Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern

»Wer uns hört, verpasst nichts!« 
WDR 2-Chefin Angelika Netz verantwortet
die Leitwelle für NRW

„Wir sind ein Tagesbegleitprogramm mit erwachsender Rock- und Popmusik, das einen hohen Informationsanteil anbietet. Egal, wo etwas passiert, WDR 2 ist sofort live dabei, um jederzeit aktuell zu berichten“, bringt Angelica Netz die Grundphilosophie ihres Senders auf den Punkt. Wer die Leitwelle des Westdeutschen Rundfunks aus Köln einschaltet, soll sicher sein, nichts zu verpassen. „Unser Zielpublikum ist dabei in erster Linie an nationalen und internationalen Informationen interessiert. Aber selbstverständlich verstehen wir uns auch als Sender in Nordrhein-Westfalen für Nordrhein-Westfalen. So haben wir immer zur halben Stunde Nachrichten aus der Region und das Traditionsmagazin »Zwischen Rhein und Weser« am Nachmittag“, so WDR 2-Programmchefin Angelica Netz. Sie freut sich über die noch immer vorhandene bundespolitische Akzeptanz, die auch mit dem Regierungsumzug nicht verloren ging. So kann WDR 2 heute sowohl im Berliner Kabelnetz als auch im lokalen DAB-Ensemble empfangen werden.

Da das Programm mehr als ein Begleiter durch den Tag sein will, sind auch Persönlichkeit und Authentizität bei den zum Teil langjährigen Moderatoren wichtig. „Wir wollen keine Sprechmaschinen sondern sympathische Menschen, die man im Sendegebiet kennt und die Nordrhein-Westfalen kennen. Es gibt einen Moderationsleitfaden bei uns, der die Grundrichtung bestimmt, der Rest ist dem jeweiligen Typ vorbehalten“, sagt Angelica Netz. Die WDR 2-Moderatoren sind dabei zugleich professionelle Journalisten, die Interviews hart in der Sache, aber freundlich im Ton führen sollen. Eine Reduzierung auf weniger, dafür aber wieder erkennbare Stimmen schärfte in letzter Zeit das WDR 2-Profil. Damit einher geht auch weiterhin die Trennung von Moderation und Redaktion. Die Redakteure bereiten inhaltlich die Themen einer Sendung vor oder sind als Reporter vor Ort, während die Moderatoren für die Einordnung ins Programm und das sinnvolle „Verkaufen“ der Inhalte verantwortlich sind.

„Seit zwei Jahren gibt es bei uns auch Moderatorencoaching und ganz intensive Sendungsnachbesprechungen, die der Redaktionsleiter macht. Dabei geht es genauso um die Interviewführung wie den tages- und gesellschaftspolitischen Bezug der Moderationen oder den Umgang mit Hörern bei Aktionen“, erläutert Programmchefin Angelica Netz. Klassische 0815-Gewinnspiele sind dabei auf WDR 2 nicht zu hören. Bei der MA-Aktion „Hotel WDR 2“ wurde eine Reise nach Rhodos verlost, für deren Gewinn man historische und aktuelle Fragen zum Thema Griechenland beantworten musste. Während der Zumwinkel-Affäre suchte das »Morgenmagazin« einen passenden Werbeslogan für Lichtenstein, was zu einer regen Hörerbeteiligung führte. In diesem Frühjahr sorgte „WDR 2 für eine Stadt“ für Furore, wo alle Bewohner aufgerufen waren, jeweils für ihre Stadt abzustimmen. Die zehn Finalisten wurden besucht und mussten mehrere Aufgaben lösen. Am 24. Mai ist WDR 2 mit seinem gesamten Programm in der Siegerstadt zu Gast, wo auch die Sendungen direkt vor den Augen der Hörer produziert werden. Neben einem großen Konzert mit anspruchsvollem Line-Up ist auch eine „WDR 2-Hausparty“ geplant. An der Abstimmung beteiligten sich täglich mehr als 50.000 Menschen im Internet. Ein Zeichen dafür, dass auch der Programm begleitende Auftritt im Netz immer wichtiger wird. „Wir versuchen dabei eigene Inhalte nach vorn zu stellen und einen wirklichen Mehrwert anzubieten“, erklärt Angelica Netz ihre diesbezügliche Philosophie.

Das WDR 2-Programm wird von mehreren Redaktionsteams betreut. So gibt es ein Next Day-Team, das die aktuellen Sendungen des Folgetages im Blick hat, sich also um das »Morgenmagazin«, »Mittagsmagazin«, die »Westzeit« kümmert oder die Sendung »Der Tag« verantwortet - wo es noch im klassischen Zeitfunk-Stil sechs aktuelle Beiträge in der Stunde zu hören gibt. Die Sendung »Zwischen Rhein und Weser« wird live aus dem WDR-Studio in Dortmund gesendet - eine über viele Jahre gewachsene Tradition, die allerdings den wenigsten Hörern bekannt sein dürfte. Darüber hinaus gibt es auch eine Langfristplanung, bei der sich ein Projektteam mit sendungsübergreifenden Inhalten beschäftigt, etwa einem thematischen Schwerpunkt über Afrika oder einer Bilanz zum Tsunami-Jahrestag. Bei WDR 2 selbst sind 70 Mitarbeiter fest angestellt, darüber hinaus kann auch auf die anderen Ressourcen inner- und außerhalb der größten ARD-Anstalt zurückgegriffen werden.

Besonders hervorzuheben sind die Abendsendungen bei WDR 2. Wo ansonsten in Nordrhein-Westfalen der mitunter sperrige Bürgerfunk oder ein wortloser Musikteppich zu hören ist, haben sich Sendungen wie »Montalk«, »Servicezeit« oder »Weltzeit« ein spezielles Profil erarbeitet, mit dem ein ebensolches Publikum gefunden wurde. Die Diskussionssendung »Arena« erfreut sich ebenfalls einer regen Hörerbeteiligung. Hier gibt es bei Reizthemen wie Steuerhinterziehung oder Umgang mit persönlichen Daten schon mal 3000 bis 4000 Anrufe in wenigen Stunden. „Unsere Abendformate sind eine gute Ergänzung zum Tagesprogramm. Hier ist Platz für Hintergrund und Reportagen. Gerade in der »Weltzeit«, wo die Auslandkorrespondenten ihre Berichtsgebiete auch mal jenseits von Kriegen, Krisen, Katastrophen vorstellen können“, sagt WDR 2-Programmchefin Angelica Netz.

Einen breiten Anteil am Programm - gerade am Wochenende - nimmt die Sportberichterstattung ein. Neben der traditionellen Bundesliga-Konferenzschaltung beim Fußball haben auch andere relevante Sportarten wie Tennis oder Handball ihren festen Platz im Programm. „Sport hat bei uns den gleichen Stellenwert wie Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur“, so Angelica Netz. „Das Publikum kann gut damit leben.“

Im Boulevardbereich setzt sie ebenfalls andere Akzente als die private Konkurrenz. Wo dort im Comedy-Bereich Telefonveralberungen dominieren, geht WDR 2 mit »Ullala« eigene Wege. Hier wird die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt aus Aachen so geschickt auf die Schippe genommen, dass es ihr anscheinend auch selbst gefällt. Schließlich hat sie eine Folge für den „WDR 2 Adventskalender“ selbst gesprochen. Auch „Die von der Leyens“ sind ein Beispiel dafür, dass Comedy auch politische Satire sein kann und nicht trotz sondern wegen dieser Art intelligenter Unterhaltung geschätzt wird.

Ein Markenzeichen bei WDR 2 ist die für den Sender typische Musikzusammenstellung. „Unsere Musik ist bekannt, besteht aus den Hits der 70er, 80er und 90er Jahre und erinnert die Hörer damit vornehmlich an ihre Jugend und die frühe Zeit des Erwachsenwerdens. Wer WDR 2 einschaltet, will wissen, was läuft und erwartet bekannte Songs. Wir wollen bewusst kein Trendsetter sein sondern setzen auf bewährte Interpreten wie Marc Knopfler, Bruce Springsteen, Madonna, Queen, Pink Floyd, Anastacia, James Blunt, Katie Melua oder die Rolling Stones“, erläutert Angelica Netz die Philosophie ihrer Welle in diesem Bereich. Sie verweist zudem auf die mit über 2000 Songs sehr maßvolle Rotation, wo selbst A-Titel nicht mehr als zweimal in 24 Stunden laufen. Titel aus der B-Rotation sind sogar nur einmal am Tag zu hören. Im Augenblick arbeitet sie daran, das Musikprofil weiter zu schärfen. „Unser Programm soll durchgängig erkennbar sein, wobei wir Ecken und Kanten bewusst setzen wollen. Seit kurzem sind bei WDR 2 auch XXL-Titel in voller Länge zu hören, wenn es die Zeit erlaubt“, so die Programmchefin. Aufgrund des nicht geringen Wortanteils haben ohnehin höchstens zehn Titel in der Stunde Platz, da will die Zusammenstellung wohl überlegt sein. Deshalb werden auch ausgewählten Hörern regelmäßig 300 Hooks am Telefon vorgespielt, um den Publikumsgeschmack im Programm widerzuspiegeln.

Hörerwünsche werden vereinzelt gespielt, wenn es eine originelle Begründung für den entsprechenden Wunsch gibt und in der Sendung »Jukebox« am späten Freitagabend. Hier bestimmen die Hörer online, wie die Sendung aussieht. Wissenswertes aus dem Musikbusiness, Neuerscheinungen und Klassiker der Rock- und Pop-Geschichte werden musikjournalistisch im »WDR 2 Musikclub«, in den, »Classics« oder in »Yesterday« aufbereitet, hier lohnt sich dafür gerade das Zuhören.

WDR 2 kann als ein im Land verankertes Vollprogramm auf eine treue Hörerschaft zurückgreifen, die auch weit über Nordrhein-Westfalen hinaus reicht. Sowohl zu den privaten Mitbewerbern als auch zum hauseigenen 1Live gibt es Unterscheidungspunkte. Trotzdem ist WDR 2 ein Programm das Werbung ausstrahlt. „Wir können damit leben, wenngleich es auch Hörer gibt, die das generell ablehnen. Aus Sicht einer Programmchefin ist eine werbefreie Welle natürlich immer von Vorteil, aber ohne die Werbeeinnahmen müsste die Rundfunk-Gebühr deutlich höher liegen. Also ist die Werbung auch im Sinne unserer Hörer“, argumentiert Angelica Netz abwägend.

Stolz verweist die agile Macherin auf den unter ihrer Führung deutlich ausgebauten Off-Air-Bereich, der dem Ziel dient, WDR 2 bei den Hörern noch bekannter zu machen. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist die „WDR 2-Hausparty“, die in ausgewählten und originellen Locations wie der Zeche „Zollverein“ oder dem Landschaftspark Duisburg stattfindet. Hier wird dann für diesen Zweck eine Wohnung eingerichtet, die liebevoll dekoriert und mit eigener Tanzfläche, DJ und Chips ausgestattet wird. WDR 2-Moderatoren fungieren dann als Gastgeber und zwischen 800 und 1000 - im Ausnahmefall auch bis zu 2000 - Hörer kommen um zu feiern oder mit den Programmmachern ins Gespräch zu kommen. „Es soll den Hörern Spaß machen, ist für unser Projektteam zugleich eine gute Gelegenheit, die Erwartungen der Menschen an unser Programm kennen zu lernen. Das rechtfertigt den Aufwand für die vier bis sechs Mal im Jahr stattfindende ‚Hausparty’ wirklich“, ist sich Angelica Netz sicher.

Gut angenommen wird ebenfalls das „Festival-Kino“ in Zusammenarbeit mit Cineplex-Häusern im Land, wo bewusst auch in kleinere Städte Nordrhein-Westfalens gegangen wird. Ein wichtiges Moment ist zudem die jährlich stattfindende Lehrstellenaktion, die in Kooperation mit 1Live und dem WDR-Fernsehen durchgeführt wird.

Gut besucht sind auch die regelmäßigen Radiokonzerte, die über das Programm selbst beworben werden. Verstärken will WDR 2 in Zukunft cross promotions mit dem Fernsehen und das Bewerben von Veranstaltungen auf multimedialen Wegen. „Ob Infoscreens in den U-Bahnhöfen, Plakatierungen in den Städten oder Kooperationen im Internet - kein Bereich sollte ausgelassen werden, wenn es darum geht, noch deutlicher die Stärken von WDR 2 hervorzuheben“, findet Angelica Netz.

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 5/2008 


Foto: © WDR (Herby Sachs)

»... Wir wollen keine Sprechmaschinen sondern sympathische Menschen, die man im Sendegebiet kennt und die Nordrhein-Westfalen kennen. Es gibt einen Moderationsleitfaden
bei uns, der die Grundrichtung bestimmt, der Rest ist dem jeweiligen Typ vorbehalten ... Seit
zwei Jahren gibt es
bei uns auch Moderatorencoaching und ganz intensive Sendungsnachbe-sprechungen, die der Redaktionsleiter macht. Dabei geht es genauso um die Interviewführung wie den tages- und gesellschaftspolitischen Bezug der Moderationen oder den Umgang mit Hörern bei Aktionen...«




»... Unsere Musik ist bekannt, besteht aus
den Hits der 70er, 80er und 90er Jahre und erinnert die Hörer damit vornehmlich an ihre Jugend und die frühe Zeit des Erwachsenwerdens.
Wer WDR 2 einschaltet, will wissen, was läuft und erwartet bekannte Songs ... Unser Programm soll durchgängig erkennbar sein, wobei wir Ecken und Kanten bewusst setzen wollen ... Ob Infoscreens in den U-Bahnhöfen, Plakatierungen in den Städten oder Kooperationen im Internet - kein Bereich sollte ausgelassen werden, wenn es darum geht, noch deutlicher
die Stärken von WDR 2 hervorzuheben...«

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