»Schuld war die Nonne aus
Swaziland...«
Wie Gisela Steinhauer zum Radio kam
Meistens legt sich der Grundstein für die weitere berufliche
Entwicklung ja im Studium. So war es auch bei Gisela Steinhauer.
Ihre Universitätszeit finanzierte sich die Germanistik-,
Publizistik- und Theologie-Studentin durch freie Mitarbeit beim
ostbelgischen Rundfunk in Eupen. „Das war eine kuriose Geschichte:
Gewohnt habe ich damals in Holland, studiert in Aachen und
gearbeitet in Belgien“ lacht sie. Dort, beim Radio, konnte sie sich
erproben und vieles machen, wurde für alles eingesetzt und
rausgeschickt. Später, als Gisela Steinhauer in Münster studierte,
fuhr sie noch immer nach Belgien, durch den weiteren Weg wurde diese
Tätigkeit dann aber unattraktiver.
Während
der Semesterferien in Israel lernte die Studentin eine Nonne aus
Swaziland kennen, die sie zu sich ins heimatliche Kloster einlud.
„Nach dem Studienende war ich dann drei Monate dort. Ich fand es
faszinierend, hinter die Kulissen gucken zu können, den Alltag
kennenzulernen, früh um Fünf aufzustehen, täglich zu beten. Ich war
integriert, sie ließen mir aber trotzdem meine Freiräume. So bin ich
während des morgendlichen Gebets immer Schwimmen gegangen. Das
Kloster war auch deshalb so besonders, weil dort schwarze und weiße
Schwestern zusammengelebt haben – zu einer Zeit, als dies in
Südafrika noch undenkbar gewesen wäre.“
Wieder zurück in Deutschland war es ausgerechnet der »Internationale
Frühschoppen« mit Werner Höfer, bei dem Gisela Steinhauer
Telefondienst hatte. Der Redaktionsleiterin vom Frühschoppen
erzählte sie die Geschichte mit der Nonne und diese meinte, das
müsste man mal im Radio erzählen. Prompt landete Gisela Steinhauer
damit bei Klaus-Jürgen Haller im WDR 2-»Mittagsmagazin« und über
kleinere Beiträge ergab sich dann eine häufigere Mitarbeit.
Für drei Jahre wechselte Gisela Steinhauer dann wieder in den
Printbereich. Für das katholische Hilfswerk MISSIO in Aachen reiste
sie für die Mitgliederzeitung durch die Weltgeschichte, berichtete
über Initiativen und stellte Hilfsprojekte vor. Eines Tages rief der
WDR wieder an, weil eine Redakteurin aus dem Kirchenfunk nach Moskau
ging. Gisela Steinhauer überlegte nicht lange und sagte zu. Mit
mehreren Jahresverträgen arbeitete sie schließlich von 1990 bis 1994
beim Kirchenfunk. „Das war eine von den Themen her sehr ergiebige
Zeit“ erzählt sie rückblickend, „besonders weil in dieser Zeit viele
Papstbesuche stattfanden und Eugen Drewermanns Streit mit der
Amtskirche seinen Höhepunkt erreicht hatte.“
Schließlich ergab sich für Gisela Steinhauer der Kontakt mit dem
Bereich »Aktuelles / Politik« und 1995 moderierte sie dann im
Wechsel das »Morgenmagazin« bei WDR 2 und den »Start« bei hr1. Nach
der Pendelei zwischen Frankfurt/Main und Köln konzentrierte sich
Gisela Steinhauer wieder auf den WDR. Während eines Abstechers ins
Fernsehen moderierte sie den ARD-Ratgeber »Jobs und Karriere« und
ist heute noch mit der Kulturmatinee »Westart«
im WDR-Fernsehen zu sehen.
Irgendwann
hörte die Journalistin die Sendung »Hören Sagen« beim
DeutschlandRadio Berlin und meldete sich dort. Zunächst bestand kein
Bedarf nach neuen Moderatorinnen, doch nach einem halben Jahr
rutschte sie die
für intensive Gesprächsformate wie geschaffen scheint recht
unverhofft in das werbefreie, bundesweite Radioprogramm. „Bei der
Redaktionskonferenz mit den freien Autoren bekommen wir die Dossiers
über unsere Gäste und können uns intensiv einarbeiten. Besonders die
Gäste mit DDR-Biografie interessieren mich, weil es
für mich auch die Möglichkeit bietet, ein Stück unbekanntes
Deutschland kennen zu lernen.“ Gesprächsgäste hat sie noch viele in
Erinnerung. Ob Politiker oder ein Glücksforscher, Originale, wie die
Frau, die in Berlin die erste Suppenküche eröffnet hat, eine
Hamburger Fotografin, Weltreisende oder eine Tupperware-Verkäuferin
– sie alle hinterlassen Spuren im Gedächtnis und bereichern Gisela
Steinhauers Erfahrungsschatz. „Gelegentlich geht man voller
Vorurteile in die Sendung“ bekennt die Radiomoderatorin, „dann liegt
es am Gespräch, ob sich dieser Eindruck verfestigt oder widerlegt“.
Beeindrucken tun sie die Leute, die im positiven Sinne aus der Rolle
fallen, mit denen man etwas anfangen kann, an die man schlichtweg
rankommt. Götz Alsmann ist so ein Fall gewesen. Obwohl heiser, ließ
er sich auf ein Gespräch über seine Musik sowie Gott und die Welt
ein, das auch ein gutes Stück vom Menschen Alsmann preisgegeben hat.
Ein anderes Mal war ein deutscher Rapper da, der als wahrer
Sprachakrobat aus zehn beliebigen Wörtern der Sendung einen eigenen
Rap gemacht hat.
Bei
WDR 2 moderiert Gisela Steinhauer neben dem »Morgenmagazin« und
selten dem »Mittagsmagazin« auch den zweistündigen »Montalk«, eine
Gesprächssendung mit prominenten Gästen jeder Coleur. An wen kann
sie sich noch erinnern? „Eva Herrmann war da, Hans-Olaf Henkel, Hans
Eichel oder Jürgen Drewermann ebenso wie die Kelly Family oder
Jürgen Trittin.“ Der Bundesumweltminister überraschte in dieser
Sendung auf angenehme Art und Weise und war auch hinterher noch ein
interessanter Gesprächspartner.
Die vielbeschäftigte Radiofrau wahrscheinlich Deutschlands
meistgesendete Radiotalkerin kann ihre Liebe zu Gesprächen
auch noch bei einem weiteren einstündigen Format, dem WDR
5-»Tischgespräch« ausleben. Interessante Gäste, an die sich Gisela
Steinhauer gern erinnert, waren der Fernsehkoch Vincent Klink, der
Komiker Hape Kerkeling, die Fernsehfrauen Sabine Christiansen und
Maybritt Illner, Showmaster Michael Schanze, die Schriftstellerin
Elke Heidenreich oder der Initiator des Weltwirtschaftsgipfels,
Professor Schwab.
Hat Gisela Steinhauer eigentlich Einfluss auf ihre Gästeliste?
„Beim Montalk suchen in der Regel die Redakteure die Gäste der
Sendungen aus und überlegen, wer wohl am besten zu welchem Moderator
passen würde. Natürlich kann ich auch mal einen Wunschgast benennen
oder, was bisher nur ganz selten passiert ist, auch mal jemanden
ablehnen, weil ich denke, mit ihm oder ihr absolut nicht
klarzukommen.“
Doch ihr journalistischer Anspruch an eine vor allem für die Zuhörer
interessante Sendung ist ohnehin groß, das zeigt sich bei Gisela
Steinhauer schon in der Vorbereitung. „Ich will versuchen jedem
Menschen, den ich als Gesprächsgast in der Sendung habe, gerecht zu
werden. Außer neugierig muss man natürlich auch sehr gut vorbereitet
sein, um an den entscheidenden, spannenden Stellen auch
zielgerichtet nachfragen zu können. Und wenn es noch soviel Material
ist, was ich über den Gast bekomme: Ich lese den ganzen Stapel, um
mich möglichst gut vorzubereiten. Das ist mein Respekt, mit dem ich
dem Gast gegenübertrete. Als Gegenleistung erhoffe ich mir dann aber
auch, dass meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden und die
Gäste auch etwas von sich preisgeben. Und wenn es mal wieder
besonders schön war, ihnen zuzuhören, denke ich manchmal auf dem
Heimweg an die Nonne aus Swaziland.“
Gisela Steinhauer hat den RADIOJournal-Rundfunkpreis 2002 in der
Kategorie „Gesprächsführung“ für das DeutschlandRadio Berlin und die
Sendung »HörenSagen - Im Gespräch« gewonnen.
Stefan Förster