Programmrubrik: radio SAW
»3 x 30 - der Kandidatencheck«
Axel Schröder
Wer die
Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam besucht, sollte unbedingt
einen Abstecher in deren Westteil machen. Hier liegt - unweit
des Schlossparks von Sanssouci - eine kulturelle und kreative
Oase, die sich neben einem recht jungen, studentisch geprägten
Bevölkerungsdurchschnitt auch in mittlerweile größtenteils
sanierten Häusern niederschlägt, die ein spannendes Stück
Architekturgeschichte erzählen. Zentral erreichbar über den
Bahnhof Charlottenhof ist man in einer guten halben Stunde vom
Berliner Hauptbahnhof in Potsdam-West. Hier wohnt Axel Schröder,
mit dem ich in der „Waschbar“ verabredet bin, die - in der
Geschwister-Scholl-Straße 82 gelegen - für eine angenehme
Atmosphäre und gute Musik bis drei Uhr nachts bekannt ist.
Das
ist nicht selbstverständlich in Potsdam.
Wer zunächst
nur virtuell in Potsdam-West vorbeischauen will, landet
ebenfalls bei Axel Schröder. Im Internet baut er gerade eine
kreative Plattform auf, mit der aus dem viel beschworenen
„global village“ eine richtige kulturelle Welt werden soll. Hier
können sich Autoren, Künstler, Redakteure, Produzenten,
Ideensucher und -geber vernetzen und gegenseitig nutzbringend
unterstützen. So
gibt es im „Schreibhauseffekt“ die Möglichkeit,
Leute, die Lust am Schreiben haben, denen aber eine Plattform
zur Veröffentlichung fehlt, mit Verlagen, Theateregisseuren oder
Journalisten zusammenzubringen. Anderen fehlt vielleicht die
zündende Idee zu einem guten Buchtitel oder eine passende
Überschrift für einen Zeitungsbericht. Hier kann dann auf die
„Denkmalschaft“ zurückgegriffen werden. Denn zehn Köpfe bringen
oftmals mehr zustande als einer. „Mein Ziel ist es, die
Denkleistung von Potsdam-West gebündelt und vernetzt zur
Verfügung zu stellen“, erläutert Axel Schröder sein Projekt, mit
dem er nach einer realistisch kalkulierten Anlaufphase durchaus
seinen Lebensunterhalt bestreiten will.
„Das Ausspinnen
von Ideen muss natürlich nicht auf den schreibenden Bereich
beschränkt bleiben, auch eine entsprechende Plattform für
Rundfunkmacher ist durchaus denkbar“, wagt der Medienkenner
gleich noch einen Blick in die Zukunft. Schließlich soll die
Kreativplattform Potsdam-West „eher Lebensgefühl als
Ortsbindung“ sein. Soll heißen, auch alle hellen Köpfe von
außerhalb sind herzlich eingeladen, sich an dem Projekt zu
beteiligen. Ursprünglich hat der gebürtige Neubrandenburger ganz
andere Wege eingeschlagen. So studierte Axel Schröder in
Greifswald zunächst Militärmedizin, wurde dann aber anderthalb
Jahre vor der Wende als „nicht offizierswürdig“ entlassen, womit
das an die NVA angelehnte Studium auch gleich passé war. Nach
einer Restzeitabdienung in einem Strafbataillon wandte er sich
einer Tätigkeit im Bereich der Geothermie zu, ehe der schon
immer radiobegeisterte Axel am
12. Dezember an die Türen des
damaligen Neubrandenburger Außenstudios von Radio DDR klopfte,
um sich spontan nach Möglichkeiten der dortigen Mitarbeit zu
erkundigen. Er wurde zunächst sehr zurückhaltend empfangen, man
bat ihn dann aber schließlich, am Abend die Gründungsversammlung
einer neuen Partei, der SDP (so hieß die SPD im Osten damals) zu
besuchen, darüber eine Meldung zu formulieren und sie dann im
Sender abzuliefern. Gesagt, getan.
So
wurde Axel Schröder nicht nur Zeitzeuge des politischen Umbruchs
in der DDR sondern wuchs auch in das journalistische Metier
rein. Die Drei-Zeilen-Kurznachricht war schließlich mit Hilfe
eines Kumpels, mit dem er damals zusammen wohnte, geschrieben
und wanderte um Viertel Fünf
in den Briefkasten des Studios. „Ab
fünf Uhr hab’ ich dann gebannt vorm Radio gesessen und mir
gedacht, jetzt muss doch mal jemand deine Meldung vorlesen“,
erinnert sich Axel Schröder. „Als nichts zu hören war,
befürchtete ich schon, dass es das dann wohl gewesen ist. Um
halb Elf bekam ich doch noch einen Anruf, dass man meinen Zettel
erst jetzt im Briefkasten gefunden habe und bot mir eine
Mitarbeit auf freier Basis an, was nach einem Vierteljahr
bereits in einer Festanstellung mündete.“
So war Axel Schröder dann für das regionale Geschehen zwischen Müritz und Oderhaff zuständig und wuchs - als Neuling in der ansonsten unveränderten, alten Mannschaft - mit seinen Aufgaben. „Ich konnte schnell richtig Radio machen und sehr viel gleich umsetzen. Das war eine sehr schöne und interessante Zeit, bei der ich auch ernst genommen wurde.“ In den bewegten Wendejahren hat er auch an namhafte Leute, wie die damalige Treuhand-Chefin Birgit Breuel und den mittlerweile verstorbenen FDP-Politiker Günter Rexrodt, getroffen und Interviews mit ihnen beziehungsweise Portraits über sie gemacht. Dem pointiert formulierenden Axel Schröder, der noch heute Kabarettprogramme unter anderem für die Magdeburger „Kugelblitze“ schreibt, ist dabei auch der Wandel der Bedürfnisse im Osten Deutschlands nicht entgangen. „Während der ersten Montagsdemonstrationen, ging es noch um politische Forderungen, im Januar 1990 erlebte ich dann in Neubrandenburg bereits die Losung ‚SAT.1 und RTL ins Kabel’. Der materielle Nachholbedarf artikulierte sich also in der Forderung nach der schnellen Empfangbarkeit der westlichen Privatsender.“
1992 kam mit
dem NDR der große Umbruch in der Rundfunkstruktur
Mecklenburg-Vorpommerns. Der Norddeutsche Rundfunk bot ihm ein
18-monatiges, bimediales Volontariat an. „Für uns zehn bisher
schon in den Studios Beschäftigte, die ohne entsprechende
Ausbildung waren, wurde sogar ein eigener Ausbildungsjahrgang
dazwischen geschoben. Ich selbst war unter anderem in den
NDR-Landesfunkhäusern in Kiel und Hannover, in der Zentrale in
Hamburg und in den Regionalstudios Braunschweig, Osnabrück und
Rostock tätig. In der Redaktion der Tagesschau habe ich
Nachrichten geschrieben. Man hat in den zwei Jahren viel Input
bekommen und das Handwerk in der ganzen Bandbreite solide
erlernt“, ist sich
Axel Schröder bewusst. Danach konnte er sich
nicht so recht entscheiden, wohin die mediale Reise gehen soll,
als ihm der Zufall wieder zu Hilfe kam. „Ich erhielt einen Anruf
von Thomas Schnell, den ich als Chef vom Dienst beim Fernsehen
im Rostocker Studio kannte. Er war gerade als Programmdirektor
zu radio SAW nach Magdeburg gegangen und wollte mich als
Nachrichtenchef engagieren.“
So fing Axel
Schröder am 1. Januar 1994 bei dem noch jungen Privatsender an
und stellte dort die bisherige Zusammenstellung
und Präsentation
der Informationen gleich auf den Kopf. „Vielleicht waren wir
damals sogar der erste deutsche Privatsender überhaupt, der die
regionale Berichterstattung voranstellte. Bis dahin wurde immer
mit außenpolitischen Themen begonnen, ehe die deutsche
Innenpolitik an der Reihe war. Lokale Meldungen direkt vor der
Haustür wurden meist stiefmütterlich behandelt.“ Damals leistete
sich radio SAW sogar noch zwei sehr ausführliche
Nachrichtenausgaben pro Tag, die bis zu zehn Minuten in Anspruch
nehmen konnten. Dies stieß auf gute Hörerresonanz.
Wenn Axel Schröder nicht im Dienste der Aktualität vor dem Mikrofon oder am Schreibtisch saß, konnte er bei radio SAW auch seine kabarettistische Ader ausleben. Über dreieinhalb Jahre lief seine Satiresendung »Schröööder«, die zuvor »Kalauch & Schröder« hieß. Gemeinsam mit Bernd Kalauch, den er aus gemeinsamem Radiozeiten in Neubrandenburg kannte und der heute im Rostocker NDR-Studio tätig ist, machte er richtiges politisches Kabarett im Radio, das sich auch mit landes- und bundespolitischen Themen satirisch befasste. Regelmäßig Ärger gab es dabei mit der Frauenbeauftragten der Landesregierung, die offenbar voll und ganz dem Klischee dieser Funktion entsprach und chronisch humorlos einmal sogar mit einer Klageandrohung reagierte. Für Kabarettisten eher ein Ansporn, weiter zu machen.
Auch Wahlen
wurden bei radio SAW immer mit Comedies begleitet, etwa durch
die Morningshow-Serie „Tapper für Haidtsleben“, bei der
„Muckefuck“ Holger Tapper als Bürgermeisterkandidat antrat.
Ähnlich kurios und witzig waren der „Hundeschulmädchenreport“ -
Geschichten der „Muckefucks“ mit ihren Hundebabies - oder
„Haidts Brautschau“, wo Volker Haidt täglich ein neues Lied über
seine Probleme bei der Suche nach einer Frau in Sachsen-Anhalt
beschrieb. Doch nicht nur diese Stücke stammten aus Axel
Schröders Feder. Der Meister des Wortspiels konzipierte auch die
„Völlige Weihnacht“ - zu recht unbekannte Weihnachtsbräuche aus
Sachsen-Anhalt wie das Altmärker Altenmerken oder das Freyburger
Rotkäppchen-Sektkorkenknallen-lassen. Darüber hinaus konzipierte
Axel Schröder viele aktuelle Songs für die „Muckefucks“ oder als
Begleitung für On-Air-Promotions. Gelungenes Beispiel waren auch
die auf bekannte Poptitel gesungenen „WM-Songs“ im Sommer 2006,
etwa „Wein nicht so sehr Argentinien“ oder das in Erwartung
eines möglichen WM-Scheiterns der Deutschen bereits
vorproduzierte „Gewinner seid ihr längst“, das eigentlich nie
gespielt werden solle, am Ende dann aber am häufigsten lief.
Bei aller
Unterhaltung waren schnelle Informationen immer ein
Markenzeichen bei SAW. „Die größte Herausforderung in der
gesamten Sendergeschichte war dabei ohne Zweifel das
Elbehochwasser im Jahr 2002. Von den Leuten hat keiner auf die
Uhr geguckt. Unser Regionalstudio in Dessau, intern damals
liebevoll ‚Ferienlager’ genannt, wurde personell ziemlich
aufgepumpt und um die Besatzung des Studios Halle verstärkt. Die
Informationen gingen im 10-Minuten-Takt über den Sender, die
Moderatoren waren teilweise bis zu zehn, zwölf Stunden on air
oder haben, wie Ingolf Kloss, sogar Nachrichten gelesen. Die
gefühlte Einschaltquote im Land betrug 90 Prozent.“
Während der MDR sein Dessauer Studio im vermeintlichen Sicherheitsinteresse seiner Mitarbeiter evakuieren ließ und diese sich von radio SAW sogar einen Laptop borgen mussten, um überhaupt berichten zu können, setzte SAW auf die enorme Hörerbeteiligung. So konnten ganze Einsätze des Technischen Hilfswerks über das Radio koordiniert und freiwillige Helfer zielgerichtet an einen sinnvollen Einsatzort gelenkt werden. Etliche Dankesanrufe für die Nachrichten zollten Anerkennung für die programmliche Leistung. Axel Schröder erinnert sich an einen älteren Mann, der plötzlich im Studio stand und sagte: „Ich wollte nur mal schauen, wie Sie aussehen. Gute Arbeit, die Sie da machen.“
Die
Informationskompetenz zeigte sich auch bei den Land- und
Bundestagswahlen. „Wir werden in Sachsen-Anhalt als DER
Landessender wahrgenommen und dazu gehört eben auch solide
Berichterstattung. Man muss den Leuten im Rahmen des Formats
etwas anbieten, was sie für Politik interessiert und sie auch
zur Wahl gehen lässt.“ Da die einstündige Elefantenrunde der
Spitzenkandidaten für die Primetime ungeeignet ist, entstand für
die „Muckefucks“ am Morgen mit „3 x 30 - der Kandidatencheck“
eine kurzweilige Alternative. Alle Spitzenkandidaten bekamen die
gleichen Fragen gestellt, hatten aber maximal 30 Sekunden Zeit,
darauf zu antworten. Danach ging gnadenlos das Mikrofon aus und
der Rest wurde nicht mehr gesendet. „Das Ganze bewegte sich
durchaus auf der Unterhaltungsebene, trotzdem kamen Antworten zu
thematischen Blöcken rüber, etwa zur Bildungs- oder
Verkehrspolitik. Viele Politiker mussten sich erst daran
gewöhnen, dass die Zeit wirklich begrenzt ist. Nur in einem
Fall, war eine Kandidatin deutlich früher fertig. Für Gelaber
war kein Platz. Vielen Hörern gefiel es, andere riefen
allerdings an und meinten, man solle die Befragten doch ausreden
lassen“, erinnert sich Axel Schröder.
Im Bundestagswahlkampf war er selbst mit dem „Schröder des Tages“ als Glosse präsent, seine Satire „Wahllokal“ bestand aus klassischem O-Ton-Sampling, wo Aussagen und Platitüden der Politiker humorvoll ineinander geschnitten wurden. Gern gearbeitet hat der Vollblut-Programmmacher auch an den gereimten Jahresrückblicken, die Silvester auf dem Sender waren. Besonders stolz ist er auf viele seiner rund 40 im Laufe der Jahre betreuten Volontäre, die heute - wie Susi Brandt, Stephan Michme, Claudia Heber oder Sabrina Vetter - bei anderen Sendern erfolgreich tätig sind.
In Magdeburg ist Axel Schröder nach dreizehn Jahren als Chef vom Dienst, stellvertretender Chefredakteur und Wortchef nun auch nicht mehr tätig. In diesem Sommer endete seine Arbeit bei radio SAW. Jetzt stehen neue Projekte an. Nicht nur privat, wo der gerade 40 gewordene Axel Schröder der Liebe wegen nach Potsdam zog und nun zum ersten Mal beim Berlin-Marathon mitmachen will. Auch beruflich lockt ihn nun seine kreative Ader zu neuen Herausforderungen. Womit sich der Kreis zum Beginn des Artikels wieder schließt.
Bild oben: Die
radio SAW-Fußballmannschaft mit Axel Schröder
im Tor.
Stefan
Förster
Foto: © radio SAW
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