Feature:
hr2-Kultur
»Wem gehört Mozart?
Der Mozart-Hype 2006« -
Natascha Pflaumbaum
Als ich Natascha Pflaumbaum im Casino des hr-Funkhauses in Frankfurt treffe, ist sie gerade von einer Reise aus Tibet zurückgekommen. Ihre Leidenschaft für den asiatischen Kontinent rührt auch von einem zweimonatigen Stipendium in China, wo sie möglichst authentisch wie die Einheimischen leben sollte. Auch ein Film in Form eines Videotagebuchs ist entstanden.
Natascha Pflaumbaum gehört zu den wenigen bimedial Beschäftigten beim Hessischen Rundfunk. Etwa 60 Prozent ihrer Arbeitszeit widmet sie dem hr-Fernsehen, vor allem kulturellen Beiträgen in der »hessenschau«, zu 40 Prozent ist sie für den Rundfunk - und hier vor allem für hr2-Kultur - tätig.
Ursprünglich
hat sie Analytische Philosophie und Literaturwissenschaften
studiert, als Opernkritikerin beim Göttinger Tageblatt
gearbeitet und dort auch volontiert. Nach drei Monaten brach sie
das ausschließlich auf Kultur fixierte Volontariat zugunsten
eines selbigen im hr ab, wo sie die ganze Bandbreite des Hauses
kennen lernte. Sie machte kulturelle Beiträge für die
»hessenschau« im hr-Fernsehen, reicht dafür noch heute ein
Monatsangebot ein, aus dem die Redaktion ihre Favoriten auswählt
und dann auch einkauft. Im Hörfunk war sie bei der renommierten
Sendung »Der Tag« gewesen, die damals noch bei hr1 zu hören war
und heute
auf hr2 empfangen werden kann. Hier hat sie sich
schnell den Ruf als pointierte und unabhängige Frühkritikerin
erworben, wird aber auch für Sondersendungen bei
Opernübertragungen oder der Berichterstattung über die
Bayreuther Festspiele eingesetzt.
Sonntags kann
man sie als Moderatorin der Sendung »Klassikwünsche« bei hr2
erleben, einmal im Monat auch in der Sendung »Mikado-Spezial«.
Um Jugend und Schule stärker für die Hochkultur zu begeistern,
gibt es in der Alten Oper auch eine Konzertreihe »Live on
Stage«, die ebenfalls von Natascha Pflaumbaum mit betreut und
moderiert wird. Während sie für das Fernsehen eher Beiträge
produziert, ist im Hörfunk fast alles live.
Da manchmal auch
noch Einblendungen für Deutschlandradio Kultur dazu kommen, ist
die Schwierigkeit, alle Termine zu koordinieren
und unter den
sprichwörtlichen Hut zu bekommen, wohl das größte Problem von
Natascha Pflaumbaum.
Mit ihren vielfältigen Produktionen hat sie auch schon einige Preise eingeheimst. So erhielt ihr „Reisetagebuch über Salzburg“, das auch als Hörbuch erschienen ist, als herausragendes Feature bereits den Kurt-Magnus-Preis. Weitere Features hat sie im Rahmen des »Funkkolleg« gemacht, darüber hinaus die Sendung „Mozart und die Freimaurer“. Wo wir nun schon bei Mozart und Salzburg sind, wie ist denn ihr geniales Stück über den „Mozart-Hype 2006“ entstanden, will ich von ihr wissen. „Den Auftrag erhielt ich von Volker Bernius, dem Chef der Wissenswert-Redaktion, der meinte ich sollte den Mozart-Hype doch mal näher untersuchen“, erinnert sich Natascha Pflaumbaum. „Über das Wortspiel Mozart-Kugeln - Mozart-Googeln bin ich dann im Selbstversuch durch das Internet gegangen und habe geschaut, was alles rund um Mozart vorhanden ist. Die Vielzahl der Einträge hat mich wirklich überrascht.“
Dann entstand
in Eigenregie, mit Unterstützung von Technikern
bei der
Produktion, diese akustische Reise durch die Welt der
verschiedenen Mozart-Produkte. Die kleine Emilia, mit der
Natascha Pflaumbaum in einer Art WG in einer Oberurseler Villa
wohnt, wurde Teil des Features, indem sie keck bestimmte
Begriffe wiederholte oder eigene Ansichten zum Besten gab. „Ich
bin eigentlich eine Geschichtenerzählerin, habe einen
subjektiven Blick, wie ich die Dinge jeweils sehe. Ich weiß bei
Beiträgen und Features oft nicht genau, wo es hingeht, habe aber
eine Ahnung davon, welche Atmosphäre und Eindrücke ich
vermitteln will.“ Dabei vertritt Natascha Pflaumbaum den
Standpunkt des argumentativen Subjektivismus. Durch das Stellen
von Warum-Fragen versucht sie, Standpunkte nachzuvollziehen und
gute Argumente in der Situation des jeweiligen Momentes
wiederzugeben. Mit den Jahren ist Natascha Pflaumbaum auch bei
schlechten Dingen gelassener geworden. „Früher wurde ich dann
sehr polemisch, habe mir das aber abgewöhnt. Jetzt versuche ich
auch hier zu einer differenzierten Betrachtung zu kommen.“
Durch ihre
Tätigkeit der Frühkritiken bei hr2 ist Natascha mittlerweile im
hessischen Raum bekannt wie ein bunter Hund. Dabei gelingt es
ihr, immer frei und live zu sprechen und damit einen lebendigen
und ungeschminkten Eindruck von den jeweiligen Premieren oder
Aufführungen des Vorabends zu vermitteln. Wenn es um Musik geht,
macht Natascha Pflaumbaum so schnell niemand etwas vor. Als Kind
(und heute auch wieder) hat sie Klavier gespielt, gesungen, im
Posaunenchor mitgemacht und wollte später sogar Gesang
studieren. Trotzdem attestiert sie sich, die eine nicht
untypische „kleinbürgerliche Bildungslaufbahn“ absolvierte, nur
eine „Amateurbeziehung zur Musik“. Natascha Pflaumbaum hat daher
als Kritikerin auch keinen Absolutheitsanspruch. „Meine Begabung
besteht eher in der Darstellung der eigenen Empfindungen.“
Das gelingt ihr
offenbar auch gut bei Veranstaltungen, wo Natascha dem Nachwuchs
die Welt der Oper und Operette in ausgewählten Veranstaltungen
vor Ort nahe bringt. Letztendlich ist für sie prinzipiell nicht
die Dauer der Beiträge entscheidend sondern der Inhalt, der
vermittelt wird. „Ich versuche immer, in drei Minuten
das
rüberzubringen, was Oper vielleicht in größerem Rahmen nicht
schafft.“
Stefan
Förster
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