Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern

»Da klingelten natürlich die Leitungen heiß...« - Sachsen-Anhalts Radiostimme
Maik „Scholle“ Scholkowsky

„Radio ohne Scholle ist wie ein Schaf ohne Wolle.“ Auf diesen einfachen Nenner kann man wohl die Popularität von Maik Scholkowsky bringen. Die unterschiedlichsten Hörerbefragungen hin oder her – es ist kaum zu leugnen, dass der schlagfertige Thüringer der beliebteste Radiomoderator zwischen Elbe und Harz, Altmark und dem Saaletal ist. Zum Glück ist der gelernte Heizungsmonteur Scholle nicht bei seinem ursprünglichen Beruf geblieben. Jetzt lockt er die Leute hinterm Ofen vor und ans Radio. Denn die Hörer sind Feuer- und Flamme für Scholles im lockeren Plauderton vorgetragenen Alltagsanekdoten, die oft ein nickendes „Das kenn ich doch auch!“ hervorrufen. Ein paar Beispiele gefällig?

  • „Die Verbraucherzentrale hat jetzt eine Telefon-Hotline gegen die Abzocke mit den 0190er-Nummern eingerichtet. Und es ist unglaublich: Womit beginnt diese Hotline-Nummer wohl? Mit 0190...“
  • Bei einem Gewinnspiel, wo sich eine Hörerin als Mitarbeiterin der Firma Gegenbauer-Bosse GmbH & Co. KG ausgibt: „Sag’ mal, was habt ihr eigentlich gegen Bauer-Bosse, dass ihr da eine KG gründen müsst?“

Scholle, du bist ein SAW-Mann der ersten Stunde...

...das kann man wohl so sagen. Die erste Zeit war ich abends von 19 Uhr bis Mitternacht zu hören und dachte schon, ich würde da ewig bleiben. Zu dieser Zeit hat auch Klaus Vorbrodt, der ja heute bei PSR in Leipzig ist, bei uns mit Nachrichten angefangen – in seinem charakteristischen Outfit mit Jeanshose und Hosenträger. Ich war dann auch ab und zu mal nachmittags zu hören und hatten zum Missfallen einiger damaliger Programmverantwortlicher einen zu großen Schnabel. Samstags moderierte ich auch mal die Hitparade oder berichtete sonntags vom Sport. Schließlich setzte sich die Erkenntnis im Sender durch, dass man den Scholkowsky doch mal auf die Morgensendung loslassen kann. In diesem knappen halben Jahr, wo ich allein moderiert hab’, konnte ich mir einen Nachrichtenredakteur nach Wunsch aussuchen. Da hab’ ich gern auf Klaus Vorbrodt zurückgegriffen. Er hat meistens am Ende der Nachrichten eine Meldung formuliert, die sich gut für pointierte Übergaben eignete. Ab dem 1. Februar 1994 haben wir zwei Beiden dann mit unserer gemeinsamen Morningshow angefangen. Anfangs produzierten wir dafür extra noch Comedy in Berlin. Mit »Muckefuck« haben wir damals „Infotainment“ im wahrsten Sinne des Wortes gemacht, ohne den Begriff überhaupt zu kennen. Als ich um drei Uhr in den Sender kam, war nur die Putzfrau da. Das war die Zeit, als die Nachrichtenmeldungen noch über diese endlosen Ticker-Papierschleifen einliefen. Dann mussten erstmal Nachrichten O-Töne besorgt und noch mit der Bandmaschine geschnitten werden. Die Werbespots wurden damals auch noch einzeln angefahren. Sowas kann sich heute keiner mehr vorstellen. 

Bis 1997 machten wir unser erfolgreiches Morgenkonzept dann so weiter. Wir haben immer wieder versucht zu variieren, mal waren auch Frank Wiedemann, Toni Rupprecht oder Volker Haidt dabei - der uns ja bis heute als Nachfolger zusammen mit Holger Tapper erhalten geblieben ist. Dann war das Thema irgendwann ausgereizt...

...und Scholle reizte der Nachmittag...

Na ja, ein Leben ohne das frühe Aufstehen hat schon seine Vorteile... Aber mal im Ernst: Es hat sich dann diese Möglichkeit des Wechsels ergeben, und seitdem bin ich am Nachmittag zu hören, mittlerweile vierzehntägig von 14 bis 19 Uhr. Natürlich nur, wenn ich nicht gerade meine Stimme eingebüßt habe, wie vor zwei Monaten, als ich deswegen einige Wochen pausieren musste und nur noch krächzen und krakelen konnte, zuerst auch noch on air. Früh arbeitet man vor allem den Vortag auf, am Nachmittag hat man noch mehr die Möglichkeit, aktuell reagieren zu können. Das ist nicht immer lustig. Auch das Zugunglück von Eschede oder der Lafontaine-Rücktritt fielen in meine Sendezeit und wir mussten da natürlich die aktuelle Information in den Vordergrund stellen. 

Mein Steckenpferd ist ohnehin der Sport. Am Wochenende mache ich immer mal Sportreportagen für SAW. Und am Nachmittag war das ebenfalls ein wichtiges Thema. Wenn Sven Ottke boxt, oder der SC Magdeburg spielt oder Boris Becker auf Nebenpfaden des Sports wandelt, ist das immer ein Thema für uns. Mittlerweile ist Eckehard Ball meistens der aufmerksame Nachrichtenredakteur, der mir immer eine schöne Meldung für eine gelungene Überleitung raussucht. 

Scholle, wie bist du eigentlich in den Weiten des Medienmeeres zum Radio getrieben?

Nicht auf direktem Wege, ich bin erst noch an einigen anderen Eisbergen hängen geblieben... Zuerst hab’ ich Rohre verlegen gelernt und das hängt mir bis heute noch humoristisch nach. Von 1982 bis 1984 war ich in der Ausbildung zum Heizungsmonteur und das ewige Rohre schweißen war dann doch nicht so meine Welt. Ich wollte schon immer was mit der Musik anstellen. Dann beschloss ich Discjockey zu werden. Das war in der DDR gar nicht so einfach. Ich musste einen festen Arbeitsplatz nachweisen und eine Spielerlaubnis beantragen. Für 5 Mark die Stunde bin ich mit meinen Kassetten über die Dörfer gezogen. 

Die Thüringer Allgemeine suchte 1988 dann den besten Moderator des Landes. Zu der Veranstaltung bin ich einfach mal hingefahren. Dort waren jede Menge bekannte Namen des DDR-Rundfunks und Fernsehens anwesend, von Wolfgang Lippert über Jürgen Karney und Gunther Emmerlich bis zu Manfred Matzke. Der moderierte damals den »Obernhofer Bauernmarkt«, eine Volksmusiksendung im Fernsehen und ihm konnte ich dann die Moderation des Foyer-Programms abschwatzen. Aus Erfurt bekam ich daraufhin einen Brief für eine Musikschulausbildung in Weimar. Durch die Wende wurde das aber hinfällig. 

1990 hab’ ich nun zwei Praktika bei RADIO 7 und Radio TON in Bad Mergentheim gemacht. Da entstanden ein paar Beiträge, unter anderem aus dem Sportbereich. Durch Zufall wurde ich dann auf eine Annonce aufmerksam, wo radio SAW alle möglichen Stellen ausgeschrieben hatte. Also bin ich gleich hingedüst. Das erste Funkhaus war ja ’ne alte Tapetenfabrik und als ich da ankam wurde der Laden gerade ausgeräumt. Ich stand da mittendrin etwas orientierungslos rum und man fragte mich gleich, ob ich mit anpacken will. Jedenfalls fand ich dann eine Möglichkeit, meine Bewerbung dazulassen und hab’ als Demo eine Veranstaltungsmoderation in einem Kellerladen in meiner Heimatstadt Mühlhausen abgeliefert. Tja und da schließt sich der Kreis zu SAW.

Du bist nun zehn Jahre bei SAW dabei. Eine lange Zeit, in der sich auch viel „versendet“, ohne in Erinnerung zu bleiben. Was hast du dir trotzdem gern gemerkt?

Oh, da gibt es eine ganze Menge. Vor allem viele Dinge die sich im Umgang mit den Hörern entwickeln. Da kann man eine ganze Menge rauskitzeln. Wir hatten zuletzt ein Werbestudio in Egeln, wo schon alle Mitarbeiter beim selben Spiel mitgemacht und gewonnen hatten. Beim allerersten »Quellefon« hatten wir eine Frau in der Leitung, die völlig konfus war und nur gestöhnt hat. Ich hab’ sie natürlich gleich gefragt ob sie nicht alleine ist... Jedenfalls zog sich das bald über eine Viertelstunde hin, weil wir mal austesten wollten, wie lange sie das noch vollführen will. Sowas wäre heute natürlich nicht mehr möglich. 

Ich weiß auch noch, wie wir über das „Erdbeben“ in Teutschenthal bei Halle berichtet haben. Als dort eine Halde in sich zusammengerutscht war, riefen viele Hörer an und unser Wetterfrosch Thomas Endrulat hat das bis nach London verfolgt, um an präzise Informationen zu kommen.  Auch die Comedy ist mir noch in lebhafter Erinnerung. Klaus Vorbrodt als Sekretärin „Frau Schneider“, „Scholles Oma“, Produktionen mit der umwerfend komischen Gaby Decker...

Und natürlich immer wieder der Sport. Bei einem Handballspiel der Magdeburger gegen Kiel waren eigentlich nur noch 26 Sekunden zu spielen. Also sind wir damit gleich live auf dem Sender geblieben, weil es ja nicht mehr lange dauern sollte. Doch dann geriet der Ball mehrmals ins Aus, musste gesucht und geholt werden und so dehnte es sich letztendlich auf über fünf Minuten aus. Darüber konnte man herrlich berichten. Hier kann man das in Worte fassen, was das Radio eigentlich mal ausmachte.

Gibt es eigentlich auf pointierte Anmerkungen zu bestimmten „Reizthemen“ gleich prompte Hörerreaktionen? Oder ist dafür die Sensibilität gesunken?

Oftmals erfolgt keine Reaktion mehr, dafür sind die meisten Sachen sicherlich auch zu banal. Aber ein Aufreger ist mir noch ganz gut präsent, zumal wir jetzt wieder ein Doppelwahljahr in Sachsen-Anhalt haben. 1998 konnte ich eine schöne Geschichte beobachten. Im Hotel gegenüber unseres Funkhauses hatte sich Gerhard Schröder angesagt, dessen Plakate auch schon an allen Laternen hingen. Als ich gerade zum Funkhaus kam, beobachtete ich, wie ein durch seine Autobeschriftung zu erkennender SPD-Landtagskandidat einzuparken versuchte.

Er nahm etliche Anläufe in eine riesengroße Parklücke zu kommen und als ich oben im Funkhaus angekommen war, kurvte er unten immer noch rum. Damit war das ein Fall für’s Radio geworden. Ich bin zu Susi Brandt ins Studio, die die Sendung vor mir moderiert und die ich ohnehin wegen ihrer Spontanität und ihrer spitzen Zunge sehr schätze. Susi nahm mich dann auf Sendung und ich hab’ zunächst die Einparkversuche entsprechend kommentiert. Susi meinte dann, „Scholle, bleib’ am Ball“ und ich bin zurück ans Straßenfenster gelaufen. Dort konnte ich das nächste Drama beobachten. Nun probierte der Landtagskandidat ein ums andere Mal vergebens, sein Wahlplakat über dem vom Gerhard Schröder zu befestigen. Da er handwerklich nicht gerade der Geschickteste war, krachte das Bild permanent auf den Boden. Also bin ich zurück ins Studio und hab’ entsprechend dargestellt, wie der Abgeordnete auf der Leiter rumturnte. „Schön geflaggt und schön geschmückt - wie bei Honecker“ hatte ich dann noch gesagt und ein paar Vergleiche zum SED-Wahlkampf in der DDR gezogen.

Da klingelten natürlich die Leitungen heiß. Nicht nur wegen der Hörer, die sich zum Teil köstlich amüsiert hatten, sondern auch der Abgeordnete hatte das mitbekommen und sich mit Hilfe von Parteiprominenz beim Chef beschwert. Wir nahmen das locker und luden ihn am Abend ins Studio, wo er seine Sicht der Dinge darstellen sollte. Das war aber ein Schuss in den Ofen, weil er sich auch hier um Kopf und Kragen geredet hat. Wenn ich ihn heute irgendwo sehe, muss ich immer noch unwillkürlich grinsen...

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 5/2002 


Scholle mit den No Angels
im Studio von radio SAW
Foto: © radio SAW

»... Schließlich setzte sich die Erkenntnis im Sender durch, dass man den Scholkowsky doch mal auf die Morgen-sendung loslassen kann. In diesem knappen halben Jahr, wo ich allein moderiert hab’, konnte ich mir einen Nachrichtenredakteur nach Wunsch aussuchen. Da hab’ ich gern auf Klaus Vorbrodt zurückgegriffen. Er hat meistens am Ende der Nachrichten eine Meldung formuliert, die sich gut für pointierte Übergaben eignete. Ab dem 1. Februar 1994 haben wir zwei Beiden dann mit unserer gemeinsamen Morningshow angefangen. Anfangs produzierten wir dafür extra noch Comedy in Berlin. Mit 'Muckefuck' haben wir damals 'Infotainment' im wahrsten Sinne des Wortes gemacht, ohne den Begriff überhaupt zu kennen. Als ich um drei Uhr in den Sender kam, war nur die Putzfrau da. Das war die Zeit, als die Nachrichtenmeldungen noch über diese endlosen Ticker-Papierschleifen einliefen. Dann mussten erstmal Nachrichten O-Töne besorgt und noch mit der Bandmaschine geschnitten werden.
Die Werbespots wurden damals auch noch einzeln angefahren. Sowas kann sich heute keiner mehr vorstellen...« 




»... Bei einem Handballspiel der Magdeburger gegen Kiel waren eigentlich nur noch 26 Sekunden zu spielen. Also sind wir damit gleich live auf
dem Sender geblieben, weil es ja nicht mehr lange dauern sollte.
Doch dann geriet der
Ball mehrmals ins Aus, musste gesucht und geholt werden und so dehnte es sich letztendlich auf über
fünf Minuten aus. Darüber konnte man herrlich berichten. Hier kann man das in Worte fassen, was das Radio eigentlich mal ausmachte...«


Foto: © Landeswelle Thüringen

• Maik "Scholle" Scholkowsky war insgesamt 13 Jahre bei radio SAW in Magdeburg zu hören. Im Sommer 2005 ging
er zurück in seine Heimat Thüringen und moderierte beim Privatsender LandesWelle Thüringen zusammen mit Patricia Stepputtis die Frühsendung von 5.00 bis 10.00 Uhr. In der »Mehr Thüringen MorgenShow« sind die beiden mit dem besten Musikmix aus mehr 80ern gemixt mit 90ern und dem Besten von heute gemeinsam mit den Thüringern in den Tag gestartet. Beide verbindet ihre grenzenlose
Liebe zu Thüringen.

Aktuell ist Maik Scholkowsky wieder bei radio SAW zu hören. www.radiosaw.de

www.maik-scholkowsky.de

• In der Kategorie "Doppelmoderation"
wurde Maik Scholkowsky zusammen mit Kollegin Sabrina Vetter für den Beitrag »Hallo Hall«, gesendet auf radio SAW, mit dem RADIOJournal Rundfunkpreis 2005 ausgezeichnet.
Mehr dazu unter
www.rundfunkpreis.net