Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern



Foto: © NDR (Christoph Isenberg)

ER ist Radio - Michael Thürnau über Person, Programm und Hörer

Im Landesfunkhaus Niedersachsen am Maschsee in Hannover entsteht Tag für Tag eines der beiden meistgehörten deutschen Radioprogramme. Das Erfolgsrezept von NDR 1 Niedersachsen setzt sich aus melodischer Musik, kompetenter Information und Moderatoren, die im besten Sinne des Wortes unterhalten, zusammen. Eines dieser Aushängeschilder ist Michael Thürnau. Sympathisch, bodenständig und hörernah nimmt er die Menschen ernst – im Programm genauso wie bei den zahlreichen Außenveranstaltungen. Mittlerweile ist Michael Thürnau auch eine norddeutsche Fernsehpersönlichkeit geworden. Im folgenden Gespräch gibt er Einblicke in seine Arbeit als Moderator und Redakteur und seine Erfahrungen in über zehn Rundfunkjahren in Hannover.

Michael, wie ist Ihr Weg zu NDR 1 Niedersachsen verlaufen?

Mein Einstieg in den Medienbereich vollzog sich über den Zeitungsjournalismus, wo ich schon während der Schulzeit schrieb. Nach einem Volontariat beim „Verlag Lokalpresse“ verfasste ich Artikel für diverse Zeitungen und Illustrierte. Danach habe ich als freier Mitarbeiter Beiträge für verschiedene öffentlich-rechtliche wie private Sender abgeliefert. In dieser Zeit bin ich um den gesamten Erdball gereist, habe viel gesehen und unterschiedlichste Themen und Probleme kennen gelernt. Schließlich wurden mir hier im Landesfunkhaus Hannover Redakteursaufgaben übertragen. Es ist mittlerweile auch schon wieder über zehn Jahre her, dass ich mit dem Moderieren angefangen habe. 

Welche Ereignisse oder Begebenheiten sind Ihnen in Ihrer Rundfunklaufbahn besonders im Gedächtnis haften geblieben?

Das bleibendste Ereignis war sicherlich der Fall der Mauer, wo ich den nächsten Tag auch drüber berichtet habe. Ansonsten waren da viele schöne Geschichten, die sich ergeben haben, viele Schicksale, die ich auch in der Sendung hatte. Da eine Sache herauszugreifen, wäre sicherlich nicht angemessen. In der Situation, wo das Gespräch über den Sender geht, ist mir der Mensch am wichtigsten, der gerade am Telefon ist und damit auch seine Geschichten bzw. das, was ich mit ihm erlebe. Natürlich beeindrucken mich auch unsere Veranstaltungen, wenn zum Beispiel über 25.000 Fans bei strömendem Regen vor der Bühne in Salzgitter beim diesjährigen Schlagerfestival ausharren. Und es gibt Dinge, die man früher nicht für möglich gehalten hätte, die aber mittlerweile wahr geworden sind. Für »Echt oder Ente« hatte ich mir mal eine Geschichte über ein Klo ausgedacht, das Blutdruck und Fieber misst. Vor zehn Jahren war das eine Illusion, mittlerweile ist es erfunden. Das macht mich dann schon ein Stück sprachlos...

Michael, Ihre sympathische Art überträgt sich auch auf die Hörer, Sie scheinen für ein Heimatprogramm geradezu wie geschaffen. Auf welche Eigenschaften führen Sie das zurück?

Ich war halt schon immer ein fröhliches Kind, das sich wohl fühlt(e), im Kontakt mit Menschen. Mein oberster Grundsatz ist dabei, dass ich keine Hörer blamieren will. Ich halte jedem die Tür auf, lasse jeden Menschen ausreden. Ich spiele keine Rolle, sondern bin einfach so. Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen, sollte ruhig auch mal eine Geschichte mit einem Augenzwinkern präsentieren. Bei den Veranstaltungen bin ich gern mit Lutz Ackermann unterwegs, wir ergänzen uns gut. Ich versuche auch den Kontakt zu den Hörern über die Sendung hinaus zu halten. Auch wenn im Monat hunderte Briefe eingehen, lese ich sie alle und versuche sie zu beantworten. Wo ich konkret helfen kann, zum Beispiel wenn jemand einen Arbeitsplatz oder einen alten Schulfreund sucht, mache ich das. Vielfach sind das Geschichten, die zu persönlich sind und auch nicht ins Programm gehören. 

Natürlich stoße ich auch an Grenzen. Obwohl ich immer wieder gefragt werde: Ich kann nicht zu allen Geburtstagen der Oma kommen, zu denen ich eingeladen werde, das gibt die Zeit nunmal nicht her. Der Vorteil bei NDR 1 Niedersachsen ist aber, dass wir die Menschen ernst nehmen, dass hier Lokalität vorherrscht, ohne das überregional Interessante aus dem Blickfeld zu verlieren.

Mittlerweile haben Sie sich auch im Fernsehen etabliert...

Fernsehen mache ich gerne, mein Metier ist und bleibt aber das Radio. Die Spontanität, das völlig freie Moderieren dort funktioniert beim Fernsehen nur bedingt. Nachdem ich auch einige Ausgaben einer regionalen Kochsendung mit viel Musik moderierte, habe ich mich dann - nachdem alles schon gekocht war - auf die Umweltlotterie »Bingo« im NDR Fernsehen (dem früheren N 3) konzentriert. 

Am 29. September hatten wir jetzt unseren fünften Geburtstag, etwa 250 Sendungen sind mittlerweile schon entstanden. Der Produzent hat damals jemanden gesucht, der sich im Norden auskennt. Meine Radiopopularität war dabei eher nebensächlich. Schließlich kennt mich ja außerhalb des NDR 1 Niedersachsen-Sendegebiets keiner, wo ich aber auch im Fernsehen zu empfangen bin. Mittlerweile haben wir beim »Bingo« 27 Millionen Euro für Umweltprojekte eingespielt. Die Altersstruktur der Zuschauer ist recht interessant: 12 Prozent sind jünger als 30 Jahre, 44 Prozent zwischen 30 und 49 und 44 Prozent älter als 49 Jahre. 

Welche Aufgaben nehmen Sie denn als Redakteur – was ja den größten Teil Ihrer Arbeitszeit ausmacht - wahr?

Ich bin zum Beispiel für die »Plattenkiste« zuständig, die bei NDR 1 Niedersachsen jeden Tag zwischen 12 und 13 Uhr ausgestrahlt wird und in der sich Vereine, Firmen oder Verbände vorstellen, von ihren Hobbys erzählen und das Musikprogramm bestimmen können. Auch für einige Quizgeschichten wie das »Musikrätsel« oder »Sing mit« bin ich verantwortlich und für die Off-Air-Aktivitäten wie das »Infomobil«, mit dem ich jedes Jahr zusammen mit Lutz Ackermann im NDR 1 Niedersachsen-Land unterwegs direkt zu unseren Hörern bin. 

Dann betreue ich den »Spruch des Tages« mit oder bereite unsere Kult-Comedy »Platt mit Michael und Lutz« vor. Das ist übrigens für mich ein schönes Beispiel, wie man den Menschen auf humorvolle Art und Weise Freude bereiten kann, ohne sie aber gnadenlos vorzuführen, wie es bei diesen totgejingelten Spaßtelefonen oftmals der Fall ist. Dort hört man ganz deutlich, dass die ausgestrahlten Folgen vielfach radikal zusammengeschnitten sind, weil die Leute nämlich häufig einfach nur schockiert sind, wenn sie derart vorgeführt werden.

Mit Lutz Ackermann harmonieren Sie überhaupt prima...

Wir sind das explosivste Duo seit Nitro und Glyzerin... Wir haben Spaß daran, zusammen und mit den Hörern zu lachen und sie zu unterhalten. Früher gehörte Lutz Ackermann - neben Carlo von Tiedemann oder den Radio Luxemburg-Stars wie Frank Elstner, Björn-Hergen Schimpf, Werner Schulze-Erdel - zu meinen Radio-Idolen. Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, einmal gemeinsam mit ihm zu moderieren. 

Wir sind natürlich auch das ideale Angebot für die unterschiedlichsten Zielgruppen. Wobei ich immer wieder sagen muss, dass mir der Umgang mit älteren wie mit jüngeren Hörern gleichermaßen liegt und die Unterschiede überhaupt geringer sind, als man gemeinhin annehmen möchte. Die Altersgruppen sind sich ähnlicher als man denkt und es gibt viele nette Hörer jeden Alters. Diese Privatfunkphilosophie in jüngere wichtige und ältere unwichtige Hörer machen wir ohnehin nicht mit. 

Was gibt es sonst noch über Michael Thürnau zu erzählen?
Bleibt Zeit für Hobbys?

Wer es genau wissen will, ich bin 1963 in der Silbersee-Klinik in Langenhagen geboren und dort auch aufgewachsen. Ich lebe gerne hier, bin aber kein kämpferischer Niedersachse. Ich habe nie behauptet, dass es nicht woanders in Deutschland oder auf der Welt auch schöne Ecken gibt. 

Außer dem Kochen - was ich schon von der Figur her nicht leugnen kann - und dem Segeln bleibt mir eigentlich keine Zeit für Hobbys. Dafür arbeitete ich auch viel zu gerne. Als Berufsbezeichnung gebe ich übrigens immer „Gaukler“ an. Das trifft es wohl am besten, die Leute zu unterhalten, ohne sie zu langweilen, genau das ist ja meine Aufgabe. 

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 11/2002
 

»... Das bleibendste Ereignis war sicherlich der Fall der Mauer, wo ich den nächsten Tag auch drüber berichtet habe. Ansonsten waren da viele schöne Geschichten, die sich ergeben haben, viele Schicksale, die ich auch in der Sendung hatte.
Da eine Sache herauszugreifen, wäre sicherlich nicht angemessen. In der Situation, wo das Gespräch über den Sender geht, ist mir der Mensch am wichtigsten, der gerade am Telefon ist und damit auch seine Geschichten bzw. das, was ich mit ihm erlebe ... Für 'Echt oder Ente' hatte ich mir mal eine Geschichte über ein Klo ausgedacht, das Blutdruck und Fieber misst. Vor zehn Jahren war das eine Illusion, mittlerweile ist es erfunden. Das macht mich dann schon ein Stück sprachlos... «



»... Ich war schon immer ein fröhliches Kind, das sich wohl fühlt, im Kontakt mit Menschen. Mein oberster Grundsatz ist dabei, dass ich keine Hörer blamieren will. Ich halte jedem die Tür auf, lasse jeden Menschen ausreden. Ich spiele keine Rolle, sondern bin einfach so. Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen, sollte ruhig auch mal eine Geschichte mit einem Augenzwinkern präsentieren. Bei den Veranstaltungen bin
ich gern mit Lutz Ackermann unterwegs, wir ergänzen uns gut. Ich versuche auch den Kontakt zu den Hörern über die Sendung hinaus zu halten...
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Foto: © NDR (Christoph Isenberg)

»... Wir sind natürlich auch das ideale
Angebot für die unterschiedlichsten Zielgruppen. Wobei ich immer wieder sagen muss, dass mir der Umgang mit älteren wie mit jüngeren Hörern gleichermaßen liegt
und die Unterschiede überhaupt geringer
sind, als man gemeinhin annehmen möchte. Die Altersgruppen sind sich ähnlicher als man denkt und es gibt viele nette Hörer jeden Alters. Diese Privatfunkphilosophie in jüngere wichtige und ältere unwichtige Hörer machen wir ohnehin nicht mit...« 



Foto: © NDR (Dirk Uhlenbrock)


• Michael Thürnau präsentiert zusammen mit Sandra Eckardt die »Schaubude« im NDR Fernsehen. Auf NDR 1 Niedersachsen war er unter anderem jeden Sonntag zwischen 10.05 und 12.00 Uhr mit »Schubidu« - Wer erkennt die Melodie? on air. Außerdem ist der Redakteur und Moderator im NDR Fernsehen (im Wechsel mit Monika Walden, Bild ganz oben links) in der Sendung »Bingo - Die Umweltlotterie«
zu sehen.


www.thuernauswelt.de

www.ndr1niedersachsen.de