»Nachwirkung«
Radio kann mehr

Comedy / Glosse: radio ffn 
»Song zur Jamaica-Koalition« 
Timm Busche / Jochen Krause

Jochen Krause ist eines der Urgesteine beim niedersächsischen Privatsender radio ffn, der in Kürze seinen 20. Geburtstag feiert. Dem bekannten Comedy-Autor schwirren ständig neue Ideen durch den Kopf, die er in unkomplizierter Zusammenarbeit mit einem eingespielten Team im Haus umsetzen kann. Beim »Song zur Jamaica-Koalition« fragte er sich zunächst, „wer hat Ahnung von Musik und kann mir bei der Umsetzung helfen“. Dabei kam ihm schnell Timm Busche zu Hilfe, der neben seiner Moderationstätigkeit bei radio ffn für die On-Air-Promotion zuständig ist. Busche war mal „selbst in der Reggae-Szene drin“ und hatte daher ein Gespür dafür, wie man Text und Idee umsetzen konnte. „Da mir die Grundidee gut gefiel, habe ich dann auch performed und gesungen.“

Ein Faible für Comedies - auch wenn es diesen Begriff damals noch nicht im heutigen Verständnis gab - entwickelte Jochen Krause bereits in seiner Jugend, als er fasziniert Heinz Ehrhardt oder die Vorläufer von Monty Python am Bildschirm verfolgte. Hinzu kamen seine Eltern, die nicht in Norddeutschland verwurzelt waren und durch ihre Sprache entsprechend auffielen. „Ich fragte mich immer, warum reden die anders als ich hier und anders als unsere Nachbarn und Freunde“, erinnert sich Jochen Krause. Sein ausgefeiltes Sprachverständnis konnte er bald beim Dialektduo „Siggi & Raner“ anwenden, das noch heute erfolgreich in Norddeutschland unterwegs ist. Jochen Krause gibt dabei den „Sig-gi“, sein langjähriger ffn-Comedypartner Martin Jürgensmann schlüpft bei
dem Kult-Duo in die Figur des „Raner“.

Zu radio ffn kam Jochen Krause bereits im zweiten Jahr des Bestehens und fing damals in den Bereichen Musik, Redaktion und Moderation an. Sein Faible für ausgefeilte und wirklich witzige Comedy ermöglichte es ihm bald, sich ganz auf dieses für ffn so wichtige und prägende Programmelement zu konzentrieren. Seitdem sind tausende von Comedies unter Jochen Krauses kreativer Ader entstanden - von einzelnen, tagesaktuellen Stücken bis hin zu Serien, die wie »Die Schröders privat« über sieben Jahre, während der gesamten Kanzlerschaft, liefen. Hier gelang es ihm nach Einschätzung vieler Hörer fulminant, eine typische und als authentisch empfundene Familiensituation bei Gerhard Schröder
zu Hause darzustellen.

Für die Comedies, die in der Regel exklusiv bei radio ffn laufen,
will Krause möglichst die ganze inhaltliche und rhetorische Bandbreite ausschöpfen. „Sehr gern mache ich auch immer Lyrik, nehme Originalsätze von Promis, um sie in andere Zusammenhänge einzuordnen. So entstehen komische Stücke, die wir dann zum Beispiel an deren Geburtstag ausstrahlen.“

Auch wenn Jochen Krause kein Stimmenimitator ist, kann er doch einige markante Personen - so Rainer Calmund oder Franz „Münte“ Müntefering - treffend parodieren. Damit legte er auch schon andere Prominente erfolgreich rein. Als „Calli“ führte Jochen Krause zum Beispiel Promi-Friseur Udo Waltz an, der am Vortag mit dem echten Calmund zusammen bei Günther Jauch war. „Mit dir rede ich kein Wort mehr, du bist mir zu intelligent“, sagte Waltz zum falschen „Calli“, im Glauben daran, den echten an der Strippe zu haben. „Wenn so etwas klappt, ist das natürlich eine Sternstunde der Comedy“, sagt Jochen Krause.
„Man hat ja immer nur einen Versuch, entweder der andere fällt drauf rein oder nicht.“ Auch Axel Schröder oder Mousse T. gingen ihm auf diesem Weg in die Falle.

Comedies sollen immer möglichst tagesaktuell sein und kurzfristig entstehen. Die Grundvoraussetzungen für seine Arbeit bringt Jochen Krause kurz und bündig auf den Punkt: „Man muss Händchen und Kreativität haben, aber bei der täglichen Arbeit ist 80 Prozent gelerntes Handwerk.“ Mit diesem Grundgerüst sollte es auch keine Probleme geben, immer neue Ideen zu finden. Denn: „Heute bin ich nicht inspiriert, ist eine Ausrede für Faulheit“, findet Krause.

Gleichzeitig müssen natürlich mit jedem Stück auch ein paar Grenzen überschritten werden. „Comedy und Humor lebt von der Verletzung, wenn ich keine Grenze überschreite, lacht auch keiner.“ Dass damit auch mal die ein oder andere Beschwerde vorprogrammiert ist, gehört zwangsläufig dazu. Dabei gibt es bestimmte Themen, die mehr polarisieren als andere, hat Jochen Krause beobachtet. „Männer-Frauen-Sachen regen nicht mehr auf, was aber gar nicht geht sind Witze über Behinderte und Tiere.“ Als er einmal auf den Verzehr von Hundefleisch anspielte, und dann sagte, „Hundesuppe esse ich nicht so gern, da gucken die Fett-augen immer so treu“, gab es erboste Reaktionen.

Jahrelang erfolgreich im Programm war auch »Der platte Gag«,
der saukomische Wortspielereien auf eine derbe Pointe brachte.
Für radio ffn ist es dabei ein großer Glücksumstand, dass auf die Kompetenz im eigenen Haus zurückgegriffen werden kann. Das richtige Niveau, um das Publikum zu erreichen, spielt bei der Konzeption der Comedy eine Rolle. „Wir können nicht davon ausgehen, dass ein Großteil der Hörer so detailliert tagespolitisch informiert ist, wie man es als Mitarbeiter eines Radiosenders sein sollte. Gleichzeitig muss man dem Publikum um acht bis zehn Prozent voraus sein - sonst langweilt man die Leute.“ Die Verständlichkeit steht bei einem Nebenbei-Medium wie dem Radio natürlich oben an.

Auch Timm Busche sieht Comedy mittlerweile als etwas „gesellschaftlich Akzeptiertes“ an.  Die zur Verfügung stehende Sendezeit von in der Regel 1,30 Minuten „immer so zu füllen, dass die Pointe auch trägt“, ist für ihn ebenfalls eine spannende Aufgabe,
auch wenn Comedy nicht zu seinen Hauptaufgaben zählt. Busche ist in der On-Air-Promotion für die gesamte Formatüberwachung von Jingles, Trailern und Eigenwerbung sowie die kreative Arbeit, etwa beim Ausdenken neuer Aktionen, verantwortlich. In Zusammenarbeit mit den Produzenten werden dann die richtigen Formen für die Umsetzung festgelegt. Neben der auch online abrufbaren Serie »Die unglaublichen Fakten« und einigen Crazyphones, die Timm Busche als Pizzalieferant bestritt, da er den italienischen Akzent beherrscht, erinnert er sich noch an ein aktuelles Beispiel seiner umfangreichen Arbeit. Die Aktion
„Du bist Niedersachen“, die das Ziel verfolgt, alle acht Millionen Niedersachsen kennen zu lernen und auf der begleitenden Website vorzustellen, entstand nach einer Überlegung, wie man die
„Du bist Deutschland“-Kampagne regionalisieren kann.

„Unsere Programmdirektorin Ina Tenz hatte sich parallel auch genau zu diesem Thema Gedanken gemacht und es passte dann alles wunderbar für ein Gesamtprojekt“, meint Timm Busche, der in der Kategorie „Eigenproduktion“ damit auch den Niedersächsischen Hörfunkpreis 2006 erhielt. Denn begleitet wurde die Aktion im Programm zum Beispiel auch durch einen Song, der augenzwinkernd alles was „typisch Niedersachsen“ ist, zum Beispiel, dass Prinz Ernst August bei der EXPO an den türkischen Pavillon pinkelte, gut gemacht zusammenfasste.

„Aus einer kleinen Idee ist eine super Geschichte geworden, die Kompetenz für’s Land, Image und eine gute Programmaktion miteinander verbunden hat“, freut sich Timm Busche, der stolz darauf ist, dass sich bereits nach wenigen Monaten über 100.000 Niedersachsen mit Foto im Internet verewigt haben. „Als einziger Privatsender haben wir das auch in dieser Form umgesetzt. So eine Aktion wird richtig gelebt, wir haben zum Beispiel jeden Morgen ein Foto beschrieben und die Leute konnten sich melden, wenn sie sich wieder erkannt haben.“

Folgerichtig war radio ffn auch als Partner bei „60 Jahre Niedersachsen“ dabei. Doch Timm Busche denkt schon weiter.
„Man ist den Aktionen immer voraus, wenn sie im Programm laufen, beschäftige ich mich schon wieder mit der nächsten.“

Gern setzt Timm Busche auch die »ffn-Crazycharts« um, wo Hits
zu bestimmten Tätigkeiten gespielt werden. Am „Tag der Putzfrau“ beispielsweise „Wis(c)h you where here“ oder ein Song von
„Don M Clean“. Wortspiele mit Hintersinn eben.

Timm Busche arbeitet vier Tage in der Woche für die On-Air-Promotion. Zeit für’s Moderieren, bleibt nur noch am Samstag. Da ist es ihm dann wichtig, auch ein paar Emotionen zu transportieren und authentisch zu sein. Jochen Krause ist als Bestandteil der
ffn-Comedy-Kompetenz auch eng mit dem »Frühstyxradio« verbunden. „Mit Siggi & Raner waren wir damals eng an die Kollegen angedockt, als sie ffn-Mitarbeiter waren“, erinnert er sich. Daher war es bei ffn immer schon unüblich, Comedy dazu zu kaufen.

Durch „das kleine bisschen anders sein“ ist es Krause auch gelungen, aktuelle Themen ganz individuell zu bearbeiten. „Ich frage mich immer: Was ist der Hauptzugang zum Thema? Den wähle ich dann nicht.“ Dass heute noch so mancher Schatz früherer Comedy-Tage gehoben werden kann, ist auch Jochen Krauses gut organisierter Archivierung zu verdanken. „Seit 1997 haben wir alles komplett im Digas vorliegen, für die Zeit davor sind noch Tonbänder vorhanden, die mal aufgearbeitet werden müssten.“

Dankbar sind die Comedymacher bei radio ffn - zu denen neben Jochen Krause und Martin Jürgensmann auch Peter Michael Zernechel gehört - ihrer Chefetage, „die auch mal verzeihen kann, wenn an einem Tag nichts Brauchbares und Sendefähiges rauskommt“. Doch in der Regel hat Jochen Krause eine ungebremste Schaffensphase. Am Wochenende ist er oft mit „Siggi & Raner“ (Bild) in Niedersachsen unterwegs, um auf der Bühne zu tanzen, Musik zu machen und natürlich die Zuschauer zum Lachen zu bringen  - zum Beispiel durch live geführte Crazyphones.

„In Hildesheim haben wir mal ein Stück über Panade gemacht“, erinnert sich Krause noch gut. „Wir riefen in einem Lokal an, gaben uns als Panade-Fans aus und fragten die Wirtin, ob denn 100 Leute vorbei kommen könnten, die nur Panade essen wollen. Noch Wochen später wurde das Lokal in Uelzen aufgesucht - es kamen wirklich Leute vorbei und die Wirtin machte den Spaß mit.“

Spontaneität und „unglaubliche Reaktionsschnelle“ schätzt Jochen Krause auch an seinem Kollegen Timm „Doppel M“ Busche. Der versucht auch als Moderator einen anderen Zugang zu Themen und Ereignissen zu finden, als dies viele Kollegen tun. „Vor vier, fünf Jahren begann ja eine regelrechte Authentizitätswelle im Radio. Ich habe auch schnell die Erfahrung gemacht, je menschlicher es wurde, umso mehr Zuspruch gab es.“ So erinnert sich Busche an einen Freitag, als ihm das Motorrad vor der Tür geklaut wurde. „Das war dann natürlich Thema in meiner Sendung. Danach riefen viele Leute an und berichteten ähnliche Erlebnisse.“ Was beweist, dass das Radio wirklich Emotionen transportieren kann. Und auch hier - wie
im Leben überhaupt - die ganze Bandbreite an Gefühlen und Stimmungen dicht beieinander liegt.

Stefan Förster
Fotos: © ffn
www.ffn.de