1963

Der Sender der leichten Muse, der eine Brücke schlägt - von Ohr zu Ohr, von Herz zu Herz - bekommt Sprecher-Zuwachs: Marie-Ann, Monika Georges, Renate, Jörg (Jürgen Ebner), Charly (Klaus A. Heller) und Edy Hildebrandt gehören jetzt zur Unterhaltungsmannschaft einer großen und überaus treuen Hörerfamilie. Die Sprecher identifizieren sich mit ihrem Programm, stellen die Musik selbst zusammen, versetzen die Zuhörer mit ihrem individuellen Geplauder in sentimentale Schwingungen und geben viele kleine Impulse, die Radio liebenswert machen. Alles wirkt authentisch, Versprecher und Stottern inbegriffen. Ihre Fans pilgern scharenweise nach Luxemburg und stürmen das Funkhaus, um ihren "Radio-Idolen" zum Anfassen nah zu sein. Anfangs dürfen sie einen Blick in das sagenumwobene Studio 4 werfen, schauen wie eine Sendung gefahren wird. Die auf alles gefassten Stars vorm Mikro bauen den Besuch der "Autogrammjäger" publikumswirksam ins Programm ein. Foto: © Archiv Friedel Weiß

• 1. März: Charly (Klaus A. Heller) gehört jetzt zum Sprecher-Team. Er ist gleichzeitig das hessisch babbelnde "Herr Karlchen". Seine Sendungen sind unter anderem »Fröhlicher Wecker«, »Funkkantine«, »Autofahrer unterwegs«, »Tag Schatz, Tag Spatz« mit Helga, »Heiterkeit in Dur und Moll«. Charly unterhält die Hörer bis zum 31. April 1966. Nach der RTL-Zeit ist er in Frankfurt als Werbetexter beschäftigt (von 1967 bei Neckermann-Versand, Cheftexter, zuletzt Werbeleiter Verkaufsförderung). 1979 gründet er eine eigene Werbe-Agentur in Frankfurt/Main. Dazwischen macht er nebenberuflich immer mal "Ausflüge ins Rundfunkland": Hessischer Rundfunk, Südwestfunk (»Südwest International«). 1981 wechselt Klaus A. Heller als Textchef zum Heine-Versand, Karlsruhe. Dort arbeitet er bis 31.12.2007. Nebenberuflich moderiert er im Radio: 1987-1991 bei Welle Fidelitas, Karlsruhe (»Anlasser«, »Weekend«, »Karussel«, »Marktplatz«). 1991 bei Radio Victoria in Baden-Baden (»Auftakt«, »Kulisse«, »Hautevolee«, »Lovesong-Wunschkonzert«, »Zwischen Himmel & Erde« [Rätselsendung] - bis Ende des Senders 1994. Seit 1. Januar 2008 ist Klaus A. Heller als freiberuflicher Texter für Werbung und PR tätig.

Juni: Die ersten regelmäßigen Autofahrersendungen werden geboren. LUXI - ein kleiner Plastiklöwe - soll zum Maskottchen des Senders werden.

"Glaube mir" von Wolfgang Sauer gehört zu den deutschen Schlager-Evergreens. Der blinde Sänger war 1963/64 RTL-Moderator. Alle Zeichen des Technikers wurden für Wolfgang in akustische Signale übersetzt.